Catwalk von Niemue (Hin und her) ================================================================================ Kapitel 15: ------------ Die Hände, die er in seine Haare gekrallt hatte, zitterten. Die Knie, die er nah an seinen Bauch gezogen hatte, zitterten. Die Schultern, die er bei dem Versuch sich so klein zu machen, dass ihn niemand mehr sehen konnte, verkrampft hatte, zitterten. Seine Lippen, die verzweifelt die brutalen Schluchzer zurückhielten, die aus seinem Innersten brechen wollten, zitterten. Sein ganzer Körper zitterte. Es war dunkel um ihn herum, dunkel in ihm drin. Seine Gedanken liefen im Kreis. Seine Ängste fraßen ihn auf. Ein Zucken lief durch seinen Körper, als sich plötzlich etwas Weiches und Warmes um ihn schmiegte. Er tauchte aus seinen Gedanken auf und blinzelte in die durch zurückgedrängte Tränen verschwommene, verwischte Dunkelheit vor ihm. „Hey…Elias…“ Er sah nicht auf. Er konnte einfach nicht. Diese warme, besorgte Stimme war einfach zu viel für ihn. Er wollte sie nicht hören, wollte nicht, dass sie ihn noch weiter verletzte. Er wollte nich mehr verletzt werden! Keuchend vor Anstrengung sein Schluchzen zu unterdrücken wich er vor Kyoheis Stimme zurück, rutschte weiter zurück über den kalten, glatten Boden in die Ecke zwischen dem Bett und der Wand, versuchte die Decke, die Kyohei ihm über die Schultern gelegt hatte, mit starren Fingern von sich zu zerren. Ihm sollte kalt sein, so kalt, dass seine Empfindungen, Gedanken und Gefühle erstarrten, dass er erfror. Äußerlich und Innerlich. Kyohei kniete sich vor ihn, rückte an ihn heran. Er konnte seinen warmen Atem auf der Haut seiner Unterarme spüren, als dieser sich über ihn beugte. „Elias…Komm, steh auf. Das ist viel zu kalt. Komm hoch, Elias.“ Ein Wimmern presste sich zwischen seinen Lippen hervor, aus ihm heraus. „Na, komm…“ Arme schoben sich um ihn, Hände griffen um seinen Oberkörper herum, zogen ihn hoch. Er wurde an eine breite Brust gelehnt. Der Duft, der von dem anderen, warmen Mann ausging, stieg ihm in die Nase, ließ seine Nasenflügel beben. Er kannte diesen Duft gut. Hatte ihn seit mehr als 2 Jahren in der Nase. Erinnerte sich jeden Tag an ihn. Wie auch an alles andere aus dieser Nacht. „Elias…?“ Wie diese Stimme, die sachte seinen Namen hauchte, die ihn um den Verstand brachte, ihm die Tränen auf die Wangen trieb. Krächzend gab Elias auf. Er schrie unterdrückt auf, krallte seine Finger in Kyoheis Arme und biss in den Stoff des Pullovers, an den sein Gesicht lag. Harte, durchdringende Schluchzer brachen aus ihm hervor. Tränen fluteten seine Wangen. Seine Gefühle wrangen ihn regelrecht aus, pressten das salzige Nass aus ihm heraus. Arme umfassten seine zuckenden Schultern, hielten ihn an Kyohei gepresst. „Sch…mein Kleiner…“ Weiche Lippen strichen über seine Stirn, über seine zu gezwungenen Augenlider, die doch nicht seine Tränen aufhalten konnten. Er wollte nicht weinen. Er wollte nie wieder weinen. Es war Jahre her, seit dem er das letzte Mal geweint hatte, warum sollte er es also jetzt tun?! Es ergab keinen Sinn! Elias wurde auf das Bett gesetzt. Kyohei saß nah neben ihm, umarmte ihn, strich ihm die Locken aus dem Gesicht. Er redete auf ihn ein, beruhigende, sinnlose Worte. Sie halfen nicht, es machte alles nur noch schlimmer. Er konnte sich einfach nicht beruhigen. Und so saßen sie eng aneinander geschmiegt auf dem Bett. Der eine weinend, der andere tröstend. Elias hatte Schluckauf. Es war entnervend. Vor allem weil er sich jedes Mal selbst erschreckte, wenn das laute Hicksen durch das vollkommen stille Zimmer schallte. Er hatte sich wieder beruhigt, aber sie saßen immer noch eng zusammen da. Kyohei hatte aufgehört auf ihn einzureden. Nun herrschte eine unangenehme Stille zwischen ihnen. Das alles war Elias peinlich. Es hätte nicht so weit kommen sollen. Er hätte sich nicht so gehen lassen sollen. Er hatte schon lange nicht mehr geweint. Er konnte sich gar nicht mehr richtig daran erinnern. Das letzte Mal musste wohl in der 12. Klasse gewesen sein; als er herausgefunden hatte, dass er auf Männer stand. Langsam löste sich Kyohei von ihm, strich ihm Haarsträhnen aus dem gesenkten Gesicht. Er schien ihn genau zu mustern, schien darauf zu warten, dass er etwas sagte. Doch Elias wusste nicht, was er jetzt in dieser Situation intelligentes von sich geben könnte. Wahrscheinlich war seine Stimme eh brüchig und schwach. „Elias. Was ist alles passiert, dass du so verbittert bist? Wieso denkst du jeder wolle dich nur ausnutzen? Ich verstehe nicht, wie du…“ Kyoheis Stimme schwang sich in Elias’ Ohr, drang in seinen Kopf ein. Wäre sie nicht so sanft und samtig, würde sie sich ihm regelrecht aufzwingen. „Bitte. Frag mich das nicht. Ich will vor dir nicht schon wieder in peinliche Tränen ausbrechen.“ Die breite Brust vor ihm hob sich für einen tiefen Seufzer. Hände, wie immer warm und einladend groß, legten sich um Elias’, brachten ihm ein lang ersehntes Gefühl von Geborgenheit. „Elias, was ist nur in den zweieinhalb Jahren mit dir passiert?“ „Kyo…Ich kann das nicht. Hör auf. Ich kann dir das einfach nicht erzählen. Weil…Es ist einfach nichts passiert, ok?!“ Ein verständnisloser Blick traf ihn, durchleuchtete ihn. Kyoheis Miene wurde trauriger, besorgter. „Aber du hast dich so verändert…“ Elias senkte den Kopf, vergrub sein Gesicht in Kyoheis weichem Pullover. Wieso musste er jetzt wieder damit anfangen. Gerade jetzt, wo sie sich wieder etwas näher gekommen waren. „Bitte, sag das nicht noch einmal. Quäl mich nicht damit.“ „Du quälst dich selbst damit! Wieso musstest du dich so verändern? Du warst gut, so wie du warst! Wieso musstest du so abstumpfen? So gefühllos und kaltschnäuzig werden?“ Eine Hand zwang ihn den Kopf zu heben, Kyohei anzusehen, in die dunklen Mandelaugen zu blicken. Elias wusste, dass er antworten musste. Es gab keinen Weg daran vorbei. „Weil ich hart werden musste. Weil ich es sonst nicht ertragen hätte.“ „Aber du hast dich verschlossen. Du bist unpersönlich und leer. Du bist so dürr, leer und blass geworden, als hättest du kein Interesse mehr am Leben. Ich habe dich kaum wieder erkannt, als ich dich im Wohnzimmer auf dem Sofa habe sitzen sehen.“ „Du verstehst mich nicht! Jeder hat mich nur als dummes, kleines, naives Kind gesehen! Jemand, den man ausnutzen kann! Auch du…“ „Ich habe dich nicht so gesehen.“ Es folgte Stille. Hände legten sich auf Elias’ Wangen. Kyohei sah ihm mit seinem dunklen Mandelaugenblick in die Augen. Dieser Blick war so durchdringend, dass es Elias Angst machte. So wie Kyohei ihn ansah, konnte er alles über ihn herausfinden, er würde bald alles über ihn wissen. Wie dreckig er war. Wie verbraucht er war. „…Ich habe dich nicht so gesehen, nie…Ich wusste, dass du nich naiv bist, dass du nicht nur unsicher bist und so süß verwirrt, wie du es gezeigt hast. Ich wusste, dass du andere Seiten hast, dass du intelligent bist, dass du aufregend, mutig und vielseitig bist. Und ich hatte auch nicht vor, dich wie Müll wegzuwerfen wie andere. Das hatte ich wirklich nicht vor. Und es tut mir Leid, dass du das damals so aufgefasst hast…Ich…konnte nicht anders. Auch ich bin schwach. Ich konnte mich einfach nicht gegen Rikuo wehren…oder gegen dich. Ich bin nicht immer so stark, wie ich es vielleicht zeige. Bitte, glaube mir das. “ Elias nickte nur. Er sah in Kyoheis Augen und wusste, dass es stimmte. Kyohei log nicht. Er log ihn nicht an. Es war die Wahrheit. Lippen legten sich auf seinen rechten Mundwinkel, liebkosten ihn. Eine Zunge berührte seinen Mund, umfuhr seine Lippen, glitt zwischen sie und nahm Elias vollkommen ein. Sie küssten sich lang, lösten sich wieder voneinander, verteilten kleine Küsse auf den Lippen des anderen. Elias erzitterte unter diesen Zärtlichkeiten. Wie sehr hatte er die Berührungen dieses Mannes vermisst. Kyohei rückte etwas von ihm fort, sah ihm besorgt ins Gesicht. Und wieder hatte er das Gefühl durchleuchtet zu werden bis aufs Blut. Elias wurde nervös. Seine Hände fuhren zittrig über Kyoheis Brust. Kyohei durfte das nicht von ihm wissen. Er musste ihn ablenken, musste diesen alles durchleuchtenden Blick auf etwas anderes lenken. „Tut mir Leid, dass ich dich geschlagen habe…Du…du hast mich so wütend gemacht, mit dem, was du gesagt hast…ich…“ „Nein, mir tut es Leid…Ich hätte so etwas nicht sagen sollen…Es hat mich nur so wütend gemacht…der Gedanke, dass du so etwas Abscheuliches über mich denken könntest; das habe ich nicht ertragen…“ Elias strich Kyoheis Brust hoch, spürte die eleganten, angespannten Muskeln unter seinen Fingern, die Weichheit und Wärme des Pullovers, die sanfte Zartheit von Kyoheis Haut. „Ich…Das habe ich nur so…“ Kyohei beugte sich vor und verschloss Elias’ Mund mit seinem, küsste ihn wild und leidenschaftlich, so dass die Hitze, die augenblicklich in ihm aufstieg, alle Gedanken in seinem Kopf verbrannte. Leise stöhnend vergrub Elias seine Finger in Kyoheis langen Haaren, genoss die seidige Fülle auf seiner Haut und Kyoheis forsche Finger unter seinem T-shirt und auf seinem Oberschenkel. Schwer atmend lösten sich ihre Lippen voneinander. Ihre Blicke berührten sich. Zärtlich wurde Elias näher an Kyoheis Körper gezogen, spürte die Hitze und die Leidenschaft, die von dem anderen, harten Körper ausging. „Elias…“ Kyoheis Stimme war heiser, leise, elektrisierend. „Elias, ich will mehr von dir.“ Elias wurde unsicher, senkte den Kopf leicht und errötete sacht. „Kyo…deine Eltern können jederzeit zurückkommen…mal von deinem neugierigen Bruder ganz abgesehen. Ich denke nicht, dass wir…“ Zarte Finger schoben sich auf seine Lippen. Elias spürte, wie ein Beben durch den Körper des anderen fuhr. Hatte er ihn wütend gemacht? Besorgt blickte er auf. Doch anstatt Unmut zu entdecken, strahlte Kyohei ihn erheitert an. Elias konnte das Lachen förmlich aus Kyoheis Stimme heraushören. „Nein! Das meine ich gar nicht! Du verstehst mich falsch. Ich will mehr von _dir_. Nicht nur jetzt…ich meine…die ganze Zeit.“ Kyohei war die ganze Zeit scharf auf ihn?! Nein, das konnte er nicht meinen. Elias verstand ihn nicht. „Ich…Ich versteh dich nicht.“ „Ich will…dich umarmen können, wenn ich möchte, ich will dich überall küssen können, in der Öffentlichkeit, ohne viel zu erklären.“ Elias runzelte die Stirn. Verzweiflung breitete sich in ihm aus. Er verstand ihn einfach nicht! Kyohei sah ihm sofort an, dass er kein Wort verstand. „Ich will dich anderen Leuten, als *IHN* vorstellen. Ich will dir nahe sein, näher als irgendjemand sonst. Verstehst du?“ Elias riss seine Augen in plötzlicher Erkenntnis auf. Das konnte doch nicht sein. Kyohei wollte… „Du willst mit mir zusammen sein?!“ „Mit dir zusammen sein, dich als meinen Lebenspartner, Liebhaber, Lover haben, mit dir eine Beziehung führen, mit dir gehen, such dir was aus…Ich wollte es eigentlich romantischer formulieren…“ Elias’ Lippen verzogen sich zu einem zittrigen Lächeln. Sanft strich er mit seinen Fingern über Kyoheis zarte Wange. „Tut mir Leid…aber von Romantik habe ich absolut keine Ahnung…“ Kyohei hauchte kleine Küsse auf seine Lippen. „Dann werde ich dir Romantik beibringen…“ „Tu das…“ Sie küssten sich tief und innig, umschlossen von der warmen Decke und der undurchdringlichen Dunkelheit des Zimmers. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)