Für die Liebe ist es nie zu spät... von Phase (EnricoxOliver) ================================================================================ Für die Liebe ist es nie zu spät... ----------------------------------- Für die Liebe ist es nie zu spät Nachdenklich stehst du am Fenster. Du spiegelst dich in der Scheibe, beachtest das aber gar nicht. Du wirkst abwesend, nachdenklich; schon die ganze Zeit. Ich habe dich beobachtet. Du bist so, seit du hier angekommen bist. Völlig distanziert. Ich weiß nicht genau, was in dir vorgeht, aber ich frage mich, warum nicht wieder alles so wie früher sein kann. Früher, als wir noch die besten Freunde und gemeinsam in einem Team gewesen sind. Nun ist alles anders. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Wir sind erwachsen. Unsere Freundschaft ist Jahre her und trotzdem sehne ich mich nach deiner Nähe. Wieso? Mein Blick schweift nach draußen und ich sehe, was du dir anschaust. Auf dem Rasen spielen unsere Kinder, daneben steht einer meiner Diener, der aufpasst, dass den Beiden nichts passiert. Bei der Scheidung bekam ich das Sorgerecht für meinen kleinen Sohn Antoine zugesprochen, weil ich, dank des Ehevertrages, fast den gesamten Besitz behielt und mich außerdem auch recht gut um ihn kümmerte. Evelyn hatte sich von mir getrennt, weil sie der Überzeugung war, dass ich sie nicht mehr liebe. Natürlich hatte ich versucht es ihr auszureden, aber letzten Endes war es sowieso egal, ob sie mir glaubte oder nicht; denn ich hatte sie in der Tat nie wirklich geliebt. In meinem Leben hatte es immer nur eine Person gegeben, der mein Herz gehörte. Und nun stehe ich hier, frisch geschieden, mit dir in meiner Nähe. Deine Tochter ist fast zwei Jahre jünger als Antoine, aber trotzdem verstehen sich die beiden gut. Vielleicht haben sie später einmal mehr Glück als wir beide. Erst jetzt fällt mir auf, wie niedergeschlagen du aussiehst. Ich weiß nicht was los mit dir ist. Wären wir noch die Jungen, die wir früher gewesen sind, hättest du mir bestimmt schon alles erzählt. „Ich werde mich scheiden lassen“, sagst du nach einer Weile mit fester Stimme und ich blicke dich überrascht an. Obwohl ich wohl eigentlich entsetzt sein oder zumindest auf irgendeine Art negativ reagieren müsste, freue ich mich. Es ist nicht sonderlich fair oder rücksichtsvoll sich über so etwas zu freuen, aber ich kann nichts für meine Gefühle. „Wieso?“, frage ich leise und versuche betroffen zu klingen. Ist das der Grund deines Besuches? Willst du mit mir reden, weil ich selbst gerade eine Scheidung hinter mir habe? „Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich halte es einfach nicht mehr aus“, du schließt deine Augen und lehnst dich mit deiner Stirn gegen die kühle Fensterscheibe. Nachdenklich blicke ich dich an, doch du schweigst. „Was hältst du nicht aus?“, erkundige ich mich, wobei ich ein paar Schritte zu dir hingehe und, wie du es vorher getan hast, den beiden kleinen Kindern beim Spielen zuschaue. Du lächelst und seufzt leise, ehe du deine Augen wieder aufschlägst und mich anblickst. „Ich liebe sie nicht. Warum lebe ich seit fünf Jahren mit einer Frau zusammen, die ich nicht liebe? Die Frage schoss mir immer wieder durch den Kopf.“ Nur zu gut kenne ich das Gefühl, das du meinst. Man fühlt sich leer und hoffnungslos aber irgendwie auch dazu verpflichtet, weiterhin die Ehe aufrecht zu erhalten. Ich selbst hatte oft überlegt, was ich Evelyn wohl damit antat, wenn ich ihr den liebenden Mann vorspielte, aber gar nichts von ihr wollte. Ob es dir mit Gina ähnlich erging? „Wo ich doch seit Jahren jemanden anderen liebe, der keinen Platz für Gina lässt...“ Erschrocken blicke ich dich an, doch du meidest meinen Blick. Du weißt nicht, was für Schmerzen du mir mit dieser Aussage bereitet hast. Du weißt nicht, wie schmerzhaft es ist, von demjenigen, den man liebt, zu hören, dass es da irgendwen anderes gibt. Ein Stich durchs Herz. Die Wahrscheinlichkeit, dass du meine Leibe erwiderst ist gering. Sehr gering sogar. Enrico, der Frauenheld, ist nicht schwul; und du bist nun mal leider Enrico. Meine Liebe zu dir basierte schon immer auf einer gewissen Unmöglichkeit. Du zögerst einen Augenblick, ehe du weitersprichst und ich versuche verzweifelt meine Wut zu unterdrücken. Die Wut, dass ich wohl für den Rest meines Lebens mit einer einseitigen Liebe werde leben müssen. „Ich habe in der Zeitung von deiner Scheidung gelesen. Ich dachte mir, dass es vielleicht eine gute Chance wäre.“ Dein Blick, mit dem du mich musterst, ist berechnend. Fast so, als bist du dir nicht sicher, fast so, als ob du nicht weißt, wie viel du erzählen kannst. Durch dein Verhalten weckst du meine Neugierde, denn du hast dich, seit wir uns kennen, noch nie so seltsam verhalten. „Oliver, sag mir bitte, über die Jahre, die wir uns jetzt nicht gesehen haben... Hasst du mich inzwischen, weil ich mich nie gemeldet habe?“ Ich selbst hatte die Distanz gesucht, um dich zu vergessen, Enrico. Hast du das nie bemerkt? Leider ist es mir nie gelungen, dich aus meinem Herzen zu vertreiben. Langsam schüttle ich den Kopf. „Wieso sollte ich dich deshalb hassen?“ Ein erleichtertes Lächeln huscht über dein Gesicht. „Dann bin ich beruhigt“, meinst du und wendest dich ab, so, als wäre unser Gespräch beendet. Du bist anscheinend tatsächlich der festen Überzeugung, dass das Gespräch beendet sei. „Hey, Enrico! Was soll das? Zuerst fragst du seltsame Dinge und dann gehst du einfach?“ Du drehst dich nicht mal um, als du mir antwortest, wahrscheinlich hast du nicht vor lange zu bleiben. „Weißt du, Oliver... Die ganzen letzten Jahre habe ich Abstand gesucht. Ich bin mit dem Gedanken nicht klargekommen, dass...“, ohne Grund brichst du ab. „Dass was?“, frage ich streng. Ich will jetzt eine Antwort! „...dass du verheiratet bist“, beendest du deinen Satz und ich blicke dich verwirrt, aber auch mit leichter Hoffnung an. Ist meine Liebe doch nicht einseitig? Immer noch meidest du es, dich zu mir zu drehen und mein Herz klopft immer schneller, weil ich mir die sinnlose Hoffnung mache, dass du vielleicht doch etwas für mich empfinden könntest. Ich gehe ein paar Schritte auf dich zu, doch du rührst dich nicht vom Fleck. „Was meinst du damit?“, frage ich vorsichtig. Ich habe zwar eine Vermutung, aber ich will mir nichts einbilden oder am Ende sogar etwas falsch auslegen. Du sollst nicht über mich lachen, falls ich von nun an mit einer falschen Sicht der Dinge durch die Gegend gehen sollte. Du seufzt leicht genervt auf, denn du scheinst nicht gerne über deine Gefühle sprechen zu wollen. Hast du Angst, dass ich dich auslache, wenn du mir die Wahrheit erzählst? „Vergiss es einfach wieder, Oliver“, sagst du, und setzt dich wieder in Bewegung. „Warte...“, murmle ich leise, diesmal bleibst du jedoch nicht stehen. „Ich... Ich habe geheiratet, weil... ich dich vergessen wollte.“ Schlagartig bleibst du wieder stehen, doch diesmal drehst du dich um. Ich sehe dir deine Ungläubigkeit und deine Zuversicht deutlich an. Um genau zu sein, weiß ich nicht, warum ich ausgerechnet in diesem Augenblick mit einem halben Liebesgeständnis beginne. Vielleicht, weil ich befürchte, dass sich unsere Wege erneut trennen. Aber ich bin mir sicher, dass es besser ist, wenn ich weiterspreche, anstatt dich beschämt anzuschweigen. „Verflucht noch mal, keinen klaren Gedanken konnte ich mehr fassen, weil ich ständig nur an dich gedacht habe! Ich war der Überzeugung, dass wenn ich Abstand nehme und versuche, nicht mehr an dich zu denken, in dem ich eine Ehe eingehe... ich auch nicht mehr für dich empfinden würde. Du warst der Frauenschwarm, ich nur ein Junge, der sich unglücklich in seinen besten Freund verliebt hatte. Ich konnte es dir nicht sagen, du hättest mich ausgelacht.“ Dein Kinn klappt nach unten und du starrst mich völlig durcheinander an. „Was hast du da gesagt?“, fragst du und deine Stimme zittert leicht. Ich zögere. „Ich liebe dich, Enrico.“ Du öffnest den Mund um etwas zu sagen, bringst jedoch keinen Ton heraus. Nervös lächle ich und hoffe, dass du mich jetzt nicht auf alle Zeit meiden wirst. Schweigend stehen wir uns gegenüber, ehe du wieder das Wort ergreifst. „Oh mein Gott, Oliver, hätte ich das doch nur eher gewusst...“ Du kommst auf mich zu und ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt, wie es in meinem Bauch anfängt zu kribbeln und wie ich vor Nervosität feuchte Hände bekomme. Ich bin mir sicher, dass du mich verstanden hast, deine Reaktion zeigt mir, dass du ähnlich empfindest. Wirst du mich jetzt küssen? Es wäre eine wahnsinnig schöne Vorstellung; aber draußen spielen immer noch die Kinder. Ich überlege, wie ich ein Kind groß ziehen solle, mit dem Wissen, dass ich schwul bin und es niemals eine Ersatzmutter bekommen wird. Evelyn hatte sich zwar selbst nie sonderlich viel um Antoine gekümmert, da sie lieber Einkaufen gegangen war, aber jedes Kind braucht eine Mutter. Ob du gerade das Gleiche denkst? Inzwischen bist du mir recht nah und du schaust mir tief in die Augen. Ich komme mir vor wie in einem dieser dämlichen Liebesfilme, aber so empfinde ich nun mal. Nach und nach verabschiedet sich mein klares Denken; Es ist doch egal, ob ich nun ein Kind habe oder nicht. Alles was ich im Moment haben will, bist du, Enrico! Deine Nähe, ich will deinen Körper fühlen... Du schließt deine Augen, näherst dich langsam mit deinem Gesicht dem meinen. Ich kann deinen Atem auf meiner Haut spüren. Vorsichtig drückst du mich gegen die Wand neben dem Fenster und ich schlinge meine Arme um deinen Hals, ehe ich ebenfalls meine Augen zu mache. Unsere Lippen berühren sich leicht, ehe ich auch nur damit rechne und ein wohlig warmes Gefühl breitet sich in mir aus. Deine Lippen sind sanft und weich... Zärtlich legst du deine Hände um meine Hüften und ich wünsche mir, dass dieser Moment nie aufhört. Zu lange habe ich darauf gewartet, viel zu lange. Fast mein halbes Leben lang... Geistesabwesend sitze ich an meinem Schreibtisch und starre aus dem Fenster. Ein Lächeln liegt auf meinen Lippen, während ich an unser Treffen vor zehn Tagen zurückdenke. Es war eine schöne Zeit. Wir hatten letzten Endes miteinander geschlafen und die Tatsache, dass du dich gerade scheiden lässt, macht mich glücklich. Vielleicht haben wir jetzt doch noch eine Chance, gemeinsam ein glückliches Leben zu führen. ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)