Unheimliche Begegnung am Morgen von OceanSoul (Mord in Tokio) ================================================================================ Kapitel 5: Der Weg der Lösungen ------------------------------- 20 Minuten später war alles erledigt. Auch Kaori. Sie ging auf den Balkon des Apartments, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Als ihre Augen die öffentliche Toilette streiften, die vor dem Haus stand, erstarrte Kaori vor Schreck. Dahinter, versteckt in einem Gebüsch, stand der unheimliche Mann, den sie am Tag zuvor in der Gasse getroffen hatte, und beobachtete das Geschehen. Seine gelbgrünen Augen schienen Kaori bedrohlich anzustarren. ‚Wie die Augen eines Falken...’, dachte Kaori. Dann ging sie in die Wohnung zurück. Sie fragte den Inspektor: „Und? Sind Ihre Leute fündig geworden?“ Inspektor Tanaka schüttelte den Kopf. „Nein. Aber wir haben wirklich jeden Winkel abgesucht.“ „Aha.“ Aber über diese Tatsache schien Kaori gar nicht enttäuscht zu sein. Nein, im Gegenteil: Dieser Fall gefiel ihr mehr und mehr. „Und wie weit bist du mit deinen Ermittlungen?“, fragte der Inspektor Kaori. Diese antwortete: „Ich konnte den Kreis der Verdächtigen auf vier Personen einschränken. Da hätten wir zum Einen Frau Tsugumi Tachigawa, 53. Sie ist die Vermieterin der Wohnungen und hat zu jedem Zimmer einen Zweitschlüssel. Sie sagt, sie sei zur Tatzeit allein in ihrem Arbeitszimmer gewesen. Dann wäre da Fräulein Mariko Shinmei. Sie ist 27 Jahre alt und die zweite Tochter des im letzten Jahr verstorbenen Schriftstellers Nintaro Shinmei. Sie arbeitet als Verkäuferin im Supermarkt gleich nebenan. Sie behauptet, zur Tatzeit gerade Mittagspause gehabt zu haben. Auch für ihren Aufenthaltsort gibt es keine Zeugen. Als Dritten im Bunde haben wir Herrn Naojaki Saturo, 25 Jahre alt. Er ist Kameramann bei TV Tokio. Über ihn kursieren Gerüchte, dass Herr Takayama ihn erpresst haben soll. Er sagte, er wäre gerade bei einer Aufnahme gewesen, was ihm seine Kollegen allerdings nicht bestätigen können. Und zu guter Letzt ist da natürlich noch diejenige, die die Leiche fand: Frau Midori Hasegawa. Sie ist 45 Jahre alt und arbeitet als Krankenschwester im Beika-Krankenhaus. ... So, das war’s.“ Inspektor Tanaka hatte aufmerksam zugehört und sich Notizen gemacht. ‚Das Mädchen versteht was vom Kombinieren’, dachte er. „Sag mal...“, wandte er sich an Kaori, „...du kommst mir schon die ganze Zeit so bekannt vor. Wie heißt du eigentlich?“ „Kaori Shizuka!“, antwortete Kaori. „Ach, jetzt erinnere ich mich! Du bist doch die Tochter von Noboru Shizuka der Mordkommission 1, die früher bei so manchen Einsätzen meine Leute aufgemischt hat, stimmt’s?“ „Genau die. Aber jetzt lassen wir die alten Geschichten und widmen uns wieder dem Fall“, sagte Kaori. ... „Also... Da die Tatwaffe nicht aufgetaucht ist, können wir mit 99%iger Sicherheit davon ausgehen, dass der Täter sie noch bei sich trägt. Ich schlage also eine Leibesvisitation vor.“ „Ja“, stimmte Inspektor Tanaka ihr zu. „Das wird jetzt wohl das Sinnvollste sein.“ Nach der Leibesvisitation fragte Kaori den Inspektor: „Und? Hatte Herr Saturo etwas dabei, was sich in diesem Fall als Waffe eignen könnte? Ich bin pjedenfalls nicht fündig geworden.“ Inspektor Tanaka schüttelte enttäuscht den Kopf. ‚Das gibt’s doch nicht!’, dachte Kaori. ‚Wieso taucht die Mordwaffe nicht auf?’ Die nächste halbe Stunde verbrachte Kaori damit, das Rätsel um die verschlossene Tür zu lösen. Das Schlafzimmer von Herrn Takayama war quadratisch und sehr einfach eingerichtet. Wenn man von der Tür aus hineinschaute, standen rechts an der Wand zwei Kleiderschränke, links ein großes Doppelbett –obwohl Herr Takayama längst keine Frau mehr hatte- und neben dem Bett befand sich ein kleines Nachtschränkchen, hinter dem der Schlüssel lag. Die einzige Öffnung zu dem Raum zum Zeitpunkt des Mordes war ein kleiner Spalt unter der Tür. Als Kaori den Trick durchschaut hatte, rief sie Jonouchi, Inspektor Tanaka und die Tatverdächtigen zu sich. „Was gibt’s denn?“, fragte der Inspektor. „Ich werde Ihnen jetzt vorführen, wie der Trick mit dem verriegelten Raum funktioniert“, antwortete Kaori. „Was?!“ „Da bin ich ja mal gespannt!“, sagte Herr Saturo. Alle anderen stimmten ihm zu. „Sie werden sich wundern!“, versicherte Jonouchi. „Kaori ist begabt!“ „Als Erstes benötige ich einen ca. 20 Meter langen Faden...“, begann Kaori. „Er muss nicht ganz so lang sein, Hauptsache, er reicht vom Eingang aus viermal zum Schlüssel und zurück. Es könnte zum Beispiel ein Faden sein, den man zum Nähen verwendet. Dann noch einen beliebigen anderen Schlüssel und Tesafilm.“ Nachdem einer der Polizisten alles besorgt hatte, wurde es spannend. Während Kaori den Trick vorführte, erklärte sie: „Wie wir wissen, ist dieses Zimmer so eingerichtet, dass das Nachtschränkchen, hinter dem der Schlüssel zu diesem Raum lag, der Tür genau gegenübersteht. Jeder Schlüssel hat ein kleines Loch, damit man ihn zum Beispiel an einem Schlüsselband befestigen kann. Jetzt nehmen wir die beiden Enden des Fadens in die eine Hand und das Ende, an dem sich jetzt eine Art Schlaufe befindet, in die andere. Als Nächstes ziehen wir das Ende mit der Schlaufe durch das Loch im Schlüssel, aber nur ein Stückchen. Dann nehmen wir ein Stück Tesafilm, damit wir keinen Knoten in den Faden machen müssen, und kleben es über dem Schlüssel um die Schlaufe und den Faden, damit der Schlüssel nicht abgeht. Jetzt nehmen wir ein Ende des Fadens und ziehen es durch den Griff der Schreibtischlampe, die über dem Nachtschränkchen befestigt ist, bis der Faden ungefähr in der Mitte ist. Als Nächstes verlassen wir mit den beiden Enden des Fadens –einschließlich dem Schlüssel- den Raum. Wir konstruieren das Ganze so, dass beide Enden unter dem Türspalt hindurchkommen. Jetzt nehmen wir den Schlüssel und schließen den Raum ab. Dann legen wir den Schlüssel auf den Boden und ziehen am anderen Ende des Fadens. Wie Sie sehen können, wandert der Schlüssel ins Zimmer.“ „Nicht zu fassen!“, staunte Inspektor Tanaka. Kaori fuhr fort: „Wenn wir merken, dass der Schlüssel an der Lampe hängen bleibt, lassen wir eines der Enden, die im Moment ein einzelnes bilden, los und ziehen an dem anderen. Das Stückchen Tesafilm geht ab und der Faden rutscht aus dem Loch des Schlüssels. Dieser wiederum fällt in Folge dessen hinter das Nachtschränkchen. So ist die Illusion des verriegelten Zimmers perfekt.“ Allgemeines Schweigen lag im Raum. Die Anwesenden konnten nicht glauben, dass Kaori das alles selbst herausgefunden haben sollte. Aber dann sagte Frau Tachigawa: „Ist ja alles schön und gut. Aber nehmen wir doch mal an, der Schlüssel wäre mitten im Raum auf einmal abgegangen und liegen geblieben. Wäre der Trick dann überhaupt noch effektiv gewesen?“ „Das Gegenteil ist in diesem Fall eher unwahrscheinlich“, erklärte Kaori. „Denn selbst wenn der Schlüssel noch vor dem Nachtschränkchen abgegangen wäre, hätte er dennoch weit genug weg von der Tür gelegen, dass der Trick funktioniert.“ „Aha.“ „So, und wer ist jetzt deiner Meinung nach der Mörder?“, fragte Herr Saturo, der langsam die Geduld verlor. „Tut mir Leid, aber das muss ich noch herausfinden“, antwortete Kaori. „Aber bevor ich das kann, muss erst einmal die Mordwaffe gefunden werden. Und diese Suche war ja bis jetzt nicht sehr erfolgreich.“ Hosted by Animexx e.V. 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