Ich hab dich gern von Kishi (Eine Kurzgeschichte) ================================================================================ Ich hab dich gern ----------------- Ich hab dich gern Der Tag war überaus lustig gewesen. Nachdem sie zu dritt in der Innenstadt unterwegs gewesen waren und anschließend zusammen gesessen und einen netten Abend gemacht hatten, machten sich die beiden gegen halb zehn vom Dritten im Bunde auf den Weg nach Hause. Da sie den ganzen Tag mit seinem Auto unterwegs gewesen waren, bot er ihr an sie nach Hause zu fahren. Sie nahm dankend an. Der Himmel war mit Regenwolken zugezogen und es dämmerte bereits. Als sie losfuhren erinnerte sie ihn daran das Scheinwerferlicht anzumachen. „Warum?“, antwortete er und sah sie fragend an. Sie schaute zurück, denn diese Antwort hatte sie nicht erwartet. „Na, weil es dunkel ist“, erwiderte sie und schaute aus dem Autofenster. Er lachte kurz auf. „Es ist doch nicht dunkel. Es dämmert nicht einmal“, entgegnete er und ließ das Licht aus. Sie sah ihn kurz an und bat ihn noch einmal. Doch das Licht blieb aus. Als die Stimmung nach der dritten Anfrage zu kippen drohte, gab sie es auf. Der Tag war so schön gewesen und sie wollte ihn nicht mit einem sinnlosen Streit enden lassen. Ein paar Minuten nachdem sie losgefahren waren, fing es stark zu regnen an. Er schaltete das Licht ein. Sie nahm es erleichtert zur Kenntnis, sagte aber weiter nichts dazu. Auch er schwieg. Und wenn er doch hin und wieder etwas sagte, dann klang es nicht weiter vorwurfsvoll. Dennoch fühlte sie sich ein wenig unbehaglich, denn das Letzte, das sie wollte, war ihn zu verärgern. Sie hatten sich an diesem Tage so gut verstanden, dass ihre Gedanken sich wieder darum drehten ihm irgendwas zu sagen. Irgendetwas. Irgendetwas Nettes. Sie schwieg auch deshalb, weil sie in Gedanken ihre eigenen Gespräche führte. Die ganze Fahrt über machte sie sich Gedanken, während der Regen gegen die Fensterscheiben klatschte. Als sie dann schon in ihre Straße einbogen fühlte sie sich noch unbehaglicher und ihre Gedanken rasten geradezu. Was sollte sie tun? Der Wagen hielt vor ihrem Haus. Sie starrte einen Moment lang durch das Fenster und den Regen zu ihrer Haustür. Sollte sie etwas sagen? Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, streckte er ihr die Hand entgegen und verabschiedete sie. Beinahe wie in Trance drückte sie seine Hand, murmelte ein Dankeschön und stieg aus. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren schloss sie die Autotür hinter sich. Sie trat auf den Bürgersteig und sah ihm nach als er los fuhr, während der Regen auf sie niederprasselte. Ihre Gedanken waren leer. Nur dieses Gefühl war da. Dieses Gefühl, für das er verantwortlich war. Sie starrte noch eine ganze Weile in die Richtung, in die er verschwunden war, und ignorierte dabei den Regen, der sie nach und nach durchnässte. Nach ein paar Minuten tastete ihre Hand wie automatisch zu dem Autoschlüssel in ihrer Hosentasche und ehe sie sich versah, ging sie schnellen Schrittes zu ihrem Wagen, setzte sich hinter das Steuer und fuhr los. Fast von allein fand der Wagen seinen Weg durch den immer noch andauernden Regen, während sie damit beschäftigt war, sich von ihrer Aufregung und ihrem Herzklopfen nicht beeinträchtigen zu lassen. Wenige Minuten später hielt der Wagen wieder. Sie schaltete den Motor aus, lehnte sich zurück und atmete erst einmal tief durch. Sie sah auf die Uhr. Zehn Uhr. Ihr Blick schweifte zu den Parkboxen auf der anderen Seite der Straße zu ihrer Linken und entdeckte sein Auto. Dann blickte sie nach rechts zu seiner Haustür. Alles war ruhig, nur der Regen, der auf ihr Auto klatschte, war zu hören. Schließlich stieg sie aus. Das Herz klopfte ihr bis zum Halse. Mit einem Blick nach oben konnte sie in der dritten Etage Licht aus seinem Zimmer nach draußen dringen sehen. Sie ging um ihren Wagen herum zur Haustür des Mehrfamilienhauses. Ihre Augen fanden sofort seinen Namen auf den Schildern der Klingeln. Sie starrte seinen Namen an. Alle möglichen Gedanken und Gefühle wirbelten durch ihren Kopf, aber sie konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen. Unruhig lief sie vor der Tür auf und ab. Dann blieb sie stehen und hob ihre Hand zur Klingel. Doch alles was sie tat war mit ihren Fingern über das Namensschild zu streichen, dann sie weigerten sich es zu drücken. Sie ging ein paar Schritte zurück und starrte die Haustür an. Nervös verlagerte sie ihr Gewicht von einem Bein auf das andere. Was war so schwer? Warum war sie zu feige? ‚Warum?’ fragte sie sich wieder und wieder und spürte schließlich wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie versuchte sie zurückzuhalten, aber als sie doch über ihre Wangen liefen, hielt sie es nicht mehr aus, lief durch den Regen zurück zu ihrem Auto und startete den Motor. Doch wohin? Wohin fahren? Ihre Gedanken rasten. Irgendwo hin. Nur weg von hier. Nicht alleine sein. Sie überlegt kurz, bevor sie sich entschloss loszufahren. Sie brauchte jemandem, mit dem sie reden konnte. Unter Tränen und im Regen suchte sie sich den Weg zum Hause eines sehr guten Freundes. Er würde ihr sicher helfen und sie nicht allein lassen. Sie hielt vor seinem Haus an und schaute durch die Frontscheibe hinüber. Enttäuschung überkam sie. Kein Licht. Kein Auto. Er war nicht da. Ein neuer Fluss Tränen rann über ihr Gesicht. Sie wendete den Wagen und fuhr wieder weiter. Ihr fiel niemand anderes in der Nähe ein, der ihr jetzt helfen konnte. So hielt sie erst wieder zuhause. Ohne zu überlegen betrat sie ihre Wohnung, schnappte sich das Telefon und wählte die Nummer ihres guten Freundes. Aber das andere Ende blieb stumm. Er war tatsächlich nicht da. Ein kleines Fünkchen Hoffnung hatte sie noch gehabt. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und eine Zeit lang war nur ihr Weinen zu hören. Nach einer Weile hatte sie sich einigermaßen zusammengerissen, setzte sich an ihren Schreibtisch und schaltete ihren PC ein. Die Uhr zeigte zweiundzwanzig Uhr dreißig. Vielleicht war jemand ihrer Freunde online, mit dem sie etwas reden konnte. Denn irgendjemanden brauchte es jetzt. Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass ihr alter Schulfreund, mit dem sie den Tag verbracht hatten, online war. Sie schrieb ihn an und bereits nachdem sie nur wenige Worte gewechselt hatten, hatte er herausgefunden, dass etwas nicht stimmte. Besten Freunden kann man eben nichts vormachen. Ihre Finger begannen zu tippen und erzählten ihm dankbar, was seit ihrer Rückfahrt passiert war. „Warum bin ich so feige?“, schrieb sie, während doch wieder Tränen über ihre Wangen liefen. „Weißt du, du musst dir klar darüber werden, ob du es wirklich willst“, erschien seine Antwort auf ihrem Bildschirm. Sie wusste nicht genau, was er damit meinte, aber was auch immer es war, in diesem Zusammenhang wollte sie alles. „Natürlich will ich. Sonst würde es mir nicht so gehen, wie es mir jetzt geht, oder?“ „Dann fahr noch einmal hin und sag es ihm dieses Mal!“ Sie starrte auf den Bildschirm. Noch einmal hinfahren und es ihm sagen? Zunächst hielt sie diesen Gedanken für lächerlich. Aber je länger sie darüber nachdachte desto mehr musste sie sich eingestehen, dass er gar nicht so unrecht hatte. Ihre Finger ruhten einen Moment auf der Tastatur, bevor sie sich wieder regten. „Noch einmal hinfahren? Meinst du?“ „Du musst wissen, was du willst“, erwiderte er. Wieder hielt sie inne. ‚Was ich will?’ Plötzlich spürte sie wie ihr Herz wieder schneller anfing zu schlagen. Sie überlegte einen Moment. „Ich fahr noch einmal.“ Ja, warum denn auch nicht. Er wusste ja schließlich nicht, dass sie schon einmal da gewesen war. Und dieses Mal würde sie nicht wieder weglaufen, sondern gleich bei ihm anschellen, bevor sie es sich noch anders überlegte. „Meld dich, auch wenn du dich wieder nicht traust, ja?“ „Ja, mache ich. Vielen Dank. Bis später.“ Sie fuhr den Computer herunter, stand auf, ging zum Spiegel und wischte sich die Spuren ihrer Tränen vom Gesicht. Dann setzte sie sich erneut ins Auto und fuhr noch mal den Weg zu seiner Wohnung. Als sie dieses Mal bei ihm ankam überlegt sie nicht lang, stieg aus, lief zur Tür, legte den Finger auf die Klingel und drückte. Ganz kurz nur, aber sie drückte. Ihr Herz schlug noch schneller und sie spürte wie die Aufregung in ihrem Körper kribbelte. Einen winzig kleinen Triumph aber spürte sie in sich, denn sie hatte sich überwunden und angeschellt. Und das war ihr schon einmal viel wert. Jetzt wartete sie nur darauf, dass er über die Sprechanlage meldete. Doch die Antwort blieb aus. Sie ging ein paar Schritte zurück und blickte hinauf zu seinem Fenster. Dieses Mal sah sie kein Licht brennen. Ob er schon schlief? Es war bereits elf Uhr. Doch damit wollte sie sich nicht zufrieden geben, nicht jetzt, nachdem sie sich endlich getraut hatte anzuschellen. Sie ging um die Ecke des Hauses und blickte dort hinauf, wo die Wohnzimmerfenster zu sehen waren. Im Wohnzimmer flackerte Licht, mit Sicherheit vom Fernseher. Vielleicht war er vor dem Fernseher eingeschlafen oder hatte das Schellen einfach nicht gehört? Sie lief wieder zur Vorderseite des Hauses, atmete tief durch und klingelte erneut. Und wieder wartete sie. Wieder vergebens. Ein wenig enttäuscht schlurfte sie zum Auto zurück. Bevor sie einstieg warf sie noch einmal einen Blick hinauf zu seinem Fenster. ‚Aber ich habe es versucht’, dachte sie sich, setzte sich in den Wagen und fuhr nach Hause. „Und? Hast du angeschellt?“, erschien es auf ihrem Bildschirm. „Ja.“ „Und?“ „Er hat nicht aufgemacht.“ Sie wusste nicht, ob sie gedanklich Leider oder Zum Glück hinzufügen sollte. Der Wunsch war da gewesen, aber hätte sie sich letzten Endes wirklich getraut? „Bist du denn sicher, dass er zuhause ist?“ „Ja, sein Auto steht vor der Tür und im Wohnzimmer läuft der Fernseher“, und sie erzählte ihm, was in der letzten halben Stunde vor sich gegangen war. „Warum hast du ihn nicht angerufen und gesagt, dass du vor der Tür stehst?“, erwiderte er. An die Möglichkeit ihn anzurufen hatte sie gar nicht gedacht. Aber dann fiel ihr ein, dass es auch wenig Sinn gemacht hatte, wenn es ihr eingefallen wäre. „Ich hab kein Geld mehr auf’m Handy.“ „Ähm… Ich will dich ja jetzt nicht angreifen, oder so, aber das hört sich für mich nach ner billigen Ausrede an.“ Ausrede? Das war keine Ausrede, sondern eine Tatsache. Mit den paar Cent Guthaben, das sie noch auf ihrem Handy hatte, konnte sie niemanden mehr anrufen. „Außerdem kann ich ihn doch nicht einfach anrufen und ihm sagen, dass ich vor seiner Tür stehe. Wie sieht das denn aus?“ „Wieso nicht? Bist halt bei ihm vorbei gekommen und wolltest schauen, ob er noch wach ist.“ Da war eigentlich was dran. „Meinst du, ich soll noch mal hinfahren und ihn dann anrufen?“ „Das musst du schon selbst wissen.“ Sie überlegte. Was hatte sie schon zu verlieren außer ein paar weiteren Minuten ihres Lebens? „Gut“, tippte sie, „aller guten Dinge sind drei. Ich fahr zur Tanke, lad mein Handy auf und fahre noch mal hin.“ „Dann sag mir hinterher, wies gelaufen ist, ja?“ Natürlich würde sie das machen. Also fuhr sie ein drittes Mal los. Ein Zwischenstop an der auf dem Weg liegenden Tankstelle ermöglichte es ihr Handy-Guthaben aufzuladen und schon kurz darauf war sie wieder an besagtem Ort angekommen. Sie stieg aus und ging zur Tür. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es bereits nach halb zwölf war. Sie überprüfte kurz, ob der Fernseher im Wohnzimmer noch lief und wählte dann seine Handy-Nummer. Während das Freizeichen in ihren Ohren klang, warf sie immer wieder einen Blick nach oben. Was sollte sie sagen, wenn er den Anruf annahm? Vielleicht würde er aber auch gar nicht ran gehen, schließlich war es schon spät. „Ja?“, riss es sie plötzlich aus ihren Gedanken. Es dauerte einen kurzen Augenblick bis sie ihre Überraschung überwunden hatte und ihm antwortete. „Ich bin’s…“ Ihre Stimme schwankte unerwartet und sie versuchte sie wieder unter Kontrolle zu bekommen, während sie gleichzeitig überlegte, was sie als nächstes sagen sollte. „Ich- Ich steh grad vor deiner Tür. Würdest… du mich rauflassen?“, entrann es ihr und sie hoffte auf die gewünschte Antwort. „Ähm, was?“, kam es als Antwort zurück. Ihr Herz schlug schneller. Hatte er sie nicht verstanden oder war es ihm zu absurd sie so spät noch rein zu lassen? „Ich… Würdest du mich rauflassen? Ich stehe gerade vor deiner Tür.“ „Vor meiner Tür?“, kam es überrascht zurück. Unsicherheit machte sich in ihr breit. War es ein Fehler gewesen ihn anzurufen? „Ja, hier unten vor dem Haus. Darf ich rauf kommen? Nur ganz kurz. Ich wollte dir nur was sagen“, fragte sie wiederholt. Sie spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. „Äh, ja, klar“, antwortete er und sie könnte hören, wie er aufstand und sich auf den Weg zur Tür machte. Sie legte auf und wartete darauf, dass er ihr öffnete. Kurz darauf erklang der Türsummer und sie gelangte ins Treppenhaus. Eine kleine Treppe und sie stand vor dem Fahrstuhl, den sie zunächst kommen lassen musste. Sie spürte wie sie anfing zu zittern und hoffte ihre Stimme würde das durchhalten. Immer wieder atmete sie tief durch. Ruhig, ganz ruhig. Sie würde die Wohnung gar nicht erst betreten, sondern ihm auf der Türschwelle sagen, was sie ihm sagen wollte, und dann wieder gehen. Womöglich nicht einmal eine Antwort abwarten, sondern genauso plötzlich verschwinden wie sie aufgetaucht war. Der Fahrstuhl kam und sie stieg ein. Mit jeder Sekunde, die der Fahrstuhl höher in die dritte Etage fuhr, wurde sie nervöser. Sie starrte sich in der bespiegelten Fahrstuhlwand an, war sich immer noch nicht klar, was sie tun sollte, wenn sie angekommen war. Ehe sie sich versah war sie auch schon oben. Sie verließ den Fahrstuhl und stieg die letzten Stufen hinauf zu seiner Wohnung. In dem Moment, in dem sie oben ankam, öffnete er die Tür. Sie blieb vor der Wohnung stehen und starrte ihn an. Er trug eine kurze Hose und ein T-Shirt, Schlabber-Look eben. Nicht ungewöhnlich für diese Uhrzeit. Er streckte ihr zur Begrüßung die Hand entgegen, wie er es immer tat und begrüßte sie mit einem ‚Hallo’. Sie nahm seine Hand und drückte sie kurz, tat aber nicht wie gewöhnlich den Schritt in die Wohnung. „Ähm, h-hab ich… dich geweckt?“, fragte sie und hoffte, dass er das Zittern in ihrer Stimme nicht hörte. Gleichzeitig war sie selbst überrascht über ihre Aufregung. So hatte sie sich selbst noch nie erlebt. „Nein, ich spiele noch am PC“, erwiderte er und bedeutete ihr mit einer Handbewegung herein zu kommen. Sie überlegte kurz, denn sie wollte ja gar nicht herein. Dann aber hob sie den Finger und deutete auf den Wohnungsflur. „D-Darf ich?“ Er sah sie an. „Ja, klar. Komm rein.“ Sie betrat die Wohnung und er schloss hinter ihr die Tür. Aber sie blieb direkt an der Tür stehen, um sich den Fluchtweg offen zu halten. „Ich, ähm…“, begann sie brach dann aber wieder ab. Er ging an ihr vorbei Richtung Wohnzimmer. „Du kannst die Schuhe ruhig ausziehen“, meinte er, als sie sich nicht weiter bewegte. Nein, sie wollte doch gleich wieder gehen, sobald sie es losgeworden war, was sie schon den ganzen Abend quälte. Er drehte sich zu ihr um und sah sie an. „Oder wolltest du nur was sagen?“ Sie sah ihn überrascht an, nur um gleich wieder wegzusehen. Sie richtete den Blick auf seine Schuhe. Da fiel ihr ein, dass sie es ja am Telefon erwähnt hatte. Ja, sie wollte ihm nur kurz etwas sagen. „Nein“, kam es ihr über die Lippen, wofür sie sich im nächsten Moment auch schon verfluchte. Sie zog die Schuhe aus und stellte sie neben seine. „Ist irgendetwas passiert?“ Sie schaute auf und traf seinen fragenden Blick. Sie zögerte bevor sie verneinte und ihm nachging. Was nun? Jetzt war sie doch in seiner Wohnung und brachte es einfach nicht fertig ihm das zu sagen, weswegen sie eigentlich hier war. Und scheinbar merkte er, dass etwas mit ihr nicht stimmte, sonst hätte er wahrscheinlich nicht gefragt. „Wo gehst du hin?“, riss seine Stimme sie aus ihren Gedanken. Sie blickt auf und bemerkte, dass sie dabei war das falsche Zimmer zu betreten. Sie wusste nichts zu antworten, sondern folgte ihm ins richtige Zimmer und setzte sich auf die Couch. Er setzte sich neben sie an seinen PC, an dem er gerade ein Onlinegame spielte. Dann sah er sie wieder an. „Ist doch irgendwas?“, fragte er und sie glaubte einen besorgten Unterton in seiner Stimme zu hören. Sie konnte ihn nicht ansehen, sondern wanderte mit ihrem Blick unruhig durch die Wohnung. „Nein… Nein, es ist nichts.“ Er wandte seinen Blick von ihr ab und richtete ihn wieder auf seinen PC. „Es ist nur ungewöhnlich, dass du so spät noch vorbei kommst ohne vorher anzurufen.“ Ihr Blick suchte eine Uhr. Es war kurz vor zwölf. „Hast du vorhin schon mal angeschellt?“ Sie sah ihn kurz an, brachte aber nur ein ‚Hmhm’ über die Lippen. „Ach so, dann warst du das. Ich hab nicht aufgemacht, weil ich dachte, dass das einer der Nachbarn wäre und ich hatte keine Lust auf Stress“, erklärte er. Nach einer Weile setzte er fort: „Warum hast du denn nicht angerufen, dass du es bist?“ Ihr war zwar nicht unbedingt danach zumute, aber innerlich musste sie bei dieser Frage doch etwas lächeln. „Ich hatte kein Geld auf dem Handy. Musste erst zur Tanke es aufladen.“ „Wie? Dann warst du hier, bist zur Tanke und wieder hier hin?“ Ganz so war es zwar nicht, aber es war zumindest ein Teil des Ganzen, daher bejahte sie. „Was hast du denn die letzten zwei Stunden gemacht?“ Sie überlegte, sie konnte ihm ja schließlich nicht erzählen, dass sie wegen ihm eine halbe Weltreise und diverse Heulattacken hinter sich hatte. Was sollte sie ihm aber erzählen? „Hm… eigentlich nichts…“ „Konntest du nicht schlafen?“, hakte er nach. „Nein… konnte ich nicht…“, antwortete sie. Sie wusste nicht ob sie lachen oder weinen sollte. Auf der einen Seite war sie nun hier bei ihm, er hatte sie trotz später Stunde in seine Wohnung gelassen, auf der anderen Seite lief alles darauf hinaus, dass ihre Pläne dadurch über den Haufen geworfen wurden. Sie atmete tief ein und lehnte sich zurück. Langsam beruhigte sie sich wieder. Der Mut verließ sie mit jeder Minute etwas und sie wusste bald, dass sie ihre Chance verpasst hatte. „Was machst du?“, fragte sie ihn über seine Schulter schauend und er begann ihr zu erklären, was er gerade tat. Sie schaute fern, während er spielte. Ab und zu wechselten sie ein paar Worte miteinander, und ein paar Mal nickte sie auf der Couch ein. Um halb fünf Uhr morgens verließ sie dann seine Wohnung. Sie würden telefonieren und sich treffen, wahrscheinlich noch am gleichen Tag und es würde so weiter gehen wie bisher. Bevor sie in ihr Auto stieg sah sie sich noch einmal um. Die Sonne ging bereits auf und die Vögel zwitscherten. Sie blickte nach oben zu seiner Wohnung und ein Lächeln lag auf ihren Lippen. „Ich hab dich gern“, gestand sie und fuhr nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)