Rechtsanwälte küsst man nicht von Kleerabe ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der Lichtkegel glitt gleichmäßig über die vor ihm liegende Straße. Kurzzeitig zerschnitt er die undurchdringliche Dunkelheit, die sich sofort wieder des ihr geraubten Besitzes bemächtigte. Monoton summte der Motor des alten Bmw über die Landstraße. Er war allein unterwegs. Nur einmal waren ihm bisher die Scheinwerfer eines anderen Fahrzeugs entgegengekommen. Seine Gedanken wanderten zurück zu den Geschehnissen an diesem Tag, blieben an dem ein oder anderen Fall hängen, an dem er gerade arbeitete. Kurz blickte er auf den Beifahrersitz zu den Akten, welche er sich über das Wochenende mitgenommen hatte. Er hatte nichts Besonderes vor. Wieso also nicht arbeiten? Er sah wieder nach vorn. Das Gleichmaß der Straßenbegrenzung wirkte durch die Dunkelheit der Nacht einschläfernd. Regelmäßig litten die Straßenpfeiler vorbei, als einzige Unterbrechung im eintönigen Bild rechts und links der Fahrbahn. Wieder wanderten seine Gedanken in die Vergangenheit: Dunkelblaue See vor einem weißen, einsamen Strand. Eine langhaarige Schönheit kam auf ihn zu. Die Wasserperlen in ihrem dunklen Haar glitzerten im Sonnelicht. Sie lächelte ihn an und sofort begannen auch ihre Augen zu glänzen. Er konnte nicht anders als das Lächeln erwidern ... ... irgendwann war ihm aber dieses Lächeln vergangen. Und jetzt war es aus - endgültig. Enttäuscht verzog er das Gesicht. Er konnte immer noch nicht glauben, dass ihm das Leben schon wieder so übel mitspielte. Plötzlich erschien ein Schatten in seinem rechten Gesichtsfeld/Blickwinkel. Sekundebruchteile später erkannte er, dass dieser Schatten ein Mensch war, und erschrocken trat er auf die Bremse. Doch ein dumpfer Laut vom Kühlergrill bestätigte ihm, was er schon fast geahnt hatte. Er hatte die Person, in Gedanken versunken, zu spät bemerkt und so war der Bremsweg zu kurz gewesen. Mit klopfendem Herzen und zittrigen Fingern drehte er erst den Zündschlüssel um und öffnete dann die Tür. Bevor er ausstieg, atmete er noch einmal tief durch. Zügig ging er zur Frontpartie seines Wagens. Erstaunt blickte er auf einen jungen Mann Anfang oder Mitte zwanzig, der gerade dabei war aufzustehen. Er sah zwar ein wenig durch den Wind aus, hatte jedoch ein Grinsen im Gesicht, als er sich erhebend sagte: "Schon gut. Nichts - " Mit einem kurzen Aufschrei brach er wieder zusammen. Überrascht stieß er auf dem Straßenboden das noch fehlende Wort aus: " passiert." Besorgt kniete sich der Fahrer neben ihn. "Was ist? Ist Ihnen schlecht oder schwindlig?" "Nein. Nur mein Fuß", antwortete sein Gegenüber und rieb sich den rechten Knöchel. "Ich bringe Sie ins Krankenhaus. Dort können Sie behandelt werden." "Nein!" Entschieden protestierte der Angefahrene dagegen. "Ich will nicht ins Krankenhaus!" "Aber Sie müssen ins Krankenhaus! Sie müssen untersucht werden!" "Nein!" Widersprach der junge Mann wiederum mit Nachdruck. "So schlimm ist das gar nicht; sicher nur gestaucht. Abgesehen davon: Kein Krankenhaus - keine Scherereien, auch für Sie nicht." "Darum geht es mir gar nicht. Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf. Hier bleiben können sie jedenfalls nicht." Noch während er dies sagte, half dem anderen aufzustehen und stützte ihn auf dem Weg zur Beifahrertür. Da ihm klar war, dass er kaum ein Chance hatte, den jungen Mann doch noch von einem Krankenhausaufenthalt zu überzeugen, fragte er ihn stattdessen, ob er ihn nach Hause fahren solle. "Hab keins", war die einfache Antwort. "Was?" fragte der BMW-Fahrer verdutzt. "Hab keins", wiederholte der andere. "Ich wurde vor zwei Tagen von meinem Vermieter auf die Straße gesetzt", fügte er nach kurzem Zögern hinzu. "Na gut. Dann kommen Sie eben mit zu mir." Kapitel 2: ----------- Die Fahrt verlief größtenteils schweigend. Nur einmal durchbrach der Angefahrene die Stille, als er seinen Namen verriet: "ich heiße Nikolas von Weyler. Kurz Nik.", erhielt aber keine Antwort darauf. "Wir sind gleich da", sagte de Fahrer schon wenige Augenblicke später und bog ein einen Seitenweg. Und wirklich, nur Sekunden danach konnte Nikolas schon die Silhouette eines Gebäudes ausmachen. Klein und dunkel duckte es sich in die umstehenden Kastanien. Aufmerksam betrachtete Nik das Haus, welches irgendwie verlassen wirkte. Schwarz starrten ihm die Fenster entgegen. Dunkler noch als der Rest der Fassade, welche im Schatten des weit überhängenden Daches lag. Wäre es dort nicht so schräg, hätte Nik diesen Bereich vielleicht doch noch, seinem ersten Gedanken folgend, für eine Veranda gehalten. Das Geräusch der sich öffnenden Tür riss ihn aus seinen Beobachtungen. Verwirrt schaute er den Mann an, der vor ihm an der offenen Autotür stand und ihm eine Hand reichte. Dankbar nahm er das Angebot an und ließ sich aus dem Auto helfen. Auf den anderen gestützt, wurde er langsam, Schritt für Schritt, dem Hause entgegen, geführt. Die Scheinwerfer des Wagens, die der Fahrer vorsorglich angelassen hatte, beleuchteten nur spärlich den vor ihnen liegenden Wag. Ein mulmiges Gefühl beschlich Nikolas. Vielleicht war dieser Typ ja irgend so ein Psychopath und er hatte sich ihm praktisch an den Hals geworfen. Er kannte nicht mal seinen Namen. In Gedanken versunken hatte Nik nicht auf den Weg geachtet und stolperte. Im nächsten Moment schon fand er sich zum zweiten Mal an diesem Abend auf dem Boden wieder. Halb über ihn gebeugt und genauso überrascht wie er selbst stand sein Helfer (der Psychopath) ihn noch immer festhaltend. Verblüfft schauten sie einander an. Niks grünschimmerndes Augenpaar betrachtete gespannt sein Gegenüber. "Wie heißen Sie? Sie haben mir vorhin ihren Namen nicht genannt, als ich mich vorstellte." Und wieder traf ihn ein verdutzter Blick, bevor die Erinnerung deutlich sichtbar einsetzte. Der andere ließ ihn jetzt los und ging in die Hocke, bevor er antwortete: "Entschuldigung! Ich habe vorhin über etwas nachgedacht. Mein Name ist Christian Sand. - Und Sie heißen... Nikolas, oder?" "Ja. Oder auch Nik." "OK, Nik. Warten Sie hier einen Augenblick, ich schließe nur schnell die Tür auf." Als er im nächsten Augenblick zurück war, hob Christian ihn ganz einfach hoch und trug ihn ins Haus, in dessen Flur das Licht schon brannte. So konnte Nik die altmodische Garderobe sehen, die rotbraun glänzte. Es konnte nichtlange her gewesen sein, dass sie geputzt wurde. Auch der restliche Raum wirkte sauber und ordentlich. Der einzige Schmutz waren die Fußstapfen, die Christian hinterließ. Und doch blieb das schale Gefühl der Einsamkeit erhalten. Vielleicht wurde es ja auch durch diese absolute Sauberkeit verstärkt. Das änderte sich auch nicht, als Christian eine der beide Türen öffnete und somit den Blick auf ein in Dunkelheit liegendes Wohnzimmer freigab. Deutlich traten die Umrisse der inmitten des Raumes stehenden Couch hervor, die noch dunkler war, als der Rest des Zimmers, ebenso wie eine Anbauwand, in welcher der Fernsehbildschirm den schwachen Glanz der Mondstrahlen widerspiegelte. Sanft ließ Christian ihn auf einen nahestehenden Sessel niedergleiten, bevor er sich mit den Worten entschuldigte, das Gästezimmer noch herrichten zu müssen und den Raum verließ. Allerdings nicht ohne vorher das Licht anzuschalten. Nun konnte Nik das Zimmer in Licht und Farbe bewundern. Es war einfach aber doch elegant und geschmackvoll eingerichtet. Der Boden wurde mittig bedeckt von einem hellen, fast weißen Teppich. Der Rest bestand aus Parkett oder zumindest aus einem Laminat. Die Anbauwand bestand fast nur aus offenen Fächern, in den zum größten Teil Bücher standen, deren Titel er nur in der ihm nächsten Teil lesen konnten. Größtenteils waren es Klassiker der Weltliteratur, wie Lew Tolstoi oder auch Goethe. Und einige Romane aus neuerster Zeit schienen auch dabei zu sein. Allerdings sagte ihm diese Namen nichts. In einigen Fächern befanden sich auch Gläser für verschieden Getränke. Ihm stachen vor allen Dingen die Römer ins Auge, die alle mit einem Breiten, roten Rand versehen waren und blutrot glänzten. Die Couch war, wie der Sessel, auf dem er jetzt saß und der Sessel zu seiner Rechten von einem cremigen Beige. Der Stoff fühlte sich angenehm weich und warm an. Vorsichtig, um seinen verletzten Fuß zu schonen, zog Nik die Beine an und lehnte sich seitlich an Rücken- und Armlehne, so dass sein verletzter Fuß auf dem linken Unterschenkel ruhte. Behutsam schlang er seine Arme um die Knie. Von seinem jetzigen Blickwinkel konnte er auch die hinter dem Sessel befindliche Wand sehen, in der die Tür zum Flur war und noch eine fast doppelt so breite Schiebetür, von der er nur raten konnte, wohin sie führte. In der angrenzenden Wand, ihm genau gegenüber war ebenfalls eine Tür. Daneben hing ein Gemälde auf dem ein halbaufgerichteter Mann gedankenverloren in die Wüste schaute. In seinen Armen, bedeckt von seinem Umhang, schlief eine Frau. Das Bild strahlte Wärme und Ruhe aus. Nik spürte jetzt allmählich die Müdigkeit, die ihn schon eine Weile gefangen hielt und er kuschelte sich zusammen, ohne das Bild aus den Augen zu verlieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)