The Final von Törtchen ================================================================================ Kapitel 2: 1.Nacht: Sturm ------------------------- 1. Nacht: Sturm 1 Die Uhr auf Toshiyas Handy zeigte viertel nach eins. Obama in der Nähe von Kyotô war eine merkwürdige Kleinstadt. Viele Shinto-Schreine sogenannte Jinja und Gläubige. Ganz anders als in Tokio. Und in Osaka. Hier lag noch sehr viel japanische Tradition zurück. Sie warteten, bis Kaoru mit dem schmierigen Typen gesprochen hatte. Der Typ hieß Suzuka Takamine und war Besitzer des Ferienhäusschens. Alt und senil. Leider gab es bis dahin auch nur einen Waldweg. Und vermutlich müssten sie dort auch übernachten. Die bekam schon die Krise, wenn er auch nur ans Zelten in einem großen einsamen Wald dachte. Zelten war nicht seine Sache. Kyo kramte sein Gepäck aus dem Kofferraum. Er wunderte sich darüber, was Toshiya alles mitschleppte, nachdem er kitschige Flatterbänder, die aus dem Rucksack raus hingen, fand. Für eine Woche Ferien. Neugierig durchsuchte er das Gepäck des Bassisten, der sich derweil mit Shinya unterhielt und über die vielen Leute auf der Straße lästerte. Kyo fand in einer Tasche Sportzeug, einen Baseballschläger, einen Fußball, drei Tennisbälle und ein Ping-Pong Set, dessen Schläger übrigens mit den Flatterbändern umwickelt waren. Die hatte er garantiert aus Shanghai. Da drunter lagen Badmintonschläger, die passenden Bälle dazu und ein kleines Häschenplüschtier. Gelangweilt zog Kyo den Reißverschluss wieder zu und fing an seine eigenen Sachen heraus zu wühlen. Kaorus XBox war gut in einer festen Tasche verstaut. Unglaublich das er seine Spielkonsolen mit in den Urlaub nahm. Einmal ging Kaorus Gamecube flöten, als sie vor zwei Jahren im Sommer für die US Tour in die Vereinigten Staaten flogen. In Kalifornien hatte irgend jemand Fremdes Strandsand in Kaorus Tasche geschüttet. Ausgerechnet die, wo die Konsole drin war. Seitdem schwor er nie wieder ein Strandhotel zu mieten und die Bleibe zu verklagen, was allerdings nie geschah. Stattdessen kaufte Kaoru sich in den nächsten Tagen ein Ersatzteil, womit er bis heute zufrieden war. Shinya hatte bloß eine große Sporttasche dabei. Von allen die größte aller Taschen. Die musste sein Zeug bei sich vorne hin packen, da im Kofferraum kein Platz mehr zum Verstauen war. Die hatte auch das wenigste mit. Die simpelsten Sachen, die man brauchte. Klamotten, Zahnbürste, Zigaretten, Waschzeug. Und frische Okonomiyaki von seiner Mutter. Das Zeltmaterial lag ganz unten drunter. Kyo schwor sich, das er das ganz bestimmt nicht tragen würde. So schleppte er lieber seine eigene Tasche, ohne lange nachzudenken. Ab dem Pfad musste man zu Fuß gehen. Durch den Obama-Hain. Durch das größte Waldgebiet im Kreis Osaka-Kyoto. Wie viele Menschen hatten sich da schon verirrt. Kyo erschauderte. Wie kam Kaoru auch auf die Idee, in einer Ferienhütte zu Urlauben? Am Meer wäre besser gewesen, vor allem, hätten sie nicht so weit fahren müssen. Kaoru versprach ihnen wunderbare Aussichten. Leader-Sama versprach so viel. Kyo seufzte und stellte sich mit seinem Rucksack und seiner anderen mit Buttons bestickten Tasche zu Shinya. Dann rückte er seinen Hut zurecht. Toshiya und Die lungerten wieder vor dem Gebäude herum. Kaoru redete mit Takamine über Verantwortung. Das war kein Thema für ihn. Auf Kaoru konnte man sich verlassen. "Da bin ich mal echt gespannt wo Kao uns da hin führt.", lächelte Shinya Kyo an. Dieser sah skeptisch auf. "Ich auch." "Irgendwie bin ich aufgeregt." "Ehrlich? Mich fürchtet das lange Wandern." "Soll aber gesund sein." Gesund. Was redete Shinya da, dachte Kyo. Das war wieder typisch Shin. Was ist daran gesund, mit dicken, drei Kilo Taschen auf dem Rücken fünf Kilometer durch einen Hain zu laufen? Das konnte was werden. Kyo würde gerne wissen, wer von ihnen als erster umdrehte und zurück ging. Ohne Zweifel wäre er das selbst, aber er versuchte kein Spielverderber zu sein. Vielleicht konnte das auch ganz lustig werden. Toshiya und Die rauchten an einer Ecke. Schließlich trat Kaoru aus der gläsernen Tür hinaus und spielte mit dem Schlüssel um seinen Finger herum. Sein dunkles, schulterlanges Haar wehte anmutig durch den Wind. Den Schlüssel für das Ferienhaus hatten sie jedenfalls. "Und? Was hat er gesagt?", fragte Shinya nach. Kaoru steckte den Schlüssel weg. "Naja, das Übliche eben. Im Hain kann uns nichts passieren. Der ist zwar riesig groß, aber überall sind Wegweiser aufgestellt. Außerdem haben wir Karten." Grinsend drückte er Shinya die Routenkarte in die Hand. Der Drummer blinzelte perplex und Die schlug ihm auf die Schulter. "Shin-Chan darf die Karte bedienen!" "Das will ich aber machen!", rief Toshiya hibbelig dazwischen, doch Kaoru verneinte. "Vergiss es, sonst landen wir hinterher noch sonst wo!" Die und Shinya lachten. Toshiya zuckte die Schultern. "Oh manno..!" "Bevor wir losgehen, sollten wir uns aber gehörig eindecken.", meinte Kyo. "Wer weiß, wie lange wir brauchen?" "Hast Recht.", antwortete Kaoru. "Dann stell deine Sachen wieder rein, wir gehen noch schnell was einkaufen." "Ich geh schon mal vo-hor." Toshiya lief den steilen Weg hinunter und stoppte, als Die ihn rief. Dann ging der Gitarrist hinterher, gefolgt von Kyo und Shinya. Kaoru schloss seinen aufgetunten Wagen ab. Einkaufen war immer so eine Sache. Wann waren sie mal zusammen einkaufen? Eigentlich so gut wie nie. Nur wenn sie auf Tour waren, dann stöberten sie ab und zu durch die Geschäfte. Mit ein paar Yen bewaffnet betraten Die und Toshiya einen kleinen, japanischen Laden. Sofort fing der quirlige Bassist an, mit einigen Äpfeln zu jonglieren, wobei ihm die Hälfte kurz danach runter fiel. Die konnte das wesentlich besser. Shinya begann, schnell seine Einkaufsliste abzuhaken, damit auch ja nichts Wichtiges entfloh. Die suchte sich teure Spirituosen und griff erst mal nach einer Flasche Wodka. Dann gesellten sich auch gleich noch zwei Flaschen Champagner und eine Packung Bier dazu. Sicher ist sicher. "Willst dich besaufen oder wie?" Shinya schaute Die verblüfft an. "Ich teile mit euch!", grinste dieser zurück und wuschelte Shinya einmal durchs Haar. Gereizt fummelte der Drummer seinen dunkelblonden Schopf wieder gerade. Kaoru spähte über Toshiyas Schulter, der sich zwischen zwei verschiedenen Tabaksorten nicht entscheiden konnte. "Suchst du was Bestimmtes?" "Öh... nicht direkt.", sagte Toshiya. "Welcher schmeckt besser, der oder der?" Fragend hielt er Kaoru zwei Packungen Zigarettentabak entgegen. Leader-Sama zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Probier irgendwas aus, wenn's deine Sorte nicht gibt!" "Okay!" Kyo diskutierte derweil mit Die über die Wahl des Alkohols. Shinya ging die Einkaufsliste durch. "Wasser, Streichhölzer, Kekse, Obst..." "Hey Shin! Wünschst du dir auch einen bestimmten Rotwein?" "...Cola, Kaffee, Bonbons, Tee, Reis...was?" Die wiederholte seine Frage. "Ob du dir auch einen bestimmten Wein wünschst." "Ich bin Anti-Alkoholiker.", antwortete Shin lächelnd. Dann entnahm er ein Eis aus der Kühltruhe. Kyo stand noch immer vor dem Regal mit Spirituosen. Kleiner Säufer, dachte der Drummer nur und ging zur Kasse. Ihm fiel auf, das er der Einzige war, der sich keinen Alkohol gekauft hatte. Aber das war ihm egal. Toshiya hatte sich endlich für Galouises Light entschieden und Kyo half Die beim Tragen des Alkohols. Kaoru traute seinen Augen nicht, als er diese Menge sah. "Ich wollte euch nur viel Spaß beim Tragen nachher wünschen!", sagte er schadenfroh, verbot es jedoch nicht, soviel Alkohol mitzunehmen. Kyo grummelte irgendwas vor sich hin und Die lachte. "Wir sind stark, wir schaffen das!" Nachdem sie ihr Zeug bezahlt und verstaut hatten, schlenderten sie wieder den steilen Weg nach oben zum Auto. Das stand genau zwei Straßen entfernt. Von Weitem schimmerte es im hellen Sonnenlicht. Toshiya hasste dieses Lila. Eine hässlichere Farbe konnte Kaoru sich auch nicht aussuchen. "Wer schleppt denn das Zeug vom Zelt?", fragte Die, während er sein Gepäck entnahm. Toshiya legte sich seine Tasche um und stellte sich startklar vor Kaoru. "Hier.", sagte dieser nur und drückte Toshiya die Zeltstangen in die Hand. "Bitte sehr!" Der Bassist seufzte nur und packte die Stangen unter die Arme. "Aber Kao, w-wie lange müssen wir denn gehen?!", fragte Die leicht entsetzt. "Ich schätze mal nicht so lang. Es sind fünf Kilometer. Das schaffen wir in maximal anderthalb Stunden. Wenn ihr euch ranhaltet!", antwortete Kaoru selbstsicher und schloss den Kofferraum zu, nachdem jeder sein Gepäck bei sich hatte. Er bemerkte Dies unsicheren Blick und ohne das der Gitarrist was merkte, legte Kaoru ihm die Arme auf die Schultern. "He, jetzt hör mal, siehs positiv! Das wird mal was richtig Cooles!" "Ich glaub Kao hat Recht! Ist mal was Neues!", mischte Toshiya sich ein. Die seufzte. "Na gut... dann los!" Kaoru schlug ihm kumpelhaft gegen die Schulter. Dann ging er zusammen mit Kyo den Waldweg hoch. Schweren Herzens folgte Die ihnen. Grüne Bäume und Büsche bahnten sich ihnen in den Weg. Der Geruch vieler Pflanzen stieg auf und die meisten Bäume begannen kahl zu werden. Der Herbst kündigte sich so langsam an. Auch die Luft wurde Mitte September zunehmend kühler. Shinya schaute nach oben und blieb stehen. Toshiya hielt nichts an Beobachten von Vögeln. Trotzdem stellte er neben den bildhübschen Drummer und schaute mit ihm nach oben. "Ist da was?", fragte er neugierig. Shinya lächelte ihn an. "Eine Taube." "Achso...pass auf, das sie dir nicht auf den Kopf kackt!" Toshiya wollte soeben weiter gehen, als er merkte, dass Shinya noch immer nach oben sah. Viereinhalb Kilometer hatten sie noch vor sich. Und Shinya hatte das Gefühl, das ein Unwetter anstand. Die Wolken sahen vorhin schon so grau aus. "Hast du Angst?", fragte Toshiya mit Absicht und total direkt. Shinya zwinkerte verblüfft, blickte aber im nächsten Moment nur verlegen weg. "Vor einer Taube?" "Nein! Überhaupt!" "Ich weiß nicht... ich war noch nie hier und ich meine... wenn wir uns wirklich verirren, dann-" "Aber Shinshin!" Toshiya versuchte den Jüngsten aufzumuntern. "Pass auf, jeder von uns hat ein Handy dabei, wir haben Karten und im Notfall gibt es... Telefonzellen... glaub ich." "Du glaubst?" "Hai." Shinya schmunzelte. "Und was ist... wenn mich jemand überfällt oder so?" "Dann...", stammelte Toshiya nachdenklich. "Dann... ano, dann komme ich und beschütze dich!" "Was?!", lachte Shinya daraufhin. "Keine gute Idee...?" Shinya schüttelte den Kopf. "Du bist süß, Totchi!", sagte er und ging weiter. Toshiyas Augen wurden recht groß und er schmunzelte verlegen. "Süß?" Dann folgte er Shinya. Nach ein paar Minuten quollen erste Gewitterwolken auf. Leiser Donner grollte über die Baumkronen. Der erste, der panisch aufschrie, war Kaoru. Und dieser hatte panische Angst vor Gewitter. Die erschrak ebenfalls, aber nicht wegen des Donners, sondern wegen Kaorus Gekreische. Er versteckte sich Schutz suchend hinter Shinya und Toshiya lachte nur. Er lachte wirklich als er die ängstliche Miene seines Leaders sah. Wie süß das doch ausschaute, als Kaoru hinter Shinya kauerte. "Hast du etwa Angst?", fragte Kyo perplex und Kaoru kniff nur die Augen zusammen, unterdrückte einen weiteren Schrei, als ein erneuter Donner ertönte. Diesmal war er sogar lauter. "I-ich hasse Gewitter..." "Warum?", fragte Toshiya und beobachtete Shinya, der voll verpeilt mit Kaoru durch den matschigen Weg stampfte. Auch Kyo regte sich tierisch über den nassen Lehm auf, der seine schönen, weißen Schuhe vollkommen verdreckte. Braune Flecken und Streifen zierten nun auch sein linkes Hosenbein, Laubblätter klebten unter ihren Sohlen. "Warum hat er denn Angst vor Gewitter?!", fragte Toshiya leise mit einem Grinsen an Die gewandt und stieg mit dem rothaarigen Gitarristen über hohe Gräser. Kaoru kam langsam hinter Shinya hervor und war sich nun sicher, dass das Gewitter sich verzogen hatte. Jedenfalls hoffte er das. Kyo trat erneut in ein Matschloch, unterdrückte aber irgendeinen vulgären Ausdruck dafür. Stattdessen knurrte er nur wütend. Toshiya presste einen Ast beiseite und quatschte nebenbei mit Die. Shinya wich noch gerade so aus, und bevor er "Vorsicht" rufen konnte, landete der fiese Ast schon in Kaorus Gesicht. "Toshimasa, du Arschkeks!!", rief er sauer und hielt sich beide Hände vor das Gesicht. Das es erneut einmal leise donnerte, hörte er gar nicht. "Gomen nasai!", entschuldigte Toshiya sich lachend. "Ich hab nicht gesehen, dass du hinter mir bist!" Auch Kyo kicherte, vergaß das Matschloch und seine dreckigen Schuhe. Kaorus Nase blutete leicht. "Jetzt sag mal!" Toshiya hüpfte wieder Die hinterher, der ganz vorne ging. "Warum hat Kao Schiss vor Donner?!" "Frag ihn doch selbst!" "Der gibt mir keine Antwort..." Die seufzte und schaute Toshiya an. "Ist ne lange Geschichte." "Und? ich kenn sie nicht, also erzähl sie mir!" "Musst du alles wissen?!" "Ihr sagt doch ständig, ich bin dumm! Also mach mich schlauer!" Shinya betrachtete zusammen mit Kaoru die Karte. Irgendwie hatte er gleich das Gefühl, dass sie den total falschen Weg eingeschlagen haben. Auf einem normalen Waldweg konnte doch nicht soviel Unkraut wachsen, dass man breitbeinig darüber hüpfen musste. Kyo nahm sich einen Stock vom Boden und fing aus Langweile an, die anderen damit zu piksen. Erst Die, der vor ihm lief und manchmal auch Toshiya. Verdammt. Konnten sie nicht irgendwo anders hin gehen? Irgendwo anders hin als dieser riesige, verzweigte Wald, wo man sich wahrscheinlich noch aus den Augen verlor? "Warumono, hör auf damit!", rief Die spaßig, als er den kleinen Ast an seiner Schläfe fühlte. Sofort zog Kyo den Stock zurück und warf ihn weg. Shinya hatte jetzt bestimmt ganze zweihundert Meter nicht mehr von der Karte hoch geschaut. Er spürte, dass sie ganz woanders waren, als die Karte zeigte. Da Kyo außerdem nichts anderes Unterhaltsames fand, rauchte er eine und versuchte weitere Matschlöcher zu meiden. Der ganze Boden glich nicht wie ein humushaltiger Waldboden, sondern eher einem Sumpf. Einem feuchten, warmen Sumpfboden. "Leute? Wartet mal ganz kurz.", begann Shinya und räusperte sich. Toshiya und Die blieben stehen, unterbrachen ihre Gespräche und wandten sich an Shinya. Kyo lehnte sich gegen einen Baum, während Kaoru ebenfalls interessiert über die Schulter des Drummer schaute. Seine Augen verfolgten die Wege auf der Karte. "Was denn? Jetzt sag nicht, wir sind falsch!", sagte Die erwartungsvoll, worauf Shinya nachdenklich den Mund verzog. "Hm... scheint so. Auf jedenfall..." "Ist doch nicht dein ernst!" "Bleib mal locker! Schaut mal hier. Hier befinden wir uns jetzt. Da ist eine große Trauerweide gekennzeichnet, da müssten wir eigentlich jetzt sein." Shinya deutete auf die grüne Stelle der Karte und Kaoru schaute suchend die Gegend ab. "Ich sehe keine Trauerweide." "Das liegt daran, dass du eh keine Bäume unterscheiden kannst.", sagte Toshiya giftig und kicherte blöd. Schnell blickte er zu Die, da er wusste, dass Kaoru ihn im Moment ganz böse anschaute. "Da ist doch die Trauerweide." Skeptisch zeigte Shinya ihnen die Weide, die gut vier Meter von ihren Füßen entfernt zwischen ein paar Eichen stand. "Also sind wir richtig. Jetzt müssten wir ohne Probleme weiterkommen, gleich da oben ist die Ferienhütte." Kyo stöhnte genervt. "Ganz toll und wie weit ist das noch? Meine Füße frieren..." "Ich denke mal soweit nicht. Gehen wir einfach, umso schneller sind wir da." Der kleine Sänger packte wieder seine Sporttasche, steckte die Hände in die Hosentaschen und tapste Shinya hinterher. Toshiya quetschte noch immer Die aus, warum Kaoru Angst vor Gewitter hatte. Aber gemein wie er war, verriet er natürlich nichts. "Ich hab ne Idee!" Freudig lief Toshiya noch einmal zu der Trauerweide und packte sein Graffitispray aus. Sofort nahm Kaoru die Dose aus der Hand und begutachtete sie. "Wo hast du denn das schon wieder her?", fragte er unsicher. Toshiya grinste und entnahm sie Kaoru wieder. "Hab ich mir letzte Woche gekauft, nach unserer Probe, wo du dein Meeting mit diesem Idioten hattest!" "Pass auf, was du sagst! Nakawa ist kein Idiot, sondern ein guter, alter Freund von mir!" Toshiya sprühte die Trauerweide mit der Aufschrift "Dir en grey" in Schriftzeichen an. "Na wie auch immer, ich fand ihn unfreundlich." "Warum verewigst du uns hier?", fragte Kyo interessiert, während er sich mit Die eine Zigarette teilte. "Damit wir, falls wir uns wirklich verirren sollten, merken können, dass wir hier schon mal waren! Außerdem, falls wir uns verlieren, wäre es am besten, wenn jeder von uns an genau diesen Ort kommt." Toshiyas Erklärung klang zwar ziemlich simpel aber die Idee war gar nicht mal so übel. So konnte man sich die Wege eben gut einprägen und dank der leuchtenden, pinken Sprühfarbe auch erkennen, wo man sich befand. "Totchi, du bist gar nicht so dumm wie du aussiehst!", lachte Die und legte einen Arm um seinen Kumpel. Sollte das jetzt ein Lob sein, dachte Kaoru gereizt und wich soeben einigen Ästen aus. Auf die Idee wäre ja noch nicht einmal ich gekommen. Kyo schnippte die Zigarette weg. Shinya konfrontierte ihn daraufhin mit einem warnenden Blick, der Kyo davor abhalten sollte, Waldbrände auszulösen. Doch dann fiel ihm wieder ein, dass das Grün um sie herum sowieso viel zu nass war. Alles war nass. Und hätten sie keine Regensachen dabei gehabt, hätte der Urlaub für alle mit einer dicken Grippe geendet. 2 Die nächste dreiviertel Stunde bekamen sie noch immer kein Häuschen in Sicht. Nur grün. Bäume über Bäume, wuchernde Sträucher und leichter Nieselregen lag in der Luft. Das Gewitter hatte sich tatsächlich wieder verzogen. Glück für Kaoru. Langsam aber sicher hatte Shinya überhaupt keinen Bock mehr stundenlang durch diesen Wald zu laufen. Kyo ging es genau so. Außerdem war es kalt. Der Sommer war fast vorbei. Und so ein kaltes Wetter war wirklich peinlich für Anfang September. Dieser Tag glich eher wie ein Tag im November. "Boa alter, meine Füße sind voll im Arsch!" Kyos Gemecker war nicht zu überhören. Die reagierte darauf hin mit einem langgezogenen "Joa". "Wo ist denn Toshimasa?", fragte Kaoru plötzlich und blieb abrupt stehen. Toshiya war nirgends zu sehen. "Der war doch eben noch hinter dir.", gähnte Die lustlos. "Totchi!!!", rief Shinya und lief ein paar Schritte zurück. "Totchi, wo bist du?!" "Toshimasa, wenn du das spaßig findest, dann lass es gefälligst!!", schrie Kaoru hinterher und setzte einen fiesen Blick auf. "Wir haben keine Zeit für Kinderspielchen!" "Der ist doch jetzt nicht weg, oder?", fragte Kyo, während er sich ebenfalls umsah. Alles was sein Auge aufnahm, war Gebüsch. Ja, Gebüsch, so weit das Auge reichte. Nur kein Toshiya. Shinya drehte sich panisch zu ihnen um. "Kao, er ist weg!", flüsterte er und rief im selben Moment noch einmal den Namen des Bassisten. Hoffentlich hatte Toshiya sich wirklich nicht verirrt, dachte Die und suchte hinter den nächsten Dornenbüschen. "Daisuke, bleib hier, nicht das du auch noch verschwindest.", sagte Kaoru, worauf Die nur nickte. Dann hörten sie ein leises Kichern. Kyo schaute nach oben und erblickte Toshiya auf einem Baum sitzen. "Da oben is er doch!" Alle sahen ebenfalls gen Baumkrone herauf und sofort fing Kaoru an zu knurren. "Totchi, was soll das?! Konntest du nicht Bescheid sagen?! Was machst du da, verdammt?!" "Pssst... ich beobachte was!", sagte der Angesprochene daraufhin. "Komm da gefälligst runter!" Toshiya blickte noch einmal in seine Richtung, dann drehte er sich um und kletterte vorsichtig den Baum hinunter. Mit einem gekonnten Salto sprang er vom kurzen Ast, riss einen Haufen Blätter mit runter und Shinya bekam eine höllische Angst bei der Vorstellung, er könne sich verletzen. "Sag mal spinnst du?!", konfrontierte Kaoru ihn dann sofort, als Toshiya mit beiden Füßen auf dem verwilderten Boden landete. "Gomen, aber ich habe da hinten was gesehen!" "Was denn?", fragte Die. "Keine Ahnung, was das war! War ziemlich klein und... naja... wie soll ich sagen..." "Vielleicht ein Tier... oder ein Tourist. Lasst uns weiter gehen, mir ist immer noch kalt.", sagte Kyo auffordernd und ging weiter. "Blödmann...", kam es nur von Kaoru in Toshiyas Richtung, während Shinya seine Angst überwindete. "Totchi, mach das nicht noch mal, hörst du?" Toshiya schaute sich fragend um. "Hm? Hai, ist okay. Wollte nur mal wissen ob ihr merkt, wenn jemand weg ist!" "Das ist nicht lustig...", sagte Shinya kleinlaut, doch das hörte der Bassist nicht. Ungewiss blickte er sich um, dann lief er den anderen wieder hinterher. Kaoru beschwerte sich bestimmt noch drei Minuten lang darüber, dass Toshiya ihnen so einen Schrecken einjagte. Die nächste viertel Stunde änderte sich nichts in ihrer Perspektive. Weder ein Ferienhaus, noch Menschen, noch Straßen. Nur Wald. Die mochte sich gar nicht vorstellen, wie groß dieser Hain wohl war. Und wenn er an die Gerüchte dachte, dass hier schon wirklich Menschen verschwunden sein sollten, wurde ihm ganz grauenvoll zumute. Kaoru sagte zwar, dass sei alles sicher, das niemandem etwas passieren würde, doch da hatte Leader-Sama wohl selbst keine Ahnung. Wie kam er eigentlich auch auf die Idee, nach Obama zu fahren? Es gäbe doch so viele andere Orte in Japan, wo sie hätten Urlaub machen können. Er und Toshiya schien das im Moment noch nicht zu stören, dass sie sich im Wald vermutlich die Füße platt liefen. Diese fast zweistündige Wanderung bis jetzt ging Kyo so dermaßen auf den Senkel, dass er sich weigerte, weiter zu laufen. "Was ist denn los, Warumono?", fragte Kaoru. Toshiyas Rücken schmerzte, doch das ließ er erst mal außen vor und wartete, bis Kyo sich entschieden hatte, mit ihnen zu gehen. Liebend gerne wäre Shinya auch umgekehrt. "Nenn mich nicht Warumono...", zischte Kyo gefährlich durch die Zähne und ließ sich erschöpft an einen Baumstamm sinken. Dann plumpste er in das hohe Gras und blieb seufzend sitzen. "Wie lange wollen wir eigentlich noch gehen? Schaut doch mal da vorne..." Der kleine Sänger deutete mit der Hand auf einen kleinen Weg. Toshiya und Kaoru spickten durch die Gebüsche und mussten erstmal gucken, wo Kyo da etwas erblickte. Schließlich heulte Die kindisch und stellte sich ebenfalls neben Kyo an den Baum. "Wo soll denn da was sein?", fragte Toshiya, während er auch Kaorus Miene studierte. Leader-Sama ließ bedrückt den Kopf hängen und verschränkte die Arme. Nun sah auch Toshiya nach genauen Anweisungen die große Überraschung. Die angesprühte Trauerweide war nur ein paar Meter von ihnen entfernt. "Irgendwie kenn ich diesen Ort...", murmelte Die und Shinya schaute noch einmal in die Karte. Da erblickte er, dass es wirklich Tausende von Wegen gab. "Hm. Ich glaube vorhin hätten wir nach links gemusst." "Was?! Was soll das denn heißen?!", rief Toshiya entsetzt. "Ganz toll, nur weil du keine Karten lesen kannst, sind wir ne Stunde umsonst gelaufen!" "Aber Totchi..." "Ich hab doch gesagt! Hättest du mir mal die Karte überlassen, dann wären wir bestimmt schon da gewesen!" "Jetzt halt mal die Luft an! Woher soll ich mich denn auch in so einem Wald auskennen?!" "Leute, hört auf zu streiten, das bringt uns jetzt auch nicht weiter!", mischte Kaoru sich ein und nahm Shinya die Karte aus der Hand. "Gehen wir also nach links. Noch einmal zurück und dann links, so wie Shin sagt." "Pah, und hinterher landen wir noch am Ausgang..." Toshiya verschränkte beleidigt die Arme, lachte aber im nächsten Moment wieder, als Die ihn angrinste. "Ich war mit siebenundzwanzig auch noch zu blöd um Karten zu studieren! Wenn wir zuhause sind, lernen wir mit Shin zusammen das Kartenlesen!", kicherte der Gitarrist freudig und bemerkte nicht, das Shinya sich ziemlich angegriffen fühlte. Am liebsten hätte er gesagt: Ihr hättet es nicht besser gekonnt. Kyo sagte nun nichts mehr. Ihm ging das alles regelrecht am Arsch vorbei. Solange sie den Ort nicht fanden, den sie suchten, hielt er seinen Mund. Sich aufzuregen brachte rein gar nichts. Der Meinung war auch Kaoru. Unterdessen fing es leicht an zu regnen. Die stülpte sich die Kapuze seiner blauen Regenjacke über, damit die roten Haare schön in Form blieben. Toshiyas Körper wurde langsam von oben bis unten hin feucht. Erst kamen sie nicht in einem blöden Wald klar und jetzt spielte auch noch so ein miserables Wetter mit ihnen. Kaoru wäre am liebsten mit seinem Auto hier hochgefahren, dass aber schlichtweg unmöglich schien. Der gesamte Wald zog sich breit, fast Hunderte von Kilometern lang und war ein Naturschutzgebiet. Eigentlich wusste niemand wo sich was befand. Shinya vermutete schon, dass sie bereits ein Waldgebiet betraten, welches gar nicht mehr zum Feriengebiet gehörte. Auch die weiteren Wege die sie gingen, waren nicht mal mehr auf der Karte eingezeichnet. Toshiya machte sich mit Die darüber lustig, dass Shinya keine Karten lesen konnte, rissen blöde Witze über ihn, was der Drummer aber weitgehend ignorierte. Dabei erkannten sie wohl nicht den Ernst der Situation. Kyo versuchte schon vergeblich ihnen klar zu machen, dass sie sich verirrt hatten. Und dies musste man Toshiya erstmal beibringen. Der wollte das so schnell nicht einsehen. Nach weiteren Minuten, Stunden, stürmte Die durch ein Gebüsch. Er sah ein Glitzern und hoffte, es wäre Kaorus Auto im Sonnenlicht. Aber erstens gab es nirgendwo Straßen und zweitens schien die Sonne nicht mal. Das Glitzern, welches er von weitem sah, entpuppte sich als den Wasserspiegel eines Sees. Ein besser gesagt, riesengroßer See, umringt von dicken Bäumen. "Hey, alter, guckt euch das an!", rief Die erstaunt, als Kyo ihm vergeblich versuchte über die Schulter zu schauen. Immer wieder sprang er hoch und schließlich schubste er den Gitarristen durch das Gebüsch. Die fiel nach vorn und wäre beinahe im dreckigen Boden gelandet. Zwei Schwäne flogen vor Schreck vom Wasser über die Baumkronen. Der Regen wurde zunehmend mehr. "Schaut aus wie ein Baggersee.", sagte Kaoru, während er sein Gepäck unter einem Baum abstellte. "Bleiben wir hier. Hier haben wir wenigstens erstmal Wasser." "Wie wir bleiben hier?", fragte Toshiya. "Hier am See?!" "Hai." "Aber wir müssen doch weiter.", sagte Shinya etwas ängstlich. "Mach dir keine Sorgen. Wir haben es mittlerweile... öhm..." Kaoru schaute auf seine Handyuhr. "Hm?" "Hey Toshimasa, funzt dein Handy noch? Meine Uhr streikt.. irgendwie." Toshiya kramte sein Nokia aus der Tasche, klappte es auf und schaute etwas skeptisch auf das Display. "Hai, bei mir ist es kurz nach sechs." "Dann wird es in spätestens vier Stunden dunkel." "Und warum gehen wir dann nicht weiter?", fragte Die. "Ich meine, dann sind wir doch schneller da, oder?" "Wer weiß wir lange wir brauchen?" "Ich bin auch dafür, das wir bleiben." Kyo setzte sich auf das noch trockene Gras, da sein Rücken ziemlich weh tat, durch das Tragen des schweren Gepäcks. "Außerdem sind wir jetzt schon über drei Stunden unterwegs. Ich bin hundemüde. Lasst uns wenigstens eine Pause machen." "Okay." Kaoru stellte seine Sachen unter einen trockenen Baum und packte die Werkzeuge für das Zelt aus. Während Die und Toshiya mit der Zeltplane spielten, indem sie sich immer wieder darunter versteckten, schaute Kyo sichtlich müde zu. Das Warumono saß schläfrig zwischen den Gräsern, schaute nachdenklich auf das trübe Wasser vor ihm und lauschte dem Gelächter der Anderen. Sein Blick fuhr nach oben. Der Himmel war weiß-grau, mit dicken Wolken bedeckt. Regen nieselte auf sein Gesicht und dann summte er eine ihm eigentlich unbekannte Melodie nach. Die hatte er die ganze Zeit schon im Kopf. Sie war wie ein Ohrwurm. "Kyo-Chan, was machst du denn da?" Toshiyas Frage verscheuchte die Gedanken Kyos und ließ ihn aufsehen. Der Bassist schaute tief in die traurigen Augen des kleinen Sängers, der ausnahmsweise mal nicht mit einem bösen Knurren auf den Namen "Kyo-Chan" einging. "Nichts." Toshiya strahlte und umarmte Kyo einmal flüchtig. Dieser wehrte sich nicht einmal und es lag auch daran, dass er viel zu müde war. Er erschien meistens immer so depressiv im Gegensatz zu Toshiya. Umarmungen mochte er nicht. Jedenfalls nicht wirklich. Manchmal tat es jedoch gut, wenn ihn jemand in die Arme schloss. Doch das würde Kyo nie zeigen wollen. "Dann bin ich beruhigt!" Wenn sie doch alle wüssten, wie lieb Toshiya sie doch hatte. Shinyas miserable Kunst für das Karten lesen war schon so gut wie gegessen. "Toshimasa, komm hier rüber und hilf gefälligst mit!", rief Kaoru von weitem und Toshiya grinste noch einmal Kyo an, bevor er sich an das Aufbauen des Zeltes hermachte. Der Himmel sah immer so aus, als würde gleich ein böses Gewitter herziehen, doch es passierte nichts. Shinya musste erstmal wieder eingreifen, als Toshiya mit dem Gestell rumspielte und die falschen Teile zusammen steckte. Dabei beobachtete er den Drummer. Sein feuchtes Haar, sein dünner Körper unter der Regenjacke und dann sein hübsches Gesicht. "Du bist aber auch einer!", sagte Shinya lächelnd an Toshiya gewandt und übergab Kaoru das Teil des zusammengesteckten Gerüsts. "Weißt du was, Shin?" "Hm?" "Das wollte ich dich eigentlich schon die ganze Zeit fragen." Shinya guckte etwas konfus. "Was denn?" "Naja, ano... wegen vorhin, ich meine... ich hoffe du hast das nicht allzu ernst genommen, das... mit dem-" "Ich weiß, ist schon gut." Shinya stand auf und ging. Toshiya wusste, das nichts gut war. Hinterher tat es ihm immer Leid, wenn er Shinya geärgert hatte. Während Die und Kaoru mit dem Zelt beschäftigt waren, holte er sich eine Dose Cola aus der Tasche, öffnete sie und beobachtete Shinya, wie er seine Decken auspackte. Das Zelt an sich war eigentlich recht groß. Und falls sie nicht genug Platz haben sollten, konnten sie nach Kaorus Meinung noch immer Toshiya raus schmeißen, da er als erster irgend welchen Quatsch machen würde. Die prüfte zu guter Letzt die Dichtung der Plane und den Reißverschluss. Aber wenn er daran dachte, so in einem riesigen Wald zu übernachten, ohne jegliche Ahnung wo er sich befand, lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Wer weiß, wer sich nachts hier rum trieb. Ob sie nicht irgendwelchen gefährlichen Raubtieren begegneten. Oder gar nachts überfallen werden. Alles konnte möglich sein. Kaoru fand so was geil. Er war glücklich, wenn er so richtig ins Schwitzen kam. Als der Regen nachließ, versuchten Die und Kyo ein Lagerfeuer auf dem Waldboden zu präparieren. Sie sammelten nasse Äste und Holzreste, die logischerweise nicht zum Brennen geeignet waren. Aber trockenes Gras fand man hier nicht. Kaoru hatte Taschenlampen dabei, fünf Päckchen Batterien und drei Akkus. Er durchsuchte sein Gepäck und brachte als erstes seine Tasche mit der XBox in das Zelt. Dann legte er mit Shinya die Decken rein. Toshiya und Die hatten sich schon an das Ufer des Sees verzogen und schienen Kyo dazu anzustochern, in das Wasser zu gehen. Doch der zeigte ihnen nichts anders als den Mittelfinger. Shinya legte einen Haufen Gras auf den Boden, nahm ein Stück trockene Zeitung und zündete sie mit einem Feuerzeug an. Dann legte er das brennende Stück Papier auf den Haufen. Sobald er Feuer fing, legte er ein paar nasse Äste dazu. Ob es brennen würde, war fraglich. Aber ein Feuer wäre nicht mal so schlecht, denn langsam fing es an zu dämmern. Zwischen den hohen Birken heulte der Wind. Shinya fror. Das tat er eigentlich schon die ganze Zeit. Zitternd nahm er die Wolldecke und schmiss sie ebenfalls ins Zelt. Die langte nach seinem Fußball und spielte damit ein wenig herum, bis Toshiya ihn ausversehen in das Wasser schoss. Er lachte und Die fluchte aus Spaß unüberhörbar. Kaoru beobachtete alles mit einem Grinsen, während er sich weiter daran machte, feuerfeste Lampen an die Zeltwand zu präparieren. Gutmütig wie Shinya natürlich war, packte er auch Toshiyas Klamotten raus um für ihn einen Schlafplatz herzurichten. Dasselbe tat er mit Daidais Sachen. Kyo raffte sich endlich aus dem hohen, kalten Gras und legte sich in das Zelt. Besser als hinterher mit einer schmerzhaften Blasenentzündung davon zu kommen. Er schwor sich, das erste was er tun würde wenn er nach Hause käme, ist heiß zu duschen. Mehr wollte er eigentlich im Moment nicht. "Los Tosh, hol den Ball!" Die rief vom Ufer aus zu Toshiya, der gequält auf einem dicken Ast über dem See saß und mit aller Kraft versuchte an den Fußball zu kommen, ohne ins Wasser zu fallen. Und Kaoru dachte nur: Hoffentlich fällt er hinein ins kühle Nass. Zufälligerweise hatte auch Shinya denselben, schadenfrohen Gedanken. Mit Sicherheit würde er sich erstmal halb tot lachen, falls das passierte. Der Ast sah nämlich nicht so aus, als wolle er Toshiya noch lange tragen. "Ich komm nicht ran!" Der Fußball schwamm weiter hinaus und nun trat Kyo über den Ast, nachdem Toshiya langsam wieder zurück kroch. Nun schauten auch Shinya und Die gespannt zu. Kaoru hatte sich wieder seinem Handy zugewandt, saß im Eingang des Zeltes und rauchte. Kyo erstreckte sich über das Wasser und da er etwas leichter war als Toshiya, machte der Ast nun auch keine knackenden Geräusche mehr. Aber den Ball erreichte er trotzdem nicht. Ein lautes "Platsch" ließ Kaoru aufsehen. Die und Toshiya lachten wie auf Kommando los und Shinya schaute nur erschrocken, als Kyo mit einem niedlichen Quieken in das Wasser plumpste. Der Ast hatte es wohl doch nicht so gut mit ihm gemeint. Na wenigstens konnte er jetzt den Ball holen, Die zuliebe. Gekonnt schüttelte Kyo erstmal seinen Kopf und ob Toshiya sich verguckte oder nicht. Auf dem Gesichtszug des Kleinen versteckte sich ein Lächeln, das beinahe in ungeahnte Freude ausbrach. Gekonnt schwamm er zum Fußball und er spürte keinen Boden unter seinen Füßen. Kyo war ja auch gut fünfzehn Meter vom Ufer entfernt. Neugierig schaute er sich um und das Wasser war gar nicht mal so kalt wie es aussah. Rundherum standen Bäume, der See allein war echt riesengroß und vor allem tief. Kyos Haare tropften und er blickte skeptisch nach unten. Seinen Körper sah er nicht mehr. Der See hatte recht trübes Wasser. Und es war still, bis auf Kaorus abgespielte Musik auf dem Handy, das man noch schwach hörte. Die winkte Kyo zu und rief ihm irgend etwas entgegen. Das Warumono schüttelte nur den Kopf und so wie es schien fühlte er sich pudelwohl im Wasser. Entspannt legte er sich zurück, ließ die leichten Wellen gegen seine Schläfen schlagen und genoss den frischen Wind, sowie das wundervolle Gefühl auf dem Wasser liegen zu können, schwerelos zu sein. "Kyo!! Beeil dich, verdammt!!" Dieses Brüllen konnte er Kaoru einordnen. Nun rief auch Die wieder und Shinya machte Handzeichen, sofort zurück zum Ufer zu schwimmen. Kyo richtete sich auf, den Ball unter den Arm geklemmt und als er hinter sich sah, wurden seine Augen riesengroß. Die Wellen schienen stärker zu werden, dann wieder schwächer. Sein Herz klopfte ängstlich und er wusste gar nicht was los war, warum die Anderen ihn so panisch warnten. "Aaaaaaah!!!!!!" Shinya schlug die Hand vor den Mund, als er Kyos Schrei hörte. "Oh mein Gott, macht doch was!!" Irgend etwas hatte sich in Kyos Bein gebissen. Doch dieser ließ sich nicht davon abschrecken, schüttelte sich los und schwamm so schnell es ging auf das Ufer zu. Und zum Glück war er trotz seines verletzten Beines richtig rapide. Toshiya bestaunte mit großen Augen das bebende Wasser, während er die Hand nach Kyo ausstreckte um ihn sofort raus zuziehen. Die und Kaoru legten Kyo, der ein wenig aus der Puste zu sein schien, auf die Wiese und schauten wieder zum Wasser. "Fuck, was war das denn?!", rief Toshiya erstaunt und schaute auf Kyos blutende Fleischwunde. Etwas hatte sich in seine Wade gebissen. Und das Etwas musste ein ziemlich großes Maul gehabt haben. Kyo zitterte nun auch ein bisschen, doch er erhob sich im nächsten Moment, als Shinya ihm den Arm um die Schulter legte. "Ich hab keine Ahnung, boa, so ne Scheiße aber auch!" "Hey Kyo, das tut mir Leid!", sagte Die und fiel dem Sänger um den Hals. "Ah... pass auf, mein Bein..." "Totchi, bring mir mal bitte meine Kulturtasche aus dem Rucksack!", bat Shinya Toshiya, der so schnell wie möglich in das Zelt krabbelte und darin nach Verbandszeug suchte. Shinya hatte wirklich immer solches Zeug bei sich und diesmal konnten sie froh darüber sein. Kyo biss sich derweil vor Schmerzen auf die Unterlippe, als Shinya sein Bein desinfizierte und sicher verband. Kaoru, Die und Toshiya schauten hilflos zu. "Was hat dich denn da angefallen?", fragte Leader-Sama leise, doch Kyo zuckte nur mit den Schultern. "Kein Plan." "Von weitem haben wir schon gesehen, das da was in deine Nähe kam.", erwiderte Die daraufhin. "Ob das irgendein gefährlicher Fisch war?" "Scheint so. Aber dein Ball ist gerettet." "Ach Unsinn, scheiß auf den Ball, Junge!" Die half zusammen mit Kaoru Kyo beim Aufstehen und brachten ihn in das Zelt. Toshiya seufzte und blieb nachdenklich am See stehen. Dabei beugte er sich hinunter und ließ einen Finger in das Wasser tauchen. Ein dicker, schleimiger Ölfilm von rötlicher Farbe blieb daran haften und er zeigte Shinya seinen Fund. "Was ist das denn..?" "Irgendwie eklig, ne?" "Das sah doch vorher ganz anders aus." Kaoru schaute zu ihnen. "Was ist da?" Toshiya deutete wieder auf das wohl verseuchte Wasser, das nun auch einen ganz komischen Geruch annahm. Kaoru hockte sich runter, tauchte ebenfalls seine Fingerspitzen hinein und hielt sie prüfend an die Nase. "Riecht nach Öl... nach Motorenöl..." Shinya und Toshiya starrten ihn fassungslos an. "Öl?", fragte der Bassist und blickte wieder auf das fettige, schwarzrote Wasser. Kaoru nickte. "Hai. Als hätte hier jemand in Windeseile Tonnen von Öl reingekippt..." Der Wind heulte weiter durch die Bäume. Ein merkwürdiger Schrei, vermutlich der eines Kranich, hallte über ihren Köpfen wider und ließ Shinya kurz mit dem Atmen innehalten. Der See hatte sich nun verfärbt. Und das konnte sich niemand erklären. Entweder war das Wasser schon am Anfang so ölig und sie hatten darauf nur nicht geachtet, oder jemand verseuchte das Gewässer binnen fünf Minuten zu einem fettigen Tümpel. Das ging doch gar nicht. Nie im Leben, dachte Toshiya. Und ich habe mich sicher nicht verguckt. "Lasst uns gar nicht weiter darüber nachdenken, schauen wir nach wie es Kyo geht.", sagte Kaoru, worauf Shinya aufstand und in das Zelt kroch. Toshiya spielte am Lagerfeuer herum. Solange, bis Die zu ihm kam und sich daneben setzte. Er nahm einen Stock und fuchtelte damit im Feuer herum. "Hätte ich gewusst das Piranhas in so einem Gewässer hausen, dann wäre ich gar nicht erst rein gesprungen...", grummelte Kyo ärgerlich. Er lag gelassen auf Shinyas Schlafplatz, eingewickelt in einer dicken Decke während der Drummer ihm das Bein richtig hin plazierte. Ja. Da hast du Recht. Aber es wusste ja niemand von uns." "Blöden Viecher..." Kaoru prüfte voller Stolz die Taschenlampen und nahm Kyos nasse Klamotten entgegen um sie draußen zu trocknen. Langsam wurde es sichtlich düster draußen. Und Shinya machte sich nun noch mehr Sorgen. Den Urlaub konnte er nicht mehr genießen. Nicht, weil Kyo von einem vermutlichen Piranha angebissen wurde, sondern viel mehr wegen der Sache mit dem See, der sich in eine stinkende Ölpfütze verwandelte. "Wenn es sehr weh tut, musst du es sagen.", flüsterte Shinya lieb und streichelte Kyo einmal über die Schulter. Seltsam, dass er nicht von diesem komischen Wasser überzogen war. Es musste also nach seinem Unfall passiert sein, dass das Gewässer sich so veränderte. "Nö nö, geht schon!" "Bist du dir sicher?" "Hai. Bin hart im nehmen, weißt du doch." Shinya lächelte sanft und er glaubte Kyos Worten trotzdem nicht. Er wusste, dass ihr Vokalist tierische Angst hatte. Wie immer gab er es nicht zu. Aber Shinya versuchte eben so gut es ging, für Kyo da zu sein. Und während er ihm ein wenig Trost spendete, saßen Kaoru, Toshiya und Die draußen vor dem Feuer und machten sich über das Essen und den Alkohol her. Manchmal war der leichte Ölduft ganz wenig zu riechen. Toshiya wurde dabei immer schlecht. Die schien das auch zu merken, aber er dachte sich dabei wohl nichts. Viel mehr gruselte es ihn, ganz allein in einem Wald zu schlafen, den sie nicht einmal kannten. Rund um ihn herum war nichts. Und er könnte jedesmal in Panik ausbrechen, wenn er sich vorstellte, das irgendwie aus der Dunkelheit zwischen den Bäumen irgendwelche Lichter leuchteten. Manchmal war es sogar so schlimm, dass Die sich wegen jedem Geräusch sich zu irgend wem setzte, der nicht so viel Angst hatte. Und dieser Jemand war Kaoru. Ihr Leader-Sama saß nur mit einer Dose Bier am Lagerfeuer und inhalierte seine Zigarette. Nebenbei redete er mit Toshiya. Als die Dunkelheit sie nun ganz verschlang schaltete Shinya nach Kaorus Anweisungen die billigen Glühbirnen mit Akku an. Gut das sie einen Techniker dabei hatten. Okay, Kaoru war zwar kein Techniker aber er hatte die batteriebetriebenen Lampen installiert. "Wie lange halten die Dinger?", fragte Toshiya und deutete auf die Leuchten. "Weiß nicht genau, mir sagte man gut sieben Stunden mindestens. Waren aber auch teuer." "Hast wohl an uns gedacht, wie?" "Klaro!" Toshiya lachte, steckte Kaoru damit an und dann bemerkten sie erst Die, der kreideweiß im Gesicht war. Er saß dort, mit angewinkelten Knien und lauschte jedem Geräusch um sich. Sei es das Rascheln der Blätter oder das Rauschen des ekligen Sees. Irgend etwas erschreckte ihn immer. "Daidai, alles klar? Du siehst nicht gut aus!" Toshiyas Lachen kam recht unpassend. Die guckte düster und atmete langsam aus. "Nein, ich mach mir nur gleich in die Hose..." "Echt? ich muss auch mal!" Toshiya stand auf und forderte Die dazu auf mit ihm zu kommen. Der Rothaarige meinte das mit dem "in die Hose machen" eigentlich nicht wortwörtlich, doch er ging mit seinem Bandmember in das Nächstbeste Gebüsch, wo sie nur Dunkelheit sahen. Die schreckte auf, als er einen Ast übersah und ihn vor die Stirn bekam. Das Laub und die Stöcker knisterten unter seinen Füßen nach jedem Schritt und er suchte mit der Hand immer wieder nach Toshiya, den er nicht mehr sah. "Totchi, wo bist du?!", fragte er angespannt. "Hier!" Die stellte sich aufatmend neben ihn, öffnete den Gürtel seiner Hose und zog sie runter. Hinter sich sah er das Licht, welches das Zelt umgab, dann den Geruch des Lagerfeuers. Während er zusammen mit Toshiya sein Geschäft verrichtete drang plötzlich ein kleines, wimmerndes Geräusch in sein Ohr und jeder Muskel verkrampfte sich in seinem Körper. "Hast du das auch gerade gehört..?!", flüsterte er, doch Toshiya blickte ihn nur fragend an. Im Dunkeln sah er nicht wirklich sein Gesicht, aber er konnte sich vorstellen, das Toshiya nur leicht grinste. "Nee, was denn?" "Na das eben..." Die wartete noch kurz, bevor er seine Hose wieder zumachte und mit Toshiya langsam zurück durch das Laub watete. "Ich hab nichts gehört.", sagte Toshiya und hockte sich wieder strahlend zu Kaoru. Die setzte sich neben Shinya, der sich konzentriert einen halben, aufgespießten Apfel über dem Feuer röstete. Die Anderen mampften Dies großen Vorrat an Pfannkuchen. "Hat jemand Bock auf schöne Schaudergeschichten?", fragte Kaoru. "Nein!!", antworteten Shinya und Die gleichzeitig. "Warum nicht...?" Kaorus Frage klang so unschuldig, dass sogar Die grinsen musste. "Darum nicht. Allein hier zu sein, dreht mir den Magen um." "Na dann eben nicht!" Die wusste nicht, ob er den anderen erzählen sollte, was er da eben gehört hatte. Hinterher hielten sie ihn noch wahrlich für verrückt. Und er hatte selber noch nicht einmal eine Ahnung, ob er sich nicht auch täuschte und es dann doch Toshiya war, der irgend einen Laut von sich gab. War ja immerhin nicht selten. "Na da bin ich mal gespannt, wo Kao uns da hin geführt hat!", freute Toshiya sich angetrunken und drehte sich eine Zigarette. Shinya nahm den Apfel vom Feuer und begutachtete sein Meisterwerk. Vorsichtig biss er hinein, wich aber im nächsten Moment zurück, als er sich die Oberlippe leicht verbrannte. Toshiya und Die tranken in der nächsten dreiviertel Stunde ein gesamtes Sixpack leer, Kaoru bekam sogar auch etwas davon ab. Shinya gab sich mit seinem Mineralwasser zufrieden und sie vergaßen für einen Moment Kyo, der rammdösig im Zelt lag. Er lauschte dem Gelächter, das die anderen von sich gaben, ihre Freude die dadurch ausstrahlte. Aber eigentlich wollte er weg. Weg aus diesem Urwald. Die Piranhas haben ihm gereicht. Jetzt fehlten nur noch dicke Spinnen und nervende, krankheitsübertragende Moskitos. Shinya schoss im nächsten Moment ein Foto mit dem Handy von Toshiya und Kaoru, wie sie kuschelten. Dann eins mit Die, dessen bleiches Gesicht mit dem rötlichen Schimmer auf beiden Wangen sofort auf dem Bild auffiel. Der war nach Shinyas Meinung fast betrunken. Der Abend ging ganz lustig her, aber ohne Kyo fehlte da etwas. Der modrige Geruch des Waldbodens und des Ölsees wurde für Shinya zunehmend unerträglicher. Trotzdem ließ ihn das Gefühl einfach nicht los, total falsch in der Weltgeschichte gelandet zu sein. Und er dachte noch immer nach was es mit dem Ölfilm auf sich hatte. Vielleicht war er sogar der Einzige, der darüber nachdachte. 3 Die schlief am Lagerfeuer ein. Shinya schaute auf seine Uhr und sie zeigte ihm stolze halb eins. Die Nacht war still. Stiller, je ruhiger sie wurden. Toshiya und Kaoru schleppten Die mit viel Mühe in das Zelt und als Leader-Sama durch einen Stein ausrutschte, wachte der Gitarrist auf. Auch Shinya kroch vorsichtig hinein, legte sich neben einem zusammengerollten Kyo und deckte sich zu. Trotz des langen Pyjamas war ihm noch kalt, aber Kyos Körper strahlte Wärme aus. Toshiya musste loslachen, als er Dies verschlafene Miene sah und legte sich rechts neben Kyo. Kaoru gähnte lange und war noch dabei, sich auszuziehen. Ein schwarz-lila Jogginganzug tat's auch. Zum Schlafen war der gut genug. Toshiya schlief mit oben ohne, was Die schon einen künstlichen Würgereiz erbrachte, als er dessen behaarte Achselhöhlen sah. Der Boden auf dem sie lagen war sogar ganz bequem. Kaoru löschte nun noch das Feuer mit ein bisschen Sand, da von den Flammen selbst nicht mehr viel übrig blieb. Dann bestaunte er den Müll, den sie in so kurzer Zeit produzierten. Wahrlich unglaublich. Das Meiste lag natürlich da, wo Toshiya und Die saßen. Müde schlüpfte Kaoru dann durch den Eingang des Zeltes und legte sich leise nach außen, links neben Shinya. Kyo war inzwischen wieder aufgewacht und hatte ja vorher immerhin vier Stunden geschlafen. "Wie spät ist es...?", fragte er leise, als wüsste er, das die Anderen schliefen. Er hörte nur Toshiyas Glucksen und Die, der sich das Lachen verkniff. "Gleich zwanzig vor eins.", antwortete Kaoru, löschte das Licht und tippte noch ein wenig auf seinem Handy rum. In der Dunkelheit schaute er einmal über alle hinüber und leuchtete aus Spaß mit seiner Taschenlampe herum. Die, der ganz rechts außen lag, versteckte sich aus irgendeinem Grund mit Toshiya unter der Decke. Kyo lag nun mit erhöhtem Oberkörper, gestützt auf einem Arm, auf der Seite und lächelte ganz sanft, als er Kaorus Taschenlampe in das Gesicht bekam. "Aboo... ein Kyo!", kicherte Kaoru dumm und grinste als er Kyos niedliche, dunkle Augen sah. Shinya murmelte kurz und zog die Decke bis an das Kinn. Das Licht verriet Kaoru, dass ihr Drummer auch noch die Augen geöffnet hatte. Dann legte Kyo sich wieder hin und es nervte ihn neben Toshiya zu schlafen, der die ganze Zeit leise und dumm lachte. Das Rascheln ihrer Decken war zu hören. Kaoru knipste seine Lampe aus, tat sie an die Seite und Dunkelheit verschlang das gesamte Zelt. "Dusterkammer...", sagte er bedrohlich und legte sich hin, mit dem Kopf nach außen und drückte wieder auf seinem Handy rum. "Dusterkammer...", wiederholte Toshiya in seinem CMN-Akzent und kicherte mit Die in einer Tour durch. "Leader-Sama... in der Dusterkammer!!" Kyo rollte genervt die Augen, ignorierte aber das übelst blöde Gelächter ihres Bandclowns, der Die ständig mit in den Lachflash riss. "Wem schreibst du...?", fragte Shinya Kaoru leise. "Mi-Chan..." "Achso... und? Geht's ihr gut...?" "Hm..." Kaorus schwangere Freundin Mihiro blieb zu Hause in Osaka. Es war schwer sich von ihr zu trennen, aber ein Glück war es ja auch nur für eine Woche. Gähnend legte Leader-Sama das Handy weg und schmiss sich auf den Rücken. Für Shinya war es ungewohnt mit allen zu schlafen. Normalerweise pennten sie sonst nur in Hotelzimmern, wenn sie mal auf Tour alle zusammen waren. Und die plötzliche Stille rundherum war beunruhigend. "Toshimasa...!" Kaorus warnende Aufmerksamkeit ließ Toshiyas nerviges Gegluckse abbrechen und dann lachten er und Die drauf los. Kyo richtete sich wieder auf und zog dem Bassisten die Decke weg. "Was lacht ihr die ganze Zeit so dämlich?!" Anstatt zu antworten lachten Toshiya und Die nur noch mehr. "Toshimasa, willst du draußen schlafen?", fragte Kaoru locker. "Nein... Ich?? Die lacht doch auch! Immer bin ich allein Schuld!" "Dann sei ruhig... wir müssen morgen früh raus..." "Du meinst heute." "Wie auch immer... Oyasumi nasai." Kaoru kuschelte sich noch mehr in die Decke, schloss die Augen und ungefähr zwei Minuten später hörte er schon wieder, wie Toshiya sich das Lachen verkniff und fast lautlos kicherte. "Ey Die...", flüsterte er lachend. "Was haben eine Tüte Chips und Sex gemeinsam?" Die überlegte kurz. "Keine Ahnung." "Man kann nie aufhören bevor der Sack leer ist!!" Die Beiden lachten wegen eines dummen Sparwitzes los und hörten erst nach anderthalb Minuten wieder auf. "Ich kenn auch einen...!", nuschelte der Rothaarige. "Also: Ein wilder Mann rennt durch die Stadt, fickt alles was ein Arschloch hat, schick diese Nachricht dreimal raus, sonst kommt er bald zu Dir nach Haus! Wer ist der Mann?" Toshiya antwortete im flüsternden und lachenden Singsang. "Leader-Sama in der Dusterkammer..." Kyo seufzte genervt und als Kaoru mit Absicht räusperte, prusteten die beiden Nervensägen wieder los. "Was gibts denn da immer zu lachen...?!", fluchte Leader-Sama und richtete sich auf. Die wollte soeben anfangen zu sprechen, doch alles brach in einem Lachflash aus. "Wir...", begann er, kam aber nicht weiter, als Toshiya merkwürdige Lachgeräusche von sich gab. "Wir stellen uns grade vor... ahahahahah!!!" "Ich warte...", grummelte Kaoru ungeduldig. "Wir stellen uns gerade vor... wie es gewesen wäre... ahahahaha!!!" "Man jetzt haltet die Fresse mit euren asozialen Sparwitzen! Shin pennt schon...", mischte Kyo sich wütend ein und drehte sich zu Shinya um. Dieser lag bloß ganz entspannt da und gab nicht einen Ton von sich. Und wie aus dem Nichts räusperte Toshiya sich zur Erholung seines Lachkrampfes und legte sich wieder vernünftig hin. "Wir haben uns eben vorgestellt wie es wohl gewesen wäre, wenn die Piranhas nicht in Kyos Bein gebissen hätten, sondern an eine ganz andere Stelle!", schaffte Die mit Glucksen heraus und Toshiya fing wieder an zu lachen. "Ha ha, wie witzig... seid froh, das das euch nicht passiert ist!", motzte Kyo giftig. "...seid doch alle scheiße, ey..." Kaoru legte sich wieder hin, nach einer strengen Warnung an Toshiya, das er draußen im Regen schlafen könne. Und Die ebenso. Dann trat wieder die Stille ein. Shinya zog die Decke weiter über seinen Körper, sodass ein Teil auf seinem Ohr lag, als er sich umdrehte. Kyo schlummerte auch schon wieder leise. Der hellwache Drummer blickte direkt auf Kaorus Rücken. Leader-Sama atmete ruhig und nach gut zehn Minuten drang auch schon das erste Schnarchen in Shinyas Ohr. Ohne Zweifel imitierte Die gerade wieder eine Kettensäge nach. So konnte er doch erst recht nicht schlafen. Shinya erschrak kurz, als er ein ratschendes Geräusch an der Zeltwand vernahm. Dabei war es nur Toshiyas Hand, die dagegen schlug, als er sich wendete. Kyo rollte sich wieder zusammen. Langsam ertönten tropfende Geräusche auf das Zelt, leise Tropfen, die rasch lauter wurden. Es regnete. Shinya lag als Einzigster noch wach, blickte ungewiss im dunklen Zelt herum. Oder Kaoru vielleicht auch noch. Er war immer derjenige, der morgens am besten rauskam und bestimmt auch jetzt noch ansprechbar, auch wenn er döste. Und da Shinya nun nichts besseres zu tun hatte, schloss er die Augen und versuchte wenigstens ein bisschen zu schlafen, jetzt, wo er bestimmt über eine halbe Stunde wach lag. Frieren tat er nun nicht mehr. Kyo und Kaoru waren ziemlich warm. Doch sein Herz wurde immer wieder schneller, bei jedem Geräusch welches er vernahm. Er fragte sich, wie die Anderen nur so seelenruhig schlafen konnten. Neugierig hob Shinya seinen Kopf an, blickte über seinen Körper und sah aber nur eine Fußspitze. Musste Toshiyas Fuß sein, dachte er. Daidai trägt Socken im Bett. Shinya konnte einfach nicht schlafen, egal was er tat. Und das obwohl er total müde war. Der Regen prasselte nun laut und kräftig auf die Zeltdecke. Und dann schreckte Shinya wieder auf. Ein leises Heulen fuhr durch sein Gehör, das Heulen eines weinenden Kindes. Zitternd blieb der Drummer liegen und wartete ab, hatte die Hände fest in die Bettdecke gekrallt. Von den Anderen schien niemand dieses Weinen gehört zu haben. Als es erneut ertönte, stupste Shinya Kaoru an. Leader-Sama murmelte irgendwas Verschlafenes vor sich hin und drehte sich zu seinem Drummer um. "Hm...? Was denn...?" "Hörst du das nicht...?", fragte Shinya angstvoll und schluckte. Kaoru rieb sich die Augen und lauschte kurz. Das weinende Etwas konnte nun auch er hören. Fragend schaute er Shinya an. "Was ist das? Weint jemand da hinten von uns...?" "Nein, die schlafen alle..." "He Leute, wacht auf!", flüsterte Kaoru, beugte sich über Shinya und stupste Kyo leicht an. Dieser jedoch drehte sich auf die andere Seite, murmelte im ärgerlichen Ton vor sich hin und schlief weiter. Nun rüttelte Shinya Toshiya an, der müde gähnte und recht konfus ausschaute, als Kaoru mit seiner Lampe leuchtete. Das Heulen des "Etwas" wurde lauter und immer schmerzvoller. "Was ist denn jetzt...?", fragte der Bassist übermüdet im Halbschlaf und schaute Shinya an. "Sei mal leise und hör zu!", antwortete Kaoru, legte den Finger auf die Lippen und inzwischen war auch Die aufgewacht, der sich erstmal den Sabber vom Kinn wegwischte. Angewidert schaute er sich die Hand an, guckte danach aber seine wachen Bandmembers an. "Warum schlaft ihr nicht...?" Niemand gab ihm eine Antwort und er tat was die Anderen machten. Schweigend lauschte er dem unerträglichen Weinen des "Etwas" und bekam dabei große Augen. "Es ist nicht weit von uns weg...", flüsterte Kaoru und sah sich im Zelt um. Eine Ladung prasselnder Regen ließ sie alle innerlich aufschrecken. Nur Kyo schlummerte friedlich zusammengerollt zwischen Toshiya und Shinya. "Oh Gott, hör auf so zu reden, Kao!", fluchte der Schlagzeuger und zog die Decke über seine Schultern. "Ich hab Angst..." Toshiya beobachtete Shinya. Wie blass und müde er aussah. Sanft legte er seine Hand auf dessen Schulter und streichelte sie. "Du musst keine Angst haben, Shinya." "Totchi..." Als Shinya sich an den Bassisten schmiegen wollte, stieß er ausversehen an Kyos Stirn, der daraufhin aufwachte und mürrisch rum meckerte. Die wurde inzwischen ganz ruhig und Kaoru atmete angespannt ein und aus. So, als ahnte er etwas. Das Heulen draußen wurde lauter und schien immer näher zu kommen. "O-ob sich hier j-jemand verirrt hat...?", fragte Shinya stotternd und ließ sich von Toshiya wärmen. Kyo richtete sich unter ihnen auf, während im selben Moment ein langes eigenartiges Ratschen an der Zeltwand entlang fuhr. Sofort fuhr Kaoru rum und auch Die hatte das mitbekommen. "Was geht denn hier ab, verdammt?! Wer will uns da verarschen?!", rief der Rothaarige mit leichter Furcht in der Stimme, als sich zu dem merkwürdigen Heulen auch noch ein echtes Babygeschrei beifügte. Toshiya zuckte ebenfalls ängstlich zusammen und er sah, wie Kaoru ins Schwitzen kam. Das war nämlich bei Weitem kein Spaß mehr, wer auch immer da draußen rum lungerte. "Was immer es auch ist, es befindet sich auf jedenfall irgendwo um unser Zelt...", wimmerte Kaoru mit Todesangst. Kyo lauschte erneut und auch er fürchtete sich. Toshiya hielt Shinya nun ganz fest und sah sich panisch um. "Ich will hier weg...", flüsterte der Drummer und drückte Toshiyas Hand. Nach einer neuen Welle Regen, spürte der Bassist etwas Spitzes an seiner freien Schulter und ein greller Schrei durchfuhr die Stille, da Toshiya sich so sehr erschrocken hatte. Ob Die sich verguckte oder nicht, irgend etwas Schleimiges hatte die Zeltwand hinter Toshiya zerrissen und im selben Moment befand sich auch schon Kyo nach Kaorus Befehl draußen vor dem Zelt. "Raus hier!!!!!!", schrie Kaoru und folgte dem Sänger, gleich danach einen weinenden Shinya, der erstmal vor Panik über irgendwelche Klamotten stolperte. Toshiya wartete noch auf Die, der von dem Weinen der Kinder verfolgt wurde, dem das "Etwas" sein Schlafshirt von hinten zerriss. Sie rannten irgendwo hin, durch den Wald, irgendwo, wo nichts war. Kaoru vorne ran mit Kyo, einen nach Hilfe schreienden Shinya, der die ganze Zeit mal Toshiya, mal Die, mal Kyo, mal Kao schrie. Die legte sein schnellstes Tempo ein, rief immer wieder wartet und wartet, während Toshiya ihn schnell mit zog. Kaoru stoppte als erster nach ungefähr zwei Minuten vollem Sprinten, stellte sich an einen schwarzen Baum und suchte die Anderen. Er fand Kyo, der ebenfalls aus der Puste vor seinem Leader stand. Alles um sie herum war schlichtweg dunkel. Alles schwarz und ohne ein Licht. Schließlich fanden sie auch Toshiya und Die. Bloß Shinya war nirgends aufzufinden. Das Kindergeschrei war nun nicht mehr zu hören, nur das leise Rascheln der Bäume und das Tröpfeln des Regens. Das sie alle Matsche aus Laubblättern und Erde unter ihren nackten Füßen hatten, merkten sie gar nicht, so geschockt waren sie alle. "Shinya!" Toshiyas Ruf hallte zwischen den Bäumen wieder und Die stürzte sich hilfesuchend auf Kaoru, der den Gitarristen sogar im Arm behielt. "Totchi!! Ich bin hier!!" Shinya tapste verzweifelt durch die dunklen Birken und Steineichen und er schrie abermals panisch auf, als ihn etwas fest am Ärmel packte. "He, ruhig, ich bin's doch nur!", sagte Toshiya und nahm den völlig verängstigten und nassen Shinya erst einmal in die Arme. "Sind alle komplett?!", fragte Kaoru rum und jeder außer Shinya gab ein "Hai" von sich. "Shin ist auch wieder bei uns.", sagte Kyo. "Kami-sama, bei aller Liebe...", stöhnte Die und fing vor Kälte an zu zittern. "Da will uns doch jemand auf die Schippe nehmen..." "Da haben ganz viele Kinder geweint...", flüsterte Shinya unruhig. Toshiya hielt seinen klitschnassen Körper an sich, versuchte die kalte Haut zu wärmen. Kaoru legte verzweifelt die Hände in das Gesicht und seufzte. "Ich würde vorschlagen... das wir hier bleiben. Dauert nicht mehr lange b-bis es hell wird...", sagte er mit bebender Stimme und beobachtete mit schwachem Blick Kyo, der sich die Arme rieb und nach unten schaute. Dann setzte er sich schniefend in das nasse Gras, oder was auch immer sich da unter ihm befand. Toshiya hatte etliche Kratzer am Arm, die gerade anfingen zu schmerzen, da sie blind durch den Wald rannten, ohne Ziel wohin. "Ich will weg von hier..." Shinya hatte sich allmählich auch wieder beruhigt, konnte jedoch das Schreien der Kinder immer noch hören. Zwar nicht akustisch, aber dafür in seinen Gedanken. Kaoru ließ sich am Baum hinunter sinken und vergrub den Kopf zwischen die Knie. Dicke Regentropfen klatschten auf ihre Köpfe. Wie kleine Wasserfälle goss das Wasser aus den Baumkronen hinunter, ließ den matschigen Boden fast zu einer Schlammpfütze werden. Die mochte sich gar nicht vorstellen wie dreckig sie aussahen. Sein Hemd war zerrissen aber seine Gedanken waren so von Angst erfüllt, dass er nicht weiter darüber nachdachte, wer ihm sein Oberteil zerrissen hatte. Da spielte jemand mit ihnen. Und dieser Jemand fand wohl echten Gefallen daran, fünf berühmte Japaner in Angst und Schrecken zu versetzen. Doch wer sollte das schon sein? Wer sollte mitten in der Nacht, in einem Niemandsland von Wald hier irgendwelche Touristen belästigen und erschrecken? Kyo lehnte sich angespannt an Kaorus Schulter. Toshiya wich nicht eine Sekunde von Shinya, der sich schluchzend auf den Boden legte und den Regen auf sich fallen ließ. 4 Als der Morgen anbrach erwachte Kyo als Erster. Der Regen hatte aufgehört und inzwischen war der Boden wieder ein wenig getrocknet. Seine Augen ließen sich nur schwer öffnen und helles Sonnenlicht glitzerte durch die Baumstämme direkt in sein Gesicht. Vogelzwitschern war das erste, was er vernahm und dann bewegte er sich. Alles an ihm ließ sich noch bewegen, sogar sein verletztes Bein. Und Angst hatte er diese Nacht. Kyo war froh, endlich das Tageslicht zu sehen. Etwas bewegte sich hinter ihm. Eine Hand patschte direkt vor seine Nase, als er den Kopf nach rechts wandte. Kaoru hatte seinen Arm soeben erneut durch den Laubmatsch gezogen, das er jedoch nicht merkte, da er schlief. Kyo kicherte genüsslich, als er Leader-Sama da so süß liegen sah, mit offenem Mund halb am Schnarchen und mit total verwüsteten, nassen, dunklen Haaren. Dazu kam der schmutzige Jogginganzug, den er anhatte. Die Nacht war schrecklich. Schrecklich ungemütlich und kalt. Kyo spürte Halsschmerzen in seiner Kehle, als er kurz schluckte und sich dann langsam aufrichtete um sich umzusehen. Der größte Teil seines Körpers war ebenfalls mit Dreck beschmiert und er stieß mit einem gezielten Tritt Toshiya gegen Kopf. Der Bassist lag auf der Seite hinter Shinya, hatte den Arm um die Taille des Drummers gelegt und schlief immer noch wie ein Stein. Nach einem zweiten Tritt mit dem nackten Fuß wachte er dann doch auf und sah nach oben, wo ihn Kyos schmutziger Fuß begrüßte. "Mmh...", murmelte Toshiya und blinzelte, erhob sich leicht und rieb sich die Augen. "...o-hayô gozai-masu..." Dann fiel sein Kopf wieder in das Laub. Er wollte bloß schlafen. Kyo sah darin keinen Sinn den vom Schlaf zerknautschten Toshiya noch einmal zum Aufstehen zu zwingen, deswegen versuchte er es an Die. Dieser schnarchte nur so vor sich hin, sah einfach nur süß aus wie er pennte. Die sonst so roten Haare nahmen eine bräunlich-rote Farbe an, gemischt mit ein bisschen schwarz und hingen ihm wirr im Gesicht. "Daidai!", flüsterte Kyo freundlich und Die schlug sofort hellwach die Augen auf. "Nani?!" "Psssst..." "Kyo... was...? Boa hab ich übel gepennt..." Toshiya hatte das Flüstern der Beiden gehört und sah nun auch wieder hoch. Seine Augen fielen sofort auf Shinya, dessen Atmen er gar nicht sehen konnte. Panisch drehte er den Drummer auf den Rücken, worauf Shinya von der Sonne geblendet aufwachte. "Ein Glück du lebst!", sagte Toshiya hoffnungsvoll, worauf Shinya etwas konfus schmunzelte. Er atmete wohl so langsam, dass man es gar nicht sah. Und Toshiya hatte noch ein müdes Augenpaar, was am Morgen nicht so schnell alles einordnete. "Warum sollte ich nicht leben...?" "Nur so." Shinya lachte mit einmal fröhlich. "Was gibts zu lachen?", fuhr Toshiya ihn grinsend an und der Kleine zeigte auf dessen dunkelbraunes Haar. "Du siehst aus wie Kaoru als wir in Shang-Hai waren!" Toshiya überlegte kurz und dann fiel ihm ein, dass er eine Frisur wie ein Besen haben musste. Künstlich bedrückt strich er sich die Mähne einigermaßen runter. "Totchi, hast schön geschlafen bei Shin?", fragte Die grinsend, doch der Angesprochene gähnte nur und nickte danach gelangweilt. "Scheiße hab ich geschlafen... das sag ich dir..." Kaoru war der Letzte, der noch seelenruhig schlief und da Toshiya mal unbedingt wieder was zum Lachen brauchte, nahm er sich einen Stock aus der Matsche, rupfte die daran haftenden Laubblätter ab und krabbelte lautlos und vorsichtig zu Kaoru. Kyo und Die verkniffen sich krampfhaft das Lachen als Toshiya mit der Spitze des Stocks ganz langsam Kaorus rechtes Nasenloch berührte. "Totchi, hör auf...", gluckste Die ironisch und schlug sich die Hand vor den Mund um einen Lachflash zu verhindern. Kyo presste nur die Lippen aufeinander und während sich Shinya ausgiebig streckte, kicherte Toshiya selbst einmal kurz, bevor Kaoru sich weg drehte. Entäuscht beugte sich der Bassist trotzdem wieder über seinen Leader und kitzelte ihm wie vorhin die Nase. Shinya fand das zwar ziemlich gemein, ließ Toshiya jedoch trotzdem seine dummen Streiche spielen. "Meine Fresse, Toshimasa, bist du behindert?!??!!!" Alle lachten drauf los, als Kaoru ziemlich sauer aufwachte, fast Toshiya mit seiner Faust erwischte und sich sehr genervt fühlte. Angewidert rieb er sich die Nase und brachte damit Toshiya noch mehr zum Lachen als er es schon tat. "O-hayô gozai masu, Kaoru-sama!", rief Kyo und schlug ihm sehr fest auf die Schulter. "Ah man... ich hab schon so schlecht geschlafen..." "Und ich erst...", stöhnte Die. "Mein ganzer Rücken ist immer noch klitschnass..." "Da fragt man sich doch trotzdem, was das heute Nacht war..." Sie sahen alle zu Shinya, da er wieder mit dem Thema anfing. Kaoru streckte sich kurz und nickte dann. "Hai. Total bescheuert... wo sind wir eigentlich wie blöd hingerannt?", fragte er und er wusste, dass seine Frage genau so dämlich war, wie die Situation in der sie sich gerade befanden. "Kein Plan.", antwortete Toshiya, stand auf und klopfte sich das Laub ab. "Wir sollten auf jeden Fall wieder zurück gehen." "Spinnst du?! Und was ist wenn uns da wieder so etwas entgegen kommt?!" Shinya schaute ihn verängstigt an. "Willst du etwa deine Sachen dort liegen lassen?" "Iie... de mo..." "Na also dann!" "Irgendwie hat Shin-Chan da Recht.", sagte Die nachdenklich. "Aber ich möchte auch wissen, was jetzt aus unserem Unterschlupf geworden ist. Ob das noch ganz ist. Welche Irren das auf dem Gewissen haben!" Kyo sprang hoch und auch Kaoru rappelte sich so langsam auf. Seine Kreuzschmerzen setzten ein und das hatte ihm gerade noch gefehlt. Erst schlief er nur gute drei Stunden und dann kam so was wie Rückenschmerzen und verspannte Muskeln. Vielleicht sollte er Shinya später um eine Massage bitten. Der konnte das immer gut. "Toll... jetzt müssten wir nur wissen aus welcher Richtung wir kamen." "Überlasst das mir!" Toshiya grinste angeberisch und kletterte mit einem Satz hoch auf den dicken Ast eines Baumes. Der Rest schaute zu ihm hinauf und der Bassist traute sich doch tatsächlich bis fast an die Spitze zu kraxeln. "Tosh, pass auf das du nicht fällst!", rief Die hoch. "Wir brauchen dich noch!" "Hai, und ich brauch einen Kaffee.", sagte Kaoru und kratzte sich im Nacken. Shinya schaute gespannt nach oben, wie Toshiya über die Blätter stieg und irgendwann stehen blieb. Kyo spuckte einmal ins Gras und verschränkte die Arme. Er kam sich vor wie ein Obdachloser. Mit freiem Oberkörper in einem Wald herum zu rennen, schmutzig und schuhlos. Seine Haut juckte teilweise von der Nässe und seine Haare waren strohig. Ein Bad wäre jetzt das Schönste. Kaoru beobachtete wie Die Shinya von hinten einmal durch knuddelte. Der Drummer wandte überrascht seinen Blick von Toshiya ab und lächelte, als er die rote Mähne des Gitarristen in das Gesicht bekam. "Heureeeekaaa!! Ich häng fe-heest!" Die löste sich von Shinya und sah mit den anderen zum Echo herauf. "Was??!", rief Kaoru und versuchte einen Blick durch die Blätter zu bekommen, von wo aus Toshiya sie eben gerufen hatte. "Ich komm nicht mehr runter! Mein Bein steckt fest!" Kyo legte verzweifelt die Hand an die Stirn, als er mitbekam, dass Toshiya sich im Baum verhakt hatte. Typisch. Woher wusste er nur, das so etwas kam? "Ja, und jetzt?!" Kaoru stellte sich dichter an den Stamm. Toshiyas dummes Lachen war zu hören, doch er sah ihn fast gar nicht wegen all dem Grün. "Woher soll ich denn das wissen? Lasst euch was einfallen aber beeilt euch, denn ich kann mich nicht mehr lange halten!!" "Hör wenigstens auf so blöd dabei zu lachen, du Vollidiot!", brüllte Kaoru humorvoll zurück. Shinya rückte ebenfalls an den Baumstamm und packte Toshiyas Ferse, die er gerade noch so erreichen konnte. "Es ist nicht hoch, lass los, ich fang dich auf!" "Wie?! Wer fängt mich auf?! Shin?!" "Ist doch egal, nun mach schon!" "Wirklich?!" "Hai!" "Okay, aber wehe ich brech mir gleich das Genick!" Shinya seufzte. "Vertraust du mir oder nicht?" "Jaja, ist gut! Aber pass bloß auf!" "Hälst du mich für einen Schwächling?!" Ohne eine Antwort darauf ließ Toshiya sich fallen und landete direkt in Shinyas Armen, der ihn mit aller Kraft trug. "Wuah, Shinya!!" "Alles klar?" Die klatschte applaudierend in die Hände, als Shinya Toshiya hinunter ließ. "Shin, das war super!", kam es von Kaoru und bei diesen Worten hätte Kyo kotzen können. Leader-Sama legte den schleimigsten Ton aller Zeiten auf. "Und? Gabs da oben was Schönes zu sehen?" "Hai.", antwortete Toshiya. "Der See befindet sich in dieser Richtung. Ist nicht so weit, einfach da gerade aus." "Gut. Dann gehen wir. Ich hoffe mal du führst uns nicht in die Irre..." "Hey Kao! Vertrau mir doch einmal!" "Ist ja gut..." Mit immer noch ein wenig Angst in den Adern stiegen sie durch die Gräser und bahnten sich den Weg zu ihrem Zeltlager. Shinya wurde der Gedanke an die merkwürdigen Geräusche einfach nicht los. Und Kaoru schien auch noch total verstört zu sein, was man ihm auf den ersten Blick gar nicht anmerkte. Angeblich hatte er sogar etwas gesehen. Genau, das "Etwas" hatte er gesehen. Kaoru verhielt sich seltsam. Er freute sich riesig über die aufgehende Sonne, die zwischen den Baumstämmen hervor glitzerte. Die ging ihm nämlich sonst am Arsch vorbei. Auch das Wetter schien wärmer zu werden. Das spürte Shinya. Die und Kyo fassten als erste den Mut und traten durch das Gebüsch, erblickten das Zeltlager. Der See vor ihnen, in dem Kyo von irgend etwas Merkwürdigem gebissen wurde, schimmerte herrlich wegen all dem Sonnenlicht. Kleine Vögel zwitscherten auf den Ästen über ihnen und alles schien auf den ersten Blick wunderbar idyllisch. Nur als Die näher an das teilweise kaputte Zelt heran trat, stockte ihm der Atem. Tote Vögel, deren blutige Herzen ausgerissen waren, lagen an vielen Stellen herum. Schwarze Vögel, schwarze Krähen. Federn zierten den vorher sandigen Boden und Kyo hob vorsichtig die Wasserflasche von Shinya hoch. Das Wasser darin war schleimig und rötlich und die darin gefangenen dicken Fliegen summten gegen die Wand der Flasche. Angeekelt ließ er sie fallen und forschte mit Die und Kaoru weiter. "Ach du heilige Scheiße...", begann Leader-Sama, als er den Vorrat an Nahrungsmitteln prüfte, den sie mit hatten. Der größte Teil war so verdorben, dass Die sich die Nase zuhielt. Kaoru ließ das schlechte Essen wieder angewidert in die Tasche fallen und auch Shinya bekam einen Würgereiz, als er die blutbeschmierten Decken sah. Toshiya fand Kaorus Handy, auf denen acht ungelesene SMS aufblinkten. "Hier.", sagte er und übergab seinem Bandleader das Sony Ericsson. Dieser prüfte sofort seinen Posteingang und wusste, das jede Nachricht von Mihiro kam. Shinya fand seinen Rucksack, in denen er Klamotten drin hatte. Die waren allerdings noch alle ganz sauber, sowie den Rest an Pflegemitteln, die er mit nahm. "Ist das ekelhaft...", sagte Kyo sichtlich angewidert, als er die schleimigen, verklebten Kissen betrachtete. "Verdammt nochmal, wer hat sich hier diesen behinderten Scherz erlaubt?!" "Kyo bleib mal ruhig-", fuhr Kaoru ihn an. "Unser gesamtes Proviant ist im Arsch und du sagst ich soll ruhig bleiben?! Fick dich!" "Kyo bitte!", mischte Shinya sich ein. "Wenn wir uns jetzt aufregen, bringt das rein gar nichts..." Und plötzlich fing auch Kaoru an zu fluchen. "Okay, alles klar! Mein Handy hat kein Empfang mehr!" "Meins auch nicht.", fügte Toshiya hinzu, als er auf seinem Nokia rumtippte. Für Shinya galt das Gleiche. Er hob aus dem nassen Gras ein paar seltsame Zettel heraus und bekam fast einen Heulkrampf, als er das sah, was er eigentlich nicht sehen wollte. Der Kleine ließ die Stücke wieder verzweifelt in das Gras fallen, denn er wusste, dass ihre Routenkarte so gut wie hin war. Kein Handy, nirgendswo Telefonzellen, keine Schilder, und nun auch keine Karte mehr. Die Farben waren auf dem Papier nicht mal mehr zu erkennen. "Shinya, was ist los mit dir?", fragte Toshiya und hockte sich zu ihm hinunter. "Wir haben keine Karte mehr." "Wa- echt jetzt?" "Hai, das ist davon übrig geblieben..." Toshiya schaute verachtend die Stücke der Routenkarte an und fing ebenfalls an zu fluchen. Sollte er sich Kaoru und Kyo zu gesellen. Leader-Sama packte die restlichen Sachen die noch übrig waren zusammen und verstaute sie in eine andere Ecke, wo nichts Totes mehr lag. Das Zelt konnten sie eigentlich so gut wie wegschmeißen. Und da bemerkte Kaoru auch schon, dass Die außer Sichtweite war. "Daisuke!! Daisuke Andô!!" "Halt die Luft an, ich bin hier hinten! Schnell, nehmt eure Sachen mit ich hab was gefunden!!" Die hörte sich recht vielversprechend an und sofort packte Kyo seine Klamotten, wartete auf seine übrigen Kumpels und ging in die Richtung, aus der der Gitarrist gerufen hatte. Shinya machte es sich wirklich schwer. Er dachte zuviel nach. Welcher Mensch kam auf so eine Böse Idee, all ihre Ferien zu versauen? Was sollten diese gruseligen Andeutungen? Nichts ergab einen Sinn. Gar nichts. "Shinya?" Der Drummer drehte sich um und schaute in Toshiyas schimmernde braune Augen. "Hm?" "Du brauchst keine Angst haben. Ich bring dich von hier weg, okay?" Shinya nickte nur schwach und dann folgte er Kaoru und Kyo. Die winkte ihnen von Weitem aus zu und sie fragten sich, was er dort hinten zu suchen hatte. Den Rest ihres Gepäcks ließen sie am See stehen. Sollen sich doch die Tiere an unserem Essen vergehen, dachte Kaoru ärgerlich und er spürte schon wie sein Magen knurrte. Immerhin hatte er seit gestern Mittag nichts mehr gegessen. Der Alkohol im Blut tat ihm nicht gut. "Guckt euch das Hammerteil an!", rief Die und deutete auf ein großes Haus. Okay, so groß war es nicht. Und es sah eher aus wie ein Tempel, der von Bäumen versteckt war. "Was ist denn das?", fragte Kyo und legte sich die Hand über die Augenbrauen, damit ihn die Sonne nicht in die Augen stieß. Das Warumono hatte wahrlich Glück, dass sein Hut noch ganz war. "Das ist... heey, das ist unsere gesuchte Ferienhütte!!", freute Toshiya sich und hüpfte vor Freude in die Luft. Glücklich sprang er jubelnd von hinten auf Dies Rücken, der ihn erst mal kurz tragen musste. "Sieht wirklich ganz so aus!", lächelte auch Kaoru. Nur Shinya blieb skeptisch. "Warum... warum haben wir sie vorher nicht... gesehen...?" Kyo und Kaoru schauten den Drummer fragend an. "Vielleicht weil es gestern zu dunkel war...", antwortete das Warumono schulterzuckend. "Hm... ich weiß nicht..." "Scheiß doch drauf, Hauptsache wir haben das Ding gefunden und kann mich jetzt wenigstens warm duschen!" Kyo rannte erfreut Die und Toshiya hinterher. Die Hütte war nicht ganz so weit weg, wie sie erst dachten. Der Hang führte nach oben und das Laub war noch immer leicht rutschig. Frische Spätsommerluft füllte ihre Lungen und langsam wurde auch Shinya wärmer. Die Vorstellung in einem Haus schlafen zu können, machte ihn froh und so ging es auch den Anderen. Jetzt waren sie gerettet, vor den Irren da draußen, die ihren Urlaub zu vermiesen versuchten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)