Des Feuervogels Glut I von Lilienkind ================================================================================ Kapitel 3: Das PHOENIX Castel ----------------------------- Abseits der Stadt Tokio (Japan), Mitte Oktober Besetzt von Millionen und Abermillionen kleinster Schattenflecke, zwischen denen von den Baumkronen vereinzelt hindurch gelassene Lichtkegel im sanften Winde tanzten, erstreckte sich in dichtes Waldstück am Stadtrand. Vor einigen Jahren wurde dieser Landstrich, ein oder zwei Quadratkilometer groß, von der Stadt als Sperrzone gekennzeichnet und von einem inzwischen durchgerosteten Maschendrahtzaun umschlossen worden. Spuren eines Försters suchte man hier vergeblich. Ein paar mal hatte es ausgesehen alsob das Stück Land doch noch verkauft werden würde doch die Bearbeitungskosten überstiegen bei Weitem den Grundstückswert und so war es mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Kaum jemand wusste von dem alten Luftschutzbunker, der sich dort befand. Und niemand würde vermuten, dass diese kleine Ansammlung unterirdischer Katakomben derart Großes beherbergte. Und so vermochte es zu Gunsten der Phoenix auch in Zukunft bleiben. Deshalb unterstand Projekt Phoenix Castel auch strengster Geheimhaltung. Vor zwei Jahren hatte ausgerechnet Kai unter Ausschluss der Öffentlichkeit dieses kleine, unbedeutende Waldgebiet erworben und mit den Restaurierungsarbeiten beginnen lassen. In ungewöhnlichem Tempo war das unscheinbare Gebäude zu einer hochmodernen Anlage geworden. Die finanziellen Mittel nahm er einerseits aus einem Teil von Voltaires Vermächtnis, der kurz nach dem Antreten seiner Haftstrafe aus ungeklärten Gründen verstarb. Das Meiste der Kosten, wenn man den Gerüchten Glauben schenkte, bekam Kai jedoch in großzügigen Mengen aus den Kassen eines Labors. Es schien irgendetwas mit seinem Bitbeast Dranzer zutun gehabt zu haben, doch näheres wusste niemand und so wurde das Thema von den Wenigen, die überhaupt etwas davon mitbekommen hatten, unter den Tisch gekehrt und dort vergessen. Zielsicher stapften Brian und Alex hintereinander über den vom Regen aufgeweichten, schlammigen Boden. Der Untergrund schmatzte unter den Schritten der durchtrainierten jungen Männer, deren Sohlen Mühe hatten auf dem rutschigen Untergrund Halt zu finden. Zu allem Überfluss befand sich der Zielort auf einem Hügel und das Gefälle machte den Fußmarsch nicht gerade leichter. An einem von Büschen und Gestrüpp nur so verschlungenen Ort angelangt kämpfte sich Brian als erstes durch jenes und gelangte schließlich an eine schwere, von Betonmauern umsäumte Stahltür. Beides war in Tarnfarben gehalten und gut versteckt in den Hang eingelassen. Alex, der sich zu seinem Verdruss hinter dem ach so vorsichtigen Brian durch das Dickicht gekämpft und einen beträchtlichen Sicherheitsabstand gehalten hatte, erreichte etwas verspätet den Eingang. Auf Brians Kommentar, wo der Zeitlupenfreak (=er) denn so lange bleibe, konterte der Blondschopf herablassend, er hätte den Ästen ausweichen müssen, die Brian so außerordentlich schonungsvoll hatte zurückpeitschen lassen. Daraufhin zog dieser eine mehr oder weniger missglückte Grimasse bei dem Versuch ihn nachzuäffen und widmete sich der Stahltür. Zielsicher steiften seine rustikalen Finger über einen bestimmten Abschnitt der schmutzigen, grünen Oberfläche bis ein schweres Ächzen von der anderen Seite des Portals erklang. An einer der Betonwände schob sich eine Stahlplattenverkleidung zur Seite und gab eine Reihe von Apparaturen frei. Alex, der genau davor gestanden hatte, gebührte nun das Privileg diese Aufgabe zu erledigen. Mit der Zeit empfand Brian dieses sowieso als lästig und er überließ dem Amerikaner gerne den Vortritt. Letzterer tippte bereits routiniert auf dem hochmodernen Touchscreen herum und legte zu guter letzt seine Hand auf das Display. Ein grünlicher Lichtsteifen fuhr seitlich darüber, ein Kontrolllämpchen blinkte auf und ein weiteres Ächzen, dieses Mal um einiges lauter als das vorangegangene, ertönte. Ein halbes Dutzend verschiedener wuchtiger Schlösser entriegelte sich und die Tür sprang beinahe von selbst um einige Zentimeter auf. Beiläufig tat Brian das Übrige und schob mit einer Hand die Stahltür beiseite. Er warf einen letzten erwartungsvollen Blick hinüber zu Alex, vor dem sich die Stahlplattenverkleidung der Wand inzwischen geschlossen hatte, und beide betraten den von kalten Stahlplatten verkleideten Gang. Hinter ihnen schloss sich die Tür automatisch wieder. Nur eine von unzähligen Sicherheitsvorkehrungen. Im selbigen Moment, in dem die Tür also zugeschlagen hatte und sich die einzelnen Verrieglungen schlossen, flammten die Neonröhren unter der etwa zwei Meter dreißig hohen Decke auf und hüllten den Gang in ein fahles Licht. Die abgewetzten Kanten der Stahlplatten glänzten ein bisschen unter dem grellen Schein und die Schritte der jungen Männer hallten in den endlos wirkenden Katakomben wider. Obwohl sie Verspätet hier ankamen, mussten sie wohl die ersten sein, die eingetroffen waren, stellte Brian fest. Merkwürdig, wo doch Kai so auf Pünktlichkeit bestand. Und von Mina, der perfektionistischen Workaholic war gar nicht erst anzufangen. "Jetzt heißt es wohl warten...", seufzte der Philippine und sprang, unter der großen Kuppel angekommen, auf einen der leeren Stahlcontainer, um darauf Platz zu nehmen. Zu früh gefreut. "Wieso warten?", blickte der Blondschopf ihn auffordernd an und machte eine Kopfbewegung in Richtung der gewaltigen Beyblade-Arena, die in den Boden der Halle eingelassen war. Dann lief er hinüber zu einem großen Hauptschalter und betätigte ihn. Damit flammten monströse Flutlichter, die unter der Decke montiert waren, auf und gaben das beeindruckende Volumen der Halle erst richtig preis. Zwar war es weit nicht das erste Mal, dass sie hier trainierten, ganz im Gegenteil - sie waren oft mehrmals am Tag in dieser "bescheidenen kleinen Räumlichkeit" - ,doch die gut und gerne 8 Meter hohe Kuppelspitze und die immerhin 5 Meter tiefe Arena verblüfften sie jedes Mal aufs Neue. Es war einfach überweltigend, sogar noch für sie. Brian hatte sich inzwischen bequemt, von seinem Sitzplatz aufzustehen und wandte sich dem Bey-Stadium zu. Aus einer seiner Hosentaschen entnahm er einen wuchtigen Turbo-Starter sowie einer extralangen Hartgummi-Reißleine, beides Spezialanfertigungen. Mit der anderen Hand griff er routiniert nach dem Beyblade, der sich in der Tasche an seinem Gürtel befand. Der rothaarige steckte alles zusammen und ging in Startposition. Von eine Sekunde auf die andere war sein Kampfgeist erwacht und Alex hätte wie schon so oft schwören können, er würde Flammen im inneren seiner Pupillen sehen. Der sonst eher lustlose "ihr-könnt-mich-alle-mal-Eckenhocker war kaum mehr wieder zu erkennen, sobald er sich seiner Leidenschaft widmete. Nein, dieses Mal war mit Leidenschaft nicht Mina gemeint. "Na, endlich fertig?", kommentierte der Blondschopf, der wie immer vollkommen gelassen am anderen Rand der Arena stand und schon seit einer halben Ewigkeit auf den Teamkollegen wartete. Brian wollte zuerst "zurückschießen", doch das konnte er auch während der Battle tun. Beybladen war wichtiger. Also gab der Amerikaner, nach dem er die Aufmerksamkeit des Startposen-Fanatikers aus dessen Gedanken gerissen hatte, ein bestimmtes Handzeichen in Richtung einer Kamera, die wiederum über ein hochkompliziertes Computernetzwerk den Start einleitete. "Sonst geht's noch. Willst du dich jedes Mal an Kais Anweisung halten und diesen Schrott benutzen?", stichelte der Muskelprotz, der den Fable seines Teamchefs auf Hightech nicht leiden konnte. Eine Antwort von seinem Gegenüber bekam er nicht, stattdessen aber einen Signalton des Computers, der so viel wie "3..."bedeutete. In genauestens abgepassten Schritten folgten nun zwei identische Signale und schließlich der "Startschuss", den Brian ebenfalls als ein schlichtes, monotones Piepsen abtat. "Schlaft nicht ein, Jungs!", rief eine weibliche Stimme aus einem der Gänge und hätte Brian beinahe so weit abgelenkt, dass sein Blade die Arena verfehlte. Einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte sie wirklich nicht wählen können. Ihre Absätze klackerten unter ihren schnellen Schritten, mit ungeheurem Tempo hatte sie Beyblade und Reißleine gezogen, den Starter hielt sie bereits in der Hand. Sie erreichte binnen Sekunden die Halle und sprang urplötzlich direkt unter einen der Scheinwerfer, dessen Licht ihre Kontrahenten blendete. Nur wenige Augenblicke nach dem Startschuss, die die beiden sowieso abgelenkt gewesen waren, startete sie ihren Beyblade, der am Rand der Arena aufsetzte und dadurch noch einmal etwas Schwung bekam. "Ich hasse es, wenn sie diese Show abzieht", dachte Alex und war froh darüber, dass dies nur sehr selten vorkam. Ursache: Brian, der es liebte, wenn sie diese Show abzog und tief unglücklich darüber war, dass dies nur sehr selten vorkam, war dann nicht mehr von Mina wegzubekommen geschweige denn sich auf so etwas wie Beybladen zu konzentrieren. Ein lautes Scheppern riss die Burschenschaft abermals aus ihren Gedanken und lenkte ihre Aufmerksamkeit prompt auf die Mitte der Arena. Der nun doch erst von Mina als solcher eröffnete Kampf war in vollem Gange und Black Dranzer hämmerte gnadenlos auf den Blade des Blondhaarigen ein. Destroyer Dranzer fegte Funken sprühend auf die beiden Kontrahenten zu und trennte sie, alle Drei stoben auseinander, zogen jeweils eine große Bahn bis hoch zum Rand der Arena und machten schließlich kehrt. In diesen wenigen Sekunden hatten sie unglaublich viel Energie gesammelt und hielten auf die Mitte des Stadiums zu. Mit einem gewaltigen, donnernden Aufprall trafen sie aufeinander und eine enorme Druckwelle ließ die Scheinwerfer aufflackern. Es dauerte eine Weile bis die Elektronik wieder intakt war und erst dann konnte man wieder etwas erkennen. Die mit Stahl- und Titanplatten ausgekleidete Arena hatte eine weitere Macke bekommen und, was man wohl am aller wenigsten erwartet hätte, der Blade des Phillipinen lag außerhalb der Arena obwohl gerade er der größte, schwerste und stärkste der Phoenix war. Der Teufel steckte im Detail denn nach den Computer-Statistiken, die er vor einiger Zeit hatte auswerten lassen, hätte gerade er auf jeden Fall im Rennen bleiben müssen. Missmutig hob er Destroyer Dranzer auf und setzte sich wieder auf seinen Stahlcontainer. Von dort aus beobachtete er die beiden verbleibenden Beyblades, die gnadenlos auf einander einhämmerten, und ließ seinen Blick schließlich auf das lenken, was ihn mehr interessierte als Golden- und Black Dranzer: Mina. Ihre im Scheinwerferlicht bläulich glänzenden Haare, ihr blasser, makelloser Teint, der entschlossene Blick ihre rötlich glühenden Augen, all das gab ein überaus verlockendes Bild ab. Ihr kurviger, durchtrainierter und keinesfalls schwächlich wirkender Körper, der dennoch nicht das Geringste seiner Weiblichkeit einbüßte und der durch den Kampf erst richtig in Ekstase geriet, hatte alles andere binnen Sekunden aus Brians Welt verdrängt. Sein Verlangen nach ihr machte sich in seinen Lenden bemerkbar, doch alles Schamgefühl war wie weggeblasen. "Könntest du mir zur Abwechslung mal weder auf meinen Busen noch auf meine Kehrseite starren und den Kampf verfolgen?", erwiderte sie seine gierigen Blicke, ohne jedoch nur einen einzigen Augenwink an ihn zu verschwänden. "Dann würdest du vielleicht auch im Training nicht so hinterherhinken", ergänzte Alex kühl und dieses Mal sogar bewusst emotionslos (wie seine Phrasen ohnehin stets klangen) um das wandelnde Muskelpaket nicht unnötig in Rage zu versetzen. Doch es war bereits zu spät. "Halt´s Maul, Großkotz!", knurrte er den Samurai-Kostümierten an. "Sonst was?", ließ sich diese tatsächlich auf eine Konversation ein, obgleich dies überhaupt nicht in sein Schema passte. "Sonst...", beharrte der völlig im Zorn ertrinkende Brian, sprang von seinem Container auf und ließ seine Finger Knacken. "Hört schon auf, ihr verschwendet nur unsere Trainingszeit", schritt Minas Stimme kühl und entschlossen ein, um das Schlimmste zu verhindern, worauf sie im Übrigen sowieso keinen Bock hatte. Somit warf Alex dem Riesen noch einen letzten, kontrollierenden Blick zu und widmete sich schließlich ganz dem Kampf. Zu seiner Überraschung hatte ihn Mina zwar keine Sekunde aus den Augen gelassen, seine Geistesabwesenheit allerdings nicht ausgenutzt und so stand keiner von ihnen im Nachteil. Das Gefecht wurde fortgesetzt. Und so ließ sie Black Dranzer abermals einen großen Bogen machen, in dem er erneut Schwung holte, und nahm dann direkten Kurs aus Alex´ Blade. Dieser war völlig überrascht und konnte gerade noch ausweichen, um danach allerdings sofort die Verfolgung aufzunehmen. Mit einer ungeheuren Geschwindigkeit preschten sie über die Metallfläche der Arena und ließen die Stahlplatten erbeben. Zu ihrer allen Verblüffens holte Golden Dranzer immer und immer mehr auf und kam Black Dranzer gefährlich nahe. Ein dezenter Ausdruck der Verzweiflung huschte über Minas Antlitz, als die Metallklingen Golden Dranzers in die ihren einschlugen und einen waren Funkenregen erzeugten. Der nun wehrlose Black D. wurde den Rand der Arena immer näher geschoben und konnte sich nur noch knapp in dessen Inneren halten. "Ist das alles?", fragte Alex verblüfft, worauf ein kaltes Lächeln über Minas Lippen blitzte. Die Antwort folgte zeitgleich, als ihr Blade urplötzlich einen Powerschub bekam. Er ließ Golden D. einfach von sich abprallen und zischte binnen weniger Zehntelsekunden in einer Schleife quer durch die Arena, bevor er mit voller Wucht auf seinen Gegner schmetterte und eine weitere Schockwelle durch die Katakomben jagen ließ. Eines der Flutlichter flackerte gefährlich bevor es schließlich ganz ausfiel. Doch Alex hatte es geschafft, sich in der Arena zu halten. Beide waren einfach nicht klein zukriegen und ein zufriedenes, dennoch kampflustiges Belächeln machte die Runde. Bedauerlicherweise war Brian bereits ausgeschieden denn eine Massenkarambolage, die erstmal in vollem Gange war, erhöhte den Adrenalinpegel noch mal um einiges. Obendrein war dies nun genau das Richtige, um Aggressionen abzubauen. Und als könne er Gedanken lesen, ließ sich Brian diesen Spaß nicht entgehen, vergaß den vorangegangenen und vor allem unbeendeten Streit und schickte Destroyer D. erneut in die Arena. _________ Zur selben Zeit: Tokioer Innenstadt (Japan), Mitte Oktober Der nicht eingetroffene Teamchef Kai war derweilen zu seinen Gunsten vergessen worden. Noch immer lag er regungslos in der grauen Bettwäsche versunken. Auf seiner makellosen, nackten Haut brachen sich die schmalen Lichtstreifen, die die Jalousien überwanden. In regelmäßigen Abständen hob und senkte sich sein Brustkorb unter seinen gleichmäßigen Atemzügen. Die Bettwäsche unter ihm war, da er durchnässt in sein Bett gefallen und völlig erschöpft eingeschlafen war, mit Wasser vollgesogen und entzog seinem Körper die Wärme. Er fror ein wenig, schlief nicht wirklich tief und war genauso wenig wach. Erneut suchten ihn die Bilder vergangener Tage heim. Die tosenden Flammen, die tiefen Fleischwunden, jene sie Metallsplitter in seine Haut gerissen hatten. Der letzte qualvolle Schrei, den ER damals von sich gegeben hatte. Sein ALLER letzter. ER war in dieser Nacht gestorben. Alles war so unglaublich real. Zu real für einen Traum. Wieder war es passiert. So wie es jede Nacht geschah. Jedes Mal kehrte der Schmerz zurück, die nicht enden wollenden Schuldgefühle, das unsägliche Leid. Wie gelähmt glitt sein Blick über die Schneemassen um ihn herum, er spürte die Hitze der Flammen auf seiner Haut, die Wärme des auf ihr hinab rinnenden Blutes. Die Bilder verschwammen, als Kai ein leises Klopfen vernahm. Wie Rauchschwaden verliefen die einzelnen Farben der Erinnerung in einander. Dann, nach einer Weile, bildeten sich aus den Rauchfetzen wieder die klar strukturierten Bilder, die sogleich ein weiteres Mal verschwammen. Das Geräusch wurde lauter. Kai horchte genauer hin, während die Bilder endgültig verschwanden. Zögerlich öffnete er eines seiner Augen und wurde sofort von einem grellen Lichtstrahl bestraft. Wie im Zeitlupentempo drehte er seinen ungewohnt schwer scheinenden Kopf zur anderen Seite und öffnete abermals die Augen. Auf seinen Gliedern lag die altbekannte Schwere, wie er sie bei jedem Aufwachen verspürte. Stöhnend drehte er sich auf die Seite und setzte sich auf, wobei er sich mit den Händen abstützte. Seine derart schnelle Haltungsänderung führte zu dem erniedrigenden Ergebnis, dass ein enormer Duck in seinem Kopf entstand und er für einen Moment glaubte, sein Schädel würde zerbersten während sich um ihn herum Alles drehte. Er fiel wieder zurück in die Kissen und wurde erstmals darauf aufmerksam, dass sein Bettzeug kalt und nass war. Zeitgleich kehrten die Erinnerungen von vor seinem Schlaf spärlich wieder. Trotz der unangenehmen Nässe blieb er liegen und begann schwer zu atmen. Die Schreie hallten in seinem Kopf wieder und ließen Emotionen, Schmerz und Verzweiflung erneut aufbeben. Halb wahnsinnig vor Pein schloss er die Augen und versuchte... "...was? In den Schlaf zu sinken? Und dann? Dort wartet auf mich genau das Selbe. Es gibt kein Entkommen.", schalt er sich selbst. Es war aussichtslos. Wieder hörte er ein Geräusch. Rechts von ihm, am Dachfenster. Langsam drehte den Kopf, öffnete die Augen und sah bemüht nich ganz so aufmerksam hin um einer drohenden Migräne zu entkommen. Bei einem der Fenster waren die Jalousien nicht heruntergelassen. Beiläufig erkannte er einen Schatten hinter dem Glas. Jemand saß auf dem Dach und beobachtete ihn. Hatte dieser Jemand ans Fenster geklopft? Und wieso um alles in der Welt kam ihm diese Gestalt so bekannt vor? Hatte er sie nicht schon einmal gesehen? Doch, das hatte er. Und nicht nur ein mal. In letzter Zeit tauchte sie häufiger auf, beobachtete ihn, flüchtete wenn er sie genauer ansehen wollte. Aber nun verschwand sie nicht. Interessiert blickte er sie genauer an. Es musste eine weibliche Gestalt sein, sie hockte anmutig und elegant über der Glasscheibe, wirkte aber außergewöhnlich stark und nicht verloren, im Gegenteil, sie schien sich ihrer Sache äußerst Bewusst. Kai blickte ihr tief in die Augen, versuchte ein paar Details ihres Antlitzes zu erkennen. Völlig fasziniert und wie gelähmt behielten seine Augen die Gestalt fixiert. Wer war sie? Was machte sie wohl hier? Erst Minuten später kristallisierten sich ein paar Gedanken aus seinem ansonsten vollkommen entleerten Unterbewusstsein heraus. Wie hypnotisiert machte er jedoch keinerlei Anstalt aufzustehen und das Fenster zu öffnen. Dann stellte er fest, dass sie ihn ebenfalls perplex, leicht errötend und zugleich bewundern anstarrte. Als er ihrem Blick folgte, stellte er erstmals fest, dass er vollkommen nackt war und obendrein auf dem Rücken lag!!! Eiligst griff er nach der Bettdecke um das Nötigste darunter zu verstecken und blickte beschämt wie erbost zurück zum Fenster. Die Gestalt war verschwunden. Hatte er jetzt schon Halluzinationen? Oder eine Stalkerin? Letzteres war wahrscheinlich auszuschließen, da mit Sicherheit keiner seiner weiblichen Fans auf sein Dach klettern würde, nur um die Chance zu haben, ihn nackt zu sehen. Ebenfalls bezweifelte er noch in derselben Sekunde stark, dass dies ihre Absicht gewesen war. Sonst hätte sie ihn ja auch wohl kaum geweckt - er konnte nicht leugnen, dass sein Hinterteil keinesfalls reizlos war. Hatte er nicht noch irgendetwas vergessen, fragte er sich während er sich aufsetzte, mit einer Hand über Haare und Gesicht rieb und sich mit der anderen abstützte. ...das Training! Die Erkenntnis, dass er wahrscheinlich verschlafen hatte, traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube und ein Blick auf die Uhr bestätigte seine Vermutung. Er sprang von seinem Bett auf und lief hinüber zum Kleiderschrank um darin zu kramen. Nacheinander landeten Boxershorts, Socken, eine Hose mit zahlreichen Gürtelschnallen an den Beinen - er besaß unzählige Exemplare seines Outfits - sowie ein schwarzes Tanktop auf dem Bett. Kai schlug den Schrank zu, schlüpfte in Boxershorts und Hose, schnappte sich die restlichen Kleider und verschwand damit im Badezimmer. Zu seinem eigenen Verblüffen hatte er nur fünf Minuten gebraucht um in Vollmontur und mit seiner Ausrüstung die Wohnung zu verlassen zu können, wie ihm ein letzter kontrollierender Blick auf das Chronometer verriet. Er warf sich den Mantel um, ließ Schlüssel und Brieftasche in dessen Innentaschen gleiten und schritt durch die Tür. Auf dem Weg zum Phoenix Castel dachte er abermals über die Gestalt an seinem Fenster nach. Was hatte sie bei ihm gesucht? Was wollte sie von ihm? Na ja, jedenfalls hatte sie ihn geweckt, so dass er NUR mit einer Verspätung von 10 bis 15 Minuten rechnen musste. Er begann zu joggen, um wenigstens einen Teil der Zeit wieder gut zu machen. Glücklicherweise hatte ihre Erscheinung eine drohende Migräne ausgemerzt und ihm wenigstens für einen Augenblick die grausamen Bilder aus seinem Gehirn gepustet. Vielleicht gab es ja doch noch ein kleines Fünkchen an Positiven im seinem Leben, dachte sarkastisch und rieb sich dabei über die frischen Wunden, die er sich gestern zugefügt hatte, "Oder ich verliere den Verstand.". Ein bitteres Lächeln zog sich über sein Antlitz. Er ließ seine Hand in seine Tasche gleiten und strich mit dem Daumen über das polierte Metall seines Beyblades. Bald war es so weit. Bald konnte er offiziell gegen Tyson antreten. Mit einem neuen, weitaus besseren Team als den Bladebreakers. Noch mal würde er es nicht schaffen, einen Sieg gegen Kai, den Anführer der Phoenix zu erringen. Noch mal nicht. Sein Gerede von Freundschaft und Loyalität gegenüber den Bladebreakers machte Kai wütend. Oft genug hatte man sich gegen ihn entschieden, obwohl er der bessere war, mit der schlichten Begründung "weil die meine Freunde sind". Er hatte dieses Gefühl stets als negativ empfunden. So etwas wie Freundschaft gab es für ihn nicht. Zu ihm hatte sowieso niemand gehalten, zumindest nicht langfristig und früher oder später geriet er sowieso in Vergessenheit. Einer Welt, die ihn so im Stich gelassen hatte, gab er mit Sicherheit nichts zurück. Das hatte sich sowieso nie ausgezahlt, so oft er es auch versucht hatte. Leichtgläubigkeit und Offenheit gegenüber Anderen war ihm mit Schmerz und Leid zurückgezahlt worden und mit der Zeit hatte er dieses Kapitel endgültig abgeharkt. Er kam bestens ohne Schwächen wie Freundschaft oder gar Liebe zurecht, er war stärker und nun beherrschte er andere durch ihr Vertrauen. Ja, das gefiel ihm. Kontrolle über die schwächeren, willenlosen Menschenwesen, die ihm im Grunde doch längst zu Füßen lagen. Sie waren feige und willenlos und machten ihr Leben an Gefühlen fest, die früher oder später zerbrachen. Oder die er zerbrechen lassen konnte. Er vertraute sich selbst und nur sich selbst. Und er enttäuschte sich niemals, im Gegensatz zu den Menschen. Und nun würde er ihnen alles heimzahlen, angefangen bei Tyson, der meinte, er könne sein Herz erweichen und ihn schwach machen, so wie Seinesgleichen! Abermals zog sich ein diabolisches Lächeln über Kais Antlitz, aus ihm wurde ein leises Gelächter und schließlich ein lauthalses, durch und durch bösartiges erniedrigendes Lachen. Ja. Er würde endlich seinen Rachefeldzug gegen die Menschen genießen.... Rache...endlich....... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)