Ein besonders Weihnachtsgeschenk von Turbofreak ================================================================================ Kapitel 2: Sabers größtes Geschenk ---------------------------------- Der restliche Vormittag und auch das Mittagessen gingen recht unspektakulär rum. Alle waren beim Mittagstisch versammelt und speisten zusammen mit König Jarred, Prinz Roland und Charlotte. Es war eine heitere Runde, auch wenn nicht alle immer einer Meinung waren. Colt gab hin und wieder eine seiner Geschichten zum Besten, wie sie Jesse Blue zum ersten mal ins Boxhorn gejagt hatten zum Beispiel, oder auch wie er den Leguan angeschleppt hatte. Saber fand, dass Colts Geschichten zwar nicht immer tischtauglich waren, aber immerhin brachte er damit alle zum Lachen. Sogar Robin, die sonst eher Sabers Auffassung vertrat, schmunzelte und gab sich kleineren Kicheranfällen hin. Nach dem Dessert löste sich die illustre Runde für ein Stündchen auf, ehe sie sich zu Kaffee und Kuchen wieder trafen. Den Kaffee nahmen sie aber dann nicht im Speisesaal, sondern im angrenzenden Wohnraum ein. Dort war es gemütlicher als im Speisesaal. So saßen also die Gastgeber der königlichen Familie zusammen mit den Star Sheriffs, Mandarin und Robin in dem großen, freundlichen Raum. Die Frauen, derer sie ja nicht so viele waren, hatten es sich auf der riesigen Couch mit einer Tasse Tee bequem gemacht. Vor ihnen stand ein kleiner Tisch, mit vier Portionen Kuchen, ziemlich vielen Kerzen und allerhand Weihnachtsdekoration. Prinz Roland und Colt standen neben dem Christbaum und versuchten sich selbst als den besten Schützen zu titulieren, wie jedes Mal, wenn sie sich trafen. Saber hatte sich auf dem großen Lesesessel niedergelassen, mit einem dicken Buch in Händen. Hin und wieder sah er von seinem Buch auf und prüfte die Lage, es konnte ja sein, dass er Colt oder auch Fireball zügeln musste. Mit Fireball allerdings hätte er nicht viel zu tun gehabt, denn der Japaner saß alleine in einer Nische eines der großen Fenster und beobachtete, wie es zu schneien begann. Gedankenverloren hielt er seine Tasse in Händen und wenn Saber so hinüberlinste, erkannte er eindeutig, dass Fireball nicht vor hatte, sich an einem Gespräch mit den anderen zu beteiligen. „Hast du kurz Zeit für mich, Fireball?,“ König Jarred stand plötzlich vor Fireballs Nische. Er hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und wartete geduldig auf eine Antwort des jungen Star Sheriffs. Dieser blinzelte verwundert in Jarreds freundliches Gesicht, als er die Stimme vernahm. Kurz darauf nickte er aber schon mit einem Lächeln und stand auf: „Natürlich, König.“ König Jarred brachte Fireball in ein kleines Nebenzimmer des Palastes, das ganz offensichtlich das Privatreich des Königs war. Fireball hatte beim Eintreten den Eindruck, es sei die Bibliothek des Palastes, allerdings war es König Jarreds privates Arbeitszimmer, in das er sich immer zurückzog, wenn es Probleme gab. Der König bot dem Sohn seines Freundes einen Platz in der Leseecke an und setzte sich dann ebenfalls. Er ließ sich auf dem Stuhl gegenüber nieder und prüfte Fireball aufmerksam. So vergingen einige Minuten, in denen sich die beiden anschwiegen. Fireball wusste nicht, was er mit dem König reden sollte, so gut kannten sie sich dann auch wieder nicht, dass sie unter vier Augen was besprechen sollten. König Jarred brach schließlich das Schweigen. Er lächelte Fireball warmherzig an und faltete die Hände: „Du bist wie dein Vater.“ „Wie bitte?,“ Fireball standen die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Er fragte sich, was hier los war, er hatte doch nichts angestellt, oder war dem König die Whiskyflasche etwa aufgefallen? Dass Jarred einen so freundschaftlichen Ton anschlug, behagte Fireball gar nicht. Jarreds Lächeln wurde indes immer größer, er hatte es tatsächlich schon mit dem ersten Satz geschafft, Fireball aus dem Konzept zu bringen. Jarred ließ seine Hände auf die Schenkel sinken und fuhr fort: „Du hast mich schon richtig verstanden. Shinji ist auch immer so rumgelaufen, wenn ihn was bedrückt hat. Und jeder, der ihm zu nahe gekommen ist, ist angeschnauzt worden. Vor allem, wenn dieser Jemand Shinji viel bedeutet hat. Deine Mutter war ein begehrtes Opfer. ...Also, was bedrückt dich?“ Fireball war gar nicht aufgefallen, dass er anscheinend seit seiner Ankunft mit einer derart schlechtgelaunten Miene hier rumgelaufen war, dass es sogar König Jarred sehen konnte. Irgendwie war es ihm unangenehm, dass Jarred ihm ansah, dass es ihm nicht gut ging. Er kannte den Mann, der sehr gut mit seinem Vater befreundet gewesen war, nicht gut genug, um beurteilen zu können, inwieweit er offen sprechen konnte. Deshalb entschied sich der Hitzkopf für das Benehmen, das einem König gegenüber angemessen war. Er hielt es für besser, den Mund nicht zu voll zu nehmen: „Nichts.“ Jarred stieß verblüfft einen kleinen Laut aus, ehe er schmunzelte: „Und ich bin der Osterhase. Fireball, bitte sei mir jetzt nicht böse, aber ich sehe, dass was ist. ...April macht sich auch Sorgen.“ Als die Sprache auf April fiel, wurde Fireball hellhörig. Was war jetzt wieder kaputt? Er war gestern ein bisschen gemein zu ihr gewesen, aber sie war auch kein Unschuldslamm. Grummelnd zog es Fireball vor, einen Scherz zu machen. Ein bisschen sauer meinte er: „Die macht sich maximal Sorgen darüber, weshalb mein Charme hier nicht zieht, König.“ Der König stand auf und suchte nach einer Flasche guten Scotch, die er für gewöhnlich hier im Arbeitszimmer hatte. Er drehte Shinjis Sohn den Rücken zu und murmelte: „Welcher Charme? ...Davon ist momentan nicht mal ansatzweise welcher da, weißt du das?“ Schon fast verzweifelt antwortete Fireball diesmal seinem Gastgeber: „Ich weiß es, Sie wissen es, König. ...Mir fehlt nichts, ich bin nur ein wenig ausgelaugt.“ Endlich hatte Jarred den Scotch gefunden. Er schenkte sich und Fireball ein Glas ein und verräumte die Flasche wieder. Er setzte sich und drückte Fireball das andere Glas in die Hand: „Ich bin zwar gutgläubig, aber alles glaube ich auch nicht, Fireball. ...Ich hab das Gefühl, dass dich was bedrückt. Seit ihr Weihnachten mit uns im Palast feiert, weiß ich, dass bei dir zu dieser Zeit keine Festtagslaune aufkommt. Aber heuer ist es extrem. Ist bei euch im Team etwas vorgefallen, oder ist was mit deiner Mutter?“ Es versetzte Fireball einen Stich ins Herz, als König Jarred plötzlich von seiner Mutter sprach. Seine Mutter hatte sich vor Jahren schon das Leben genommen, am Weihnachtstag. Diese Nachricht war offenbar nie bis zum Königreich Jarr durchgedrungen, sonst würde Jarred jetzt nicht so komisch fragen. Fireball sah sich mittlerweile an einem Punkt, an dem ihm die ganze Geschichte unheimlich wurde. Er verstand nicht, weshalb König Jarred sich um ihn kümmerte, es hatte nie jemanden geschert, was mit ihm war. Fireball roch am Scotch und verzog das Gesicht: „Auch nicht besser, als Sabers Whisky.“ Jarred verzog nun ebenfalls das Gesicht. Aber auf seinem Gesicht bildete sich im Gegensatz zu Fireballs ein fragender Ausdruck. Insgeheim fragte sich der König, ob Fireball ihm jetzt auswich. Er kannte solch ein Verhalten nicht, sein Sohn gestand immer sofort, wenn was war. Doch Fireball hatte anscheinend eine andere Taktik. Der König versuchte, ihn aus der Reserve zu locken: „Er schmeckt aber wesentlich besser, als Whisky. ...Weshalb hast du an Weihnachten eigentlich keinen Spaß? Ich meine, es ist doch die schönste Zeit des Jahres. Alle treffen sich, es gibt Geschenke, endlich schneit es wieder und du bist von Menschen umgeben, die dich lieben...“ „Ich mag Weihnachten einfach nur nicht, König,“ Fireball versuchte dem König so gut es ging auszuweichen, doch er konnte ahnen, dass der alte Mann, der ihm gegenüber saß, nicht so schnell locker ließ. Und so war es auch. Jarred füllte sein Glas noch einmal nach, und fragte Fireball im väterlichen Tonfall: „Aber das muss doch einen Grund haben, Fireball. Ist dir an Weihnachten mal was Schlechtes widerfahren?“ Der Japaner schloss die Augen. Ob ihm an Weihnachten was Schlechtes widerfahren war? Nein, natürlich nicht! Er konnte nur den Weihnachtsmann nicht leiden! Was für eine blöde Frage, sicher war ihm was widerfahren, weshalb sollte er an Weihnachten sonst so eine Miene aufsetzen? In Fireball stieg wieder der Frust hoch, den der Whisky am Vorabend glorreich überdeckt hatte. Der junge Mann ließ sich in den Sessel sinken und seufzte. Er hatte keine Lust, mit König Jarred darüber zu reden. Warum konnten sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Energisch stellte er das halbvolle Glas auf den kleinen schwarzen Tisch, auf dem sich allerhand Bücher stapelten und wollte aufstehen, doch Jarred hielt ihn an der Hand fest. Jarred stand nun vor Fireball, eine Hand ruhte auf Fireballs. Er sah ihm mit festem Blick ins Gesicht: „Also doch! Hat es mit deinem Vater zu tun, Fireball?“ Ziemlich ungestüm riss sich Fireball von König Jarreds Halt los. Seine Augen wanderten im Raum umher, als er mit den Händen verzweifelt in seine Haare fuhr: „Das auch! ...Ja, ich weiß, Weihnachten ist das Fest der Liebe, aber mir ist an Weihnachten eher zum Heulen zumute! Ich wünschte, Neujahr wär endlich rum!“ Der König verharrte kurze Zeit in dieser Position. Er versuchte herauszufinden, was in Fireball vor ging. Doch er musste sich eingestehen, dass der Sohn von Shinji bei Weitem nicht so leicht zu durchschauen war, wie Roland. Jarred ließ nach dieser Erkenntnis seinen Blick von Fireball ab und gab ihm den Weg frei: „Ich sehe, dass du nicht darüber reden willst, Fireball. Dann werde ich dich auch nicht dazu zwingen, aber bitte verdirb den anderen nicht das Fest. Sie haben sich so auf ein paar ruhige Tage gefreut, besonders April.“ Plötzlich wurde Fireball klar, wie recht sein Gegenüber hatte. Sie alle hatten sich nach der Schlacht auf ein paar ruhige Tage gefreut, aber seit sie hier waren, war von Harmonie und Ruhe keine Spur. Fireball biss sich auf die Lippen und blickte kurz zum König auf. War es klug, dem Oberhaupt des Königreichs einfach die kalte Schulter zu zeigen, dem ehemals besten Freund seines Vaters? Fireball nahm sich sein Glas noch einmal vor und leerte es kurzerhand. Er ließ sich wieder in den Sessel fallen und begann zerknirscht: „Vater ist an Weihnachten verschwunden, als ich zwei oder so war. Bis heute weiß niemand, ob er noch lebt oder ob er in der Phantomzone ist.“ Erleichtert setzte sich auch Jarred wieder auf seinen Platz. So brachte man also sture Böcke zum Sprechen. An Fireballs Ton erkannte Jarred, dass es dem Jungen vor ihm immer noch Kopfzerbrechen bereitete, nicht zu wissen, was mit seinem Vater war. Jarred erwiderte ebenso leise und väterlich, wie er kurz zuvor mit Fireball das Gespräch begonnen hatte: „Ich weiß, Fireball. Dein Vater hat mein Königreich vor dem Untergang bewahrt. Aber es besteht noch Hoffnung für ihn.“ Fireball schüttelte matt den Kopf: „Er ist seit über fünfzehn Jahren verschwunden. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn er noch leben würde,“ unsicher verschränkte Fireball nun die Hände vor der Brust. Es war ein komisches Gefühl, hier mit dem König zu sitzen und über private Dinge zu sprechen. Es hatte was bizarres, wie er fand. Fireballs Blick wanderte vom Bücherregal auf den Boden, als er Jarred erzählte: „Das alles ist ja auch nicht so schlimm. Ich hab keinerlei Erinnerung an meinen Vater, ich war zu klein, als er in die Schlacht gezogen ist. Aber Mutter hat schrecklich darunter gelitten, all die Jahre. Irgendwann ist ihr alles zu viel geworden. Ich hab...,“ Fireball stockte der Atem, er hatte noch nie jemanden erzählt, was ihm mit zehn an Heilig Abend passiert war: „...sie unter dem Christbaum gefunden, tot.“ „Deine Mutter...,“ Jarred wurde mit einem Mal kreidebleich. Weshalb wusste er davon nichts?! Nun war ihm schlagartig klar, weshalb Fireball das Fest der Liebe nicht feiern konnte! Mitfühlend legte er dem jüngsten Mitglied der Star Sheriffs eine Hand auf die Schulter: „Es tut mir leid, Fireball. Wann ist es passiert?“ Der Japaner blickte König Jarred traurig an: „Ich war zehn und es war Heilig Abend. Sie hat sich das Leben genommen, mit Tabletten und Alkohol. ...König, es fällt mir einfach schwer an Weihnachten so zu tun, als sei alles in Ordnung. Sobald ich Weihnachtslieder höre oder einen Christbaum sehe, habe ich automatisch die Bilder von damals in meinem Kopf. Und heuer ist es ganz besonders schlimm für mich.“ Jarred rückte ein Stück im Sessel nach vor und musterte Fireball. Er hätte nie gedacht, dass er seinem Vater derart nachgerät. Wenn er ihn so betrachtete, war Fireball eine Eins A Kopie von Shinji. Der König beugte sich zu Fireball und sprach sehr vertraulich mit ihm: „Weshalb ist es so schlimm?“ Fireball seufzte und schlug die Augen nieder: „Ich weiß auch nicht. Heuer fühl ich mich total schlecht. Obwohl ich alle meine Freunde um mich habe, fühl ich mich irgendwie einsam. Mit April bin ich gestern derart aneinander geraten, dass sie mich keines Blickes mehr würdigt.“ Abgekämpft fuhr sich Fireball durch die Haare. Die Aktion am Vorabend mit April bescherte ihm ein äußerst schlechtes Gewissen, das stetig zunahm, je näher der Heilige Abend rückte, denn bisher hatte er sich noch nicht bei der Blondine entschuldigt. Der König nahm einen Schluck vom Scotch und musterte Fireball: „Könnte es etwas mit April zu tun haben, Fireball? Ich meine, ich bin nicht blind und ihr beide hattet die letzten Jahre eine sehr innige Freundschaft. Aber seit eurem letzten Besuch hat sich das geändert. Ist zwischen euch beiden was vorgefallen?“ König Jarred hatte ein ungeheuer gutes Gespür für solche Sachen und sein Gespür sollte ihn auch hier nicht trügen. Der letzte Besuch der vier war schon einige Zeit her, er war vor dem vermeintlichen Kriegsende gewesen. Und es schien, als habe es danach einen Vorfall gegeben, weshalb sich das Verhältnis zwischen Commander Eagles Tochter und Fireball verändert hatte. Jarred stand in ständiger Verbindung mit Commander Eagle, seit die Outriderangriffe wieder eingesetzt hatten und sie unterhielten sich nicht nur über die Outrider. Charles hatte ihm manchmal von den Wochenendaktivitäten seiner Tochter berichtet und wie sie einige hochangesehene Männer wieder einfach so abserviert hatte. „Was soll denn schon vorgefallen sein, König Jarred? Jeder ist zwischenzeitlich seine eigenen Wege gegangen und als die Outrider wieder angegriffen haben, haben wir uns wieder auf Ramrod eingefunden. April und ich sind immer noch gute Freunde, allerdings treibt sie es mit ihren Späßen manchmal zu bunt.“ Saber war über seinem Buch, das er im Wohnraum gelesen hatte, eingenickt. Seine Gedanken, die sich sowohl um das Wohl des Teams als auch um einen ganz bestimmten Menschen drehten, hatten den Kopf schwer werden und die Augen zufallen lassen. Nun saß er zusammengesunken im Ledersessel und träumte. Für die anderen im Raum war dies kein alltägliches Bild und als es ihnen auffiel, sorgte es natürlich für Gesprächsstoff. Colt und Prinz Roland amüsierten sich darüber, während die vier Frauen sehr viel Verständnis für ihn aufbrachten. Colt grinste und deutete auf Saber: „Na, wovon der wohl träumt?“ Dem Kuhhirten war der selige Ausdruck in Sabers Gesicht nicht entgangen und er machte die anderen darauf aufmerksam. Prinz Roland betrachtete den schlafenden Anführer der Star Sheriffs kurz und wandte sich dann an alle im Raum. Er hatte die Bilder vom Vormittag noch im Kopf und er lächelte: „Ihr `abt auf Ramrod in letzter Zeit wohl nischt viel geschlafen. Euer Freund Fireball ischt auch auf der Couch eingeschlafen.“ Colt konterte lachend: „Nur die Schwachen schlafen viel, nicht wahr, April?,“ er zwinkerte April zu, denn er wusste, dass sie nach der letzten Schlacht bereits in ihrer Satteleinheit eingeschlafen war. Doch die Blondine ließ sich nicht aus der Reserve locken. Sie kokettierte mit ihrem liebsten Scharfschützen: „Deswegen verziehst du dich auch gleich nach einer Schlacht ins Bett, gell?“ Eine kleine Kabbelei entfachte zwischen April und Colt, aber sie war harmlos im Gegensatz dazu, was am Vorabend passiert war. Hier lachten nämlich noch alle und keiner war eingeschnappt oder gar sauer auf den anderen. Auch Mandarin, Robin und Prinz Roland schickten sich, und mischten sich mit Vergnügen in den kleinen Streit zwischen April und Colt ein. Schlussendlich endete die ganze Aktion in einem lauten Lachen der Beteiligten, das Saber aus seinem Nickerchen weckte. Mit kleinen Augen sah er sich um und stellte fest, dass wohl alles in bester Ordnung war. Er wandte den Blick zu der Fensternische, in der Fireball gesessen hatte und kratzte sich fragend am Kopf, als dieser dort nicht mehr saß. Er verwarf den Gedanken, Fireball könnte wieder sauer geworden sein, sofort, denn wäre das der Fall, würden sich die anderen nicht so prächtig amüsieren. Verstohlen gähnte er. In diesem Sessel war es derart bequem gewesen, dass Saber hier ganz gut geschlafen hatte. Er blickte auf die Uhr und erfasste, dass in einigen Stunden bereits die kleine private Weihnachtsfeier von König Jarred beginnen würde. Und pünktlich zum Weihnachtsabend hatte es auch zu schneien begonnen. Mittlerweile fielen dicke Flocken vom Himmel und bedeckten alles unter sich. Charlotte hatte bemerkt, wie sich im Sessel was zu regen begann und sie war aufgestanden. Sie setzte sich auf eine der dicken Armlehen des Sessels und unterhielt sich mit Saber. Die anderen fünf waren für ihren Geschmack etwas zu laut und so bevorzugte sich eine anregende Diskussion mit dem Anführer der Star Sheriffs. Nach dem Abendessen versammelten sich die Freunde um König Jarred noch einmal im Wohnraum um gemeinsam den Heiligen Abend zu feiern. Der Raum war erfüllt von Weihrauchduft und angenehmer Weihnachtsmusik. Der rote Baum schimmerte und glänzte. Der ganze Raum versprühte eine derart weihnachtliche Atmosphäre, wie man es selten erlebte. Und diesmal waren auch alle hier versammelt. König Jarred hatte es im Verlauf des Gespräches noch geschafft, Fireball davon zu überzeugen, diesen Abend doch mit den anderen zu verbringen und nicht zu viele Gedanken an seine Eltern zu verschwenden. Colt saß mit Robin auf der großen Couch und hatte sie eng an sich gezogen. Sie tranken Punsch und unterhielten sich. Allerdings konnte man sehr gut erkennen, dass Colt seiner Robin immer wieder Komplimente machte und sich sehr um seine Frau bemühte. Im Laufe der letzten Monate waren sie zusammengewachsen. Allerdings war der neuerliche Ausbruch des Krieges nicht einfach für sie gewesen. Colt und Robin hatten anfangs ein furchtbares Problem damit und sie hatten sich auch viel gestritten. Robin hatte nicht wollen, dass Colt sich wieder dieser Gefahr aussetzte, sie hatte schreckliche Angst um ihren Mann. Doch Colt war damals hart geblieben und hatte Saber damals noch im selben Atemzug erklärt, dass er auf ihn zählen könne. Die erste Zeit auf Ramrod war für Colt deswegen eine besondere Belastungsprobe gewesen. Oft war er ruhig in seiner Satteleinheit gesessen und hatte versucht, die richtigen Worte für sein Handeln zu finden, die Robin auch verstehen würde. Doch nach und nach hatte sich wieder alles zwischen den beiden eingerenkt und mittlerweile erfreute sich ihre Beziehung wieder der Liebe, die sie füreinander empfanden. Mandarin und Fireball genossen ebenfalls den Punsch und die zwei holten ihre Unterhaltung vom Vorabend nach. Sie hatten allerhand zu besprechen, denn die beiden Freunde hatten sich lange nicht gesehen. Saber stand mit April bei den Gastgebern und unterhielt sich angeregt mit ihnen. Es war ein sehr gemütlicher Abend und die Stimmung untereinander konnte nicht recht viel festlicher werden. Und das, obwohl sie wieder alle in Anzug und Abendkleid aufgetaucht waren. Saber ließ seinen Blick kurz in die Runde schweifen und stellte zufrieden fest, dass es allen gut ging. Prinz Roland war gerade dabei, Saber und König Jarred zur erklären, wie man den Krieg vielleicht abkürzen könnte, als sich die riesige Tür zum Wohnraum öffnete und ein Diener eine junge Frau hereinließ. Der Schotte hätte beinahe seine Tasse mit dem Punsch fallen lassen, so verwundert war er. Von den anderen Gästen unbemerkt war die junge Frau eingetreten. Sie trug ein fliederfarbenes, hautenges Kleid, und sah sich unsicher um. Ihre schwarzen Haare hatte sie hochgesteckt und ihre Arme wurden von zum Kleid passenden Handschuhen verhüllt. Die Frau war sichtlich nervös, offenbar hatte sie niemand bemerkt. Ihr Blick blieb sofort an einem Mann hängen. Unsicher beobachtete sie ihn und traute sich nicht, auf ihn zuzugehen. Sie war hierher eingeladen worden, man hatte ihr gesagt, dass dies eine private Weihnachtsfeier unter Freunden sein würde und so wie sie das sah, kannte sie diese Freunde ihres Gastgebers. Saber drückte April seinen Punsch in die Hände. Abwesend meldete er sich ab: „Ihr entschuldigt mich bitte.“ Es kam ihm vor, wie in einem Film. Dort stand sie, schön wie nie zuvor und so schüchtern. Weshalb kam sie nicht auf ihn zu? Je näher Saber kam, desto mehr schnürte sich ihm der Hals zu. Plötzlich hatte er das Gefühl an seiner grünen Krawatte ersticken zu müssen und seine Hände wurden feucht. Er hatte sie so lange Zeit nicht gesehen, nie ein Wort über sie verloren. Aber er hatte sie nie vergessen können, egal wie weit er auch weg war. Er hatte seinen Freunden nie anvertraut, wie miserabel er sich ohne sie gefühlt hatte. Und dennoch hatte er nie den Mut aufgebracht, sie anzurufen oder sie zu besuchen. Nun war sie da. Endlich war er bei ihr angekommen. Elegant und mit zittrigen Händen nahm er ihre Hand und küsste sie galant: „Sincia.“ Sincia ließ Saber gewähren und ihre Wangen nahmen ein zarten Schimmer an. Wie lange hatte sie ihn nicht gesehen? Sie hatte diesem Mann ihr Herz gegeben und dafür gebetet, ihn eines Tages wieder zu sehen. Und nun stand er vor ihr, im schwarzen Anzug mit einer grünen Krawatte und er war gesund. Sincia konnte kaum glauben, dass ihr dieses Geschenk zuteil wurde und sie Saber noch einmal in die Augen sehen konnte. Sie musterte ihn schüchtern und senkte anschließend den Blick zu Boden. Leise hauchte sie: „Ich hab dich vermisst, Saber Rider.“ Saber wurde mit einem Schlag bewusst, was er zu tun hatte. Die ganze Zeit über hatte er sich immer eingeredet, die Arbeit und die Sicherheit des Neuen Grenzlandes seien das Wichtigste, doch ihm wurde klar, dass es viel wichtiger Sachen gab, als das. Vor ihm stand die Frau, die er von ganzem Herzen liebte, die ihn vermisst hatte und offensichtlich die selben Gefühle für ihn hatte. Mit einem dankbaren Blick wandte er sich kurz König Jarred zu, bevor er Sincia zaghaft in den Arm nahm. Er fühlte ihre weiche Haut, roch ihren guten Duft. Saber wollte Sincia nie wieder los lassen, dieses Gefühl sollte nie wieder vergehen. Er hielt endlich die Frau in Händen, die er mehr liebte, als sein eigenes Leben. Er fragte sich, weshalb er vor diesen Gefühlen davon gelaufen war. Warum hatte er das Neue Grenzland vor Sincia gestellt? Überwältigt von seinen Gefühlen gab Saber der Frau in seinen Armen einen zärtlichen Kuss auf die Lippen: „Ich liebe dich, Sincia.“ In diesem Moment gab es nur sie beide. Niemand sonst war wichtig. Saber genoss dieses Gefühl. Sincia ließ sich in Sabers Arme sinken und hatte Mühe, die Freudentränen zu unterdrücken. Die letzten Monate über hatte sie in Ungewissheit gelebt, ob Saber sich überhaupt noch an sie erinnern würde. Nie war eine Nachricht von ihm gekommen, kein Brief. Sincia war überglücklich und wünschte sich, dass dieser Augenblick ewig anhalten mochte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)