Sportfreak 1/2 von Imi ================================================================================ Kapitel 10: Blickkontakte ------------------------- Langsam, so sanft wie der Wind, löste Haruka den Kuss. Zu ihrer eigenen Verwunderung hatte Michiru die zärtliche Geste zugelassen. Doch nun, da sie der jungen Musikerin Blick suchte, ahnte sie bereits, dass auch diese Begegnung kein gutes Ende nähme. Als sie den ruhelosen Blick Michirus auf sich zog, lächelte Haruka sanftmütig. Sie wusste selbst nicht, was sie hier tat. Sie besaß auch keinerlei Wissen über das Warum der zärtlichen Geste. Es gab nur diesen einen, einzigen Gedanken, der unruhig wie ein Schwarm aufgebrachter Insekten in ihrem Kopf und zugleich in ihrem Herzen umher irrte und das schon seit so vielen Wochen: Michiru! Sie war da und obgleich sie die junge Frau, welche das wohlklingenste Lachen der Welt besaß, erst vor ungefähr einer Stunde unheilvolle Qualen leidend getroffen hatte, so war ihr diesmal bewusst, was sie zu tun hatte. Und so hielt Haruka den Blickkontakt zu jenen meeresgrünen Augen, die sie undefinierbar ansahen, während die junge Sportlerin indes versuchte mit Blicken zu sagen, was ihr Mund nicht in Worte zu fassen vermochte, bis Michiru den Blick abwand. Die junge Künstlerin, zwischen der Wand und Haruka stehend, schloss die Augen. Haruka schrak zurück. Die leise Stimme ihrer Vernunft flüsterte ihr klare Worte zu, sodass die blonde Frau einen Schritt zurück trat. Kälte, gemeine, eisige Kälte kroch ähnlich wie eine Schlange in ihre Knochen. Dieser frostige Hauch rührte jedoch nicht daher, dass Haruka barfuß auf den kühlen Steinfliesen stand. Nein, diese Kälte kam von Michiru, welche in eben jenem Moment die Augen wieder aufschlug. Die Sportlerin begriff blitzschnell, dass Michiru eine Entscheidung getroffen hatte. Eine Entscheidung, die Haruka schon jetzt missfiel. Würde die Musikerin sie abermals ohne eine Erklärung ihrerseits anzuhören vor den Kopf stoßen? Jetzt da, sich Haruka selbst überwunden hatte und dieser völlig fremden Frau Eintritt in ihr Herz gewährt hatte? Flehend, mit Blicken sagend, was sie empfand, sah sie Michiru in die wunderschönen aber den Seelentod mit sich führenden blau-grünen Augen. „Es tut mir leid.“, flüsterte die Künstlerin. Die leisen Worte aber hallten in Harukas Ohren, als wären sie geschrien worden. Noch einmal, ein aller letztes mal suchte Haruka den Blickkontakt. Sagte ihr so, was sie mit Worten nicht konnte. Flehte mit traurigen Augen, was ihr graziler und ansonst von Stolz erfüllter Körper nicht zu zeigen in der Lage war: „Ich glaube, ich liebe dich.“, sagte ihr Blick. „Ich weiß.“, antwortete der andere. „Dann verlass mich bitte nicht.“, forderte er. „Es geht nicht anders.“, erwiderte der zweite. „Du bist mir fremd, aber ich überlasse dir dennoch mein Herz.“ „Du aber bist mir fremd geworden, so kann ich dir meines nicht mehr geben. Du hast mich vergessen.“ Der tiefgründige, aus dem Nichts erscheinende Schmerz in Michirus Augen traf die junge Sportlerin. Was nur stand zwischen ihnen, dass sie obgleich sie einander mochten, nicht miteinander konnten? Plötzlich, so als sei es göttliche Fügung, erlosch das Licht im Flur und beendete jene süße und qualvolle Ewigkeit jäh. Mit der überraschend eingetretenen Dunkelheit kehrten die bizarren Lichtspiele, welche durch die Scheinwerfer der unten auf der Straße fahrenden Autos verursacht wurde, zurück. Auch belästigte nun, warum auch immer, der leise ständig vorhandene Lärm, welcher der Verkehr produzierte, die beiden im Flur stehenden Personen. Es dauerte einen langen Augenblick bis Haruka, geblendet vom Dunkel, etwas erkennen konnte. Es war aber auch jener zeitlose Moment, den Michiru nutzte, um leisen Schrittes das Weite zu suchen. Die Geräusche, welche sie dabei verursachte, so leise sie auch gewesen sein mochten, fanden dennoch den Weg an der Sportlerin Ohren. Als jene Signale durch ihr mehr oder weniger zuverlässig arbeitendes Gehirn die Strecke zu ihrem Herzen bewältigt hatten, blieb jenes stehen. Natürlich, das wusste Haruka selbst, war dem ganz und gar nicht so. Leider?! Wie könnte man auch sonst noch darüber grübeln? Vor allem aber, wäre jener alt bekannte Schmerz, der ihre Seele ehrfürchtig erzittern ließ, gar nicht vorhanden. Aber er war da. Ebenso wie die Zuneigung zu einem anderen Menschen plötzlich wieder aus dem Nichts ihres Seins aufgetaucht war. Haruka fröstelte. Schlimmer noch! Ein leiser Schluchzer verließ ihre blau angehauchten Lippen. Salzgetränkte, schwere Tränen folgten dem ungewohnten Ton. Langsam, ganz langsam gar, dass der BEwegugnsmelder des Hausflures nicht einmal reagierte, sank die junge Frau bitterlich weinend in sich zusammen. Leere. So bleiern und schwer bemächtigte sie sich ihrer wieder. Wann hatte sie eigentlich zuletzt geweint? Der schwach aufkommende Gedanke vertrieb kurzeitig das trübsinnige Gefühl der Einsamkeit, welches unaufhörlich in ihrer Brust brannte. Ich weiß es nicht mehr., antwortete sie sich selbst laut aufschluchzend. Sie wusste gar nichts mehr! Sie wollte auch gar nichts mehr wissen. Sie wollte den Geschmack von Michirus himmlisch weichen Lippen vergessen. Wollte vergessen, wie angenehm so ein Kuss kribbelte. Wollte Michiru vergessen und wollte es doch nicht! Vor allem aber, und das wollte sie wirklich, wollte sie wieder ihr Herz vergessen! Wann immer dieses dumme auf einmal mit Liebe befüllte Ding zu schlagen begann, bescherte es nur Ärger! Welchen Ärger sie zuletzt damit gehabt hatte, wusste sie zwar nicht mehr, aber sie kannte die damit verbundenen Schmerzen. Es musste Schluss damit sein! Licht, unheimlich grelles Licht, blendete Haruka, sodass sie die geröteten Augen zusammenkneifen musste. „Oh.“, hörte sie jemanden, offenbar männlicher Natur, sagen. Haruka blickte auf. Doch ihre von den salzigen Zeugnissen ihrer Trauer verhangenen Augen erkannten nur schemenhafte, grobe Umrisse der ihr gegenüberstehenden Person. „Haruka?“, fragte er vorsichtig. „Wer will das wissen?“, entgegnete sie unfreundlich. „Na ich bins.“ Die Sportlerin antwortete ihm nicht. „Herrje.“, fügte er hinzu „Sakuya.“ „Ich kenne niemanden, der so heißt.“, sagte sie. Der Name aber klang so seltsam vertraut. So furchtbar altbekannt. Langsam, erhob sie sich vom Boden, da mittlerweile nicht nur ihre Lippe blau angelaufen war, sondern ihre ganzer Körper sich über die Kälte mit Zittern beschwerte. Allmählich lichtete sich der Tränenschleier. Haruka betrachtete ihren Gegenüber ausgiebig. Vor ihr stand ein großer schwarzhaariger Mann, dessen Gesicht recht freundlich wirkte und aus welchem zwei markante grün-braune Augen sie anstrahlten. „Dann stimmt es also, was ich gehört habe. Egal, deshalb bin ich ja hier.“ Irgendetwas, das sagte ihr ein Gefühl tief aus einem völlig verdunkelten Winkel ihres Gedächtnisses, stimmte hier nicht. Sie erinnerte sich. Doch woran? Bilder. So viele undeutliche Bilder strömten plötzlich auf sie ein. Hin und wieder war auch ein gut erkennbares dabei. Was war nur los? „Übrigens!“ Die Flut der Bilder ebbte ab und Haruka, die den Mann namens Sakuya gerade geistesabwesend angesehen hatte, blickte ihn nun wieder aufmerksamer an. Verlegen führte er eine Hand zu seinem Hinterkopf und grinste dann über das ganze Gesicht. „In dem Outfit siehst Du rattenscharf aus!“ Haruka entglitt das Gesicht. Was hatte dieser Typ da gerade gesagt? Ein Muskel, genauer gesagt der Sportlerin Augenbraue, zuckte nervös bevor sie die kalte beinah gefühllose Hand zur Faust ballte. Sie holte aus, aber irgendetwas hinderte sie daran den Schlag auszuführen. Schwindel bemächtigte sich ihrer und ließ den letzten klaren Gedanken sowie die übriggebliebene Schwermut drehend verschwinden bis abermals tröstende Dunkelheit ihr Sein umfing. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)