You will never be mine von Kyo-chi ================================================================================ Prolog: Your memories are also my pain -------------------------------------- Es war Heiligabend und Die saß gelangweilt in seiner kleinen Wohnung, starrte unentwegt auf den Weihnachtsbaum vor sich. Es war ziemlich ungewohnt so ein grünes, nadelndes Ding im Zimmer stehen zu haben, das zu allem Überfluss auch noch viel größer war als er selbst. Bis jetzt hatte er noch nie viel von Heiligabend oder allgemein Weihnachten gehalten und es als ein blödes, christliches Fest abgestempelt, das niemand auf der Welt brauchte - außer besagte Christen. Doch dieses Jahr hatte er sich einen dieser nadelnden Bäume zugelegt. Der Grund jedoch war mehr als witzig, beinahe lächerlich. Er hatte sich dieses grüne und ziemlich merkwüridg riechende Ding gekauft, weil er nicht so allein sein wollte. Denn einen Tag nach seinem Geburtstag hatten ihm seine Freunde mitgeteilt, dass sie bis Anfang Januar nicht in der Stadt waren. Kaoru fuhr zu seiner Freundin, verbrachte dort romantische Abende zu zweit und Shinya und Toshiya verbrachten einen Liebesurlaub im sonnigen und warmen Ägypten, aus welchem sie braungebrannt wiederkehren würden. Die zwei Jüngsten waren seit knapp zwei Monaten ein Paar, zeigten dies auch mehr als deutlich. Viel zu deutlich für Die's Geschmack. Jedoch ignorierten sie - Kyo, Kaoru und er - dies gekonnt. Nur was Kyo tat, wusste der Rotschopf nicht. Er hatte den Sänger das letzte Mal vor vier Tagen - also an seinem Geburtstag - gesehen. Seitdem meldete Kyo sich nicht mehr und Die selbst hielt es nicht für angebracht bei dem Kleineren anzurufen oder gar anderweitig auf sich aufmerksam zu machen. Denn in letzter Zeit - eigentlich schon vor einigen Monaten - hatten sich seine Gefühle für Kyo mehr und mehr verändert. Von einer reinen, wenn auch recht engen Freundschaft über Verlangen, wurden sie letztendlich zu Liebe. Zu einer verzweifelten Liebe. Kyo würde niemals Die's Gefühle erwidern. Dafür kannte er den Blondschopf zu gut. Er zeigte nie, was er empfand, nur selten, was er dachte. Man konnte ihn schon als gefühlskalt bezeichnen. Die wusste zwar, dass dies an der Vergangenheit des Sängers lag, aber es ließ ihn nur noch mehr verzweifeln. Denn selbst wenn Kyo dieselben Gefühle wie Die hatte, würde er sie dem Gitarristen nie offenbaren, sie stattdessen in sich verschließen. Kyo wurde schon viel zu sehr verletzt. Als Kind hatten seine Eltern ihn einfach in ein Heim gesteckt, ohne erkennbaren Grund. Er hatte nie richtige Liebe erfahren und wusste nun auch nicht, wie man mit Gefühlen umgehen sollte, wie man liebte. Zudem wurde er vor fast zwei Jahren missbraucht. Von irgendeinem Fremden, der Kyo - aus welchen Gründen auch immer - für einen Stricher gehalten hatte. Selbst Kyo's Geschrei und Gekratze hatten den Mann nicht gehindert, ihn mitten auf der Straße zu vergewaltigen, ihm alles zu nehmen. Die hatte ihn in dieser Nacht - einer Nacht Anfang Februar - gefunden. Er hatte diesen widerlichen Mann von dem schon ohnmächtigen Blondschopf heruntergezogen und Kyo, nachdem er alles mit der Polizei geklärt hatte, mit zu sich genommen. Die nächsten Wochen war Kyo mehr als labil gewesen. Er saß nur in der Wohnung des Älteren, starrte stumm vor sich hin und wiegte sich häufig einfach nur vor und zurück. Zudem aß er kaum etwas und kein Wort verließ seine Lippen. Häufig saß er einfach in Die's Badezimmer, verletzte sich selbst, um zu spüren, dass er noch immer lebte, noch immer existierte. Das Schlimmste jedoch waren seine Ohnmachtsanfälle. Mehrmals am Tag brach er einfach zusammen, bekam Fieber und wälzte sich von Albträumen geschüttelt im Bett umher, konnte nicht mehr klar denken. Die konnte nur zusehen, hatte ab und zu versucht dem Kleineren zu helfen, was sich aber oft nur noch negativer auswirkte. Kyo hatte meistens geschrien, um sich geschlagen und Die des Öfteren verletzt - wenn auch unabsichtlich. Erst nach über einem Monat hatte Kyo einige Fortschritte gezeigt. Er sprach wieder, wenn auch nur sehr wenig. Seine Ohnmachtsanfälle wurden weniger und er aß auch wieder regelmäßiger, so dass er langsam an Gewicht zunahm. Nur seine Selbstverletzungen blieben. Und auch jetzt verletzte er sich noch manchmal selbst. Zwar war es etwas zurückgegangen, weniger geworden, da er nun mit in der von Kaoru gegründeten Band sang, dort seine Empfindungen in Texten und Gesang ausdrücken konnte, dennoch sah Die immer wieder kleine Schnitte an Kyo's Handgelenken und an seinen Unterarmen. Und das, obwohl die Vergewaltigung fast zwei Jahre zurücklag und Die dachte, dass er sie nun einigermaßen verarbeitet hatte. Doch dem war nicht so. Aber Kyo kam auch nicht zu ihm, obwohl er wusste, dass der Rotschopf immer für ihn da war, ihm half, wenn er Probleme hatte, Hilfe ersuchte. Das hatte Daisuke ihm versichert, nachdem er den Blondschopf gefunden hatte. Die seufzte auf, erhob sich von seiner schwarzen Couch und ging zu seinem großen Fenster, welches eigentlich überhaupt nicht in die kleine Wohnung des Gitarristen passte. Doch Die liebte es. Als er Kyo nach der Vergewaltigung ein halbes Jahr bei sich gehabt hatte, stand der Sänger immer vor diesem Fenster, hatte im Dunkeln die Stadt betrachtet. Die Lichter der Wohnhäuser und die Autos, die von hier - dem 3. Stock - kleiner als normal wirkten, hatten ihn scheinbar so sehr fasziniert, dass er seinen Blick nicht abwenden konnte. In Gedanken versunken, strich Die mit einer Hand über das kalte, beschlagene Glas, betrachtete die Schneeflocken, die heute zum ersten Mal in diesem Jahr vom Himmel fielen - wenn es auch nur wenige waren. Das Bild, das sich ihm bot, erinnerte ihn an die Nacht, in der er Kyo gefunden hatte, denn auch in dieser waren Schneeflocken vom Himmel gefallen. Wie Kyo damals reglos unter dem ekligen Mann gelegen hatte, würde Daisuke wohl nie vergessen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und tränenverschmiert. Er hatte leise gewimmert und manchmal schmerzhaft aufgestöhnt, keine Kraft mehr gehabt sich zu wehren. Um seinem kleinen, zitternden Körper herum lag überall reinweißer Schnee, welcher jedoch an einigen Stellen von Blut rot gefärbt war. Die schüttelte abrupt den Kopf, wollte diese schrecklichen Erinnerungen aus seinem Gedächtnis verbannen. Er wollte nicht mehr daran denken. Er wollte nicht daran denken, wie es Kyo zu diesem Zeitpunkt ging. Er drehte sich von dem Fenster weg, blickte erneut auf den grünen Nadelbaum, der freudig vor sich hinstrahlte. Er hatte versucht ihn ein wenig zu schmücken, jedoch war er in solchen Dingen ziemlich unbegabt und so sah der Baum auch aus. Eine silberne Spitze in Form eines Sternes, einige kunterbunte, wild zusammengewürfelte Kugeln und dunkelblaues Lametta, welches er kreuz und quer verteilt hatte. Auch die Lichterkette hing krumm und schief am Baum. Zwar wirkte es recht ungewöhnlich, aber Die gefiel es. Warum sollte sein Baum normal aussehen, wenn er selbst nicht zu den normalen Leuten zählte? Gerade als er sich wieder hinsetzten wollte, um ein bisschen fern zu sehen, um seine trübsinnigen Gedanken zu vergessen, klingelte sein Telefon. Im ersten Moment war er ziemlich verwundert, da nur selten jemand darauf anrief - die meisten riefen auf dem Handy an -, aber er nahm es trotzdem von seinem kleinen Tisch vor der Couch, hob ab. „Ja?“, fragte er standardmäßig, fast monoton. Was sollte er auch anderes sagen? ‚Hallo, hier ist Daisuke Andou’? Nein, denn nur Freunde, Bekannte und Verwandte kannten seine Nummer und diese wussten auch, dass sie hier nur den großen Gitarristen erreichten und niemand anderen. „Die...?“, Die Stimme am anderen Ende der Leitung war leise und zaghaft. Es schien fast so, als würde die Person mit den Tränen kämpfen, vielleicht sogar schon weinen. „Kyo?“, fragte er überrascht und hielt für einen Augenblick die Luft an. Warum rief der Kleinere denn bei ihm an? Und warum klang er so merkwürdig, so verzweifelt, so verletzt? „Kann... kann ich zu dir kommen?“ Die Stimme des Sängers klang noch leiser und dünner als zuvor und Die hatte Schwierigkeiten alles zu verstehen. Doch irgendwie schaffte er es und die Sorge in ihm wuchs nur weiter an. „Ja, komm vorbei“, antwortete er besorgt. Was war nur mit Kyo los? So klang der Blondschopf wirklich nur selten. Eher gesagt, hatte er ihn seit den Wochen nach der Vergewaltigung nicht mehr so erlebt. „Danke“, war das Letzte, was er noch von Kyo vernahm, dann hallte ein nerviges Tuten in seinem Kopf wider. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)