Catwalk von Niemue (Hin und her) ================================================================================ Kapitel 13: ------------ „Elias. There is a phone-call for you.“ („Elias. Da ist ein Telefonanruf für Sie.”) Überrascht blickte Elias von seinem Versuch auf, Reis mit Stäbchen zu essen und warf einen kurzen Blick in die Runde. Alle anderen am Tisch sahen ihn an. Es lag eine gewisse Spannung in der Luft. Anscheinend wollte man wissen, wer ihn anrief. Aber Elias wusste es selbst nicht. Er hatte seinem Chef, Mirko, Enzo und auch Sven einen Brief geschrieben und nach Absprache mit Kyohei die Telefonnummer des Hauses genannt. Es könnte jeder von ihnen sein. Gespannt erhob er sich und folgte Thomas Jackman in den Flur, in dem auf einem kleinen Tischchen das Telefon stand. Elias wartete, bis der Amerikaner wieder ins Esszimmer gegangen war, dann nahm er erst den Telefonhörer in die Hand. „Ja? Hallo?“ „Hey, Babe.“ „Enzo!“ Elias war wirklich überrascht. Wieso rief Enzo ihn an? Er hatte ihn noch nie angerufen, selbst nicht zu Hause, behauptete immer, er hasste es zu telefonieren. Warum rief er an?! „Warum rufst du an?“ „Hmm, nur so.“ Jetzt war Elias wirklich verwirrt. „Wie? Nur so?! Da muss es doch einen Grund geben, ist was passiert?“ Enzo lachte. Normalerweise hätte dieses Lachen Elias einen elektrisierenden Schauder über den Rücken laufen lassen. Aber er war besorgt. Wenn Enzo ihn anrief, dann musste etwas passiert sein! „Stimmt, ich rufe nicht *nur so* an. Ich vermiss dich.“ Vor Verwunderung stockte Elias der Atem. /Was? Er vermisst mich?/ „Elias, bist du noch dran?“ „J…Ja, ja, ich bin noch dran. Was…?“ Enzo seufzte am anderen Ende der Leitung auf. Elias konnte nicht heraushören, ob es ein genervtes oder belustigtes Seufzen war. „Ich vermisse dich, deshalb wollte ich deine Stimme hören und deshalb rufe ich dich an.“ „Ah, ok…“ Es herrschte einen Moment Schweigen. Elias wusste gar nicht, was er sagen sollte. Worüber sollte er sich mit Enzo am Telefon unterhalten? „Störe ich dich?“ Dieser Ton! „Nein! Du störst mich nicht. Ich bin nur überrascht, dass du anrufst…Wieso…wieso fragst du das so komisch? Du bist ja plötzlich richtig schnippig.“ Enzo seufzte auf. Diesmal hörte Elias auf Anhieb heraus, dass er genervt war. „Ich hab mich mit Mirko Kading, deinem Arbeitskollegen, unterhalten, und zwar darüber, dass du ja jetzt in Japan bist und einen Artikel über die neusten japanischen Modetrends und Kyohei Yamuras Verletzung schreibst. Und dann sagt er in einem ganz komischen, anzüglichen Ton: ‚Ach ja! Elias und seine Japantrends.’ Und ich frage nach: ‚Ja, lieber Mirko, was willst du mir denn damit sagen?’“ Enzos Stimme wurde immer laute, immer hitziger und Elias Gesichtsfarbe ging immer weiter ins Rote über. Enzo war nicht wieder zu erkennen. Er war richtig wütend, richtig aggressiv. Aber Elias konnte sich den Grund schon denken. Wenn Mirko etwas damit zu tun hatte, würde dieses Problem nur sehr schwer wieder zu beheben sein. Mirko wusste einfach zu viele pikante Dinge über ihn. „Und dann sagt Mirko mit einem Engelsgesicht, das ich beinahe kotzen könnte: ‚Ja, der Elias, der hatte ja mal was mit Kyohei Yamura, diesem scharfen Gerät, Wasabi ist nichts gegen den. Wusstest du das nicht, Enzolein?!’“ Elias verschluckte sich an seinem entsetzt geholten Atem und hustete erst einmal in die Sprechmuschel. Vollkommen panische Gedanken zischten in seinem Kopf herum. Mirko! Diese Tratschtante! „Ich…ich dachte, das wüsstest du! Ich dachte, dass hättest du schon längst irgendwo aufgeschnappt! Jeder wusste das!“ „Lüg mich doch nicht an! Du hast mir das verschwiegen, damit ich dich schön nach Japan fliegen lasse und du dich da von diesem ‚Wasabi-auf-zwei-Beinen’ vögeln lassen kannst! Hätte ich das gewusst, hätte ich dich nicht fliegen lassen!“ Elias atmete scharf die Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen ein. Wie redete dieser Kerl mit ihm?! „Was fällt dir ein?! Wir sind nicht verheiratet! Du hast kein Recht dich darüber aufzuregen! Ich darf vögeln mit wem ich will! Und wenn ich mit Wasabi, Melonenbrot oder Chinakohl ficken will, dann tu ich das! Ohne dich zu fragen! Es kann ja sein, dass du mich liebst, aber ich habe dir nichts darauf erwidert! Also solltest du besser kleine Brötchen backen und mich in Ruhe lassen, sonst überlege ich es mir noch mal zu dir zurückzukommen und bleibe in Japan!“ Elias hörte regelrecht, wie Enzo in Europa auf seine cholerische Art aufbrausend nach Luft schnappte. „Du Schlampe!“ „Du eifersüchtiger Hysteriker!“ Enzo legte auf –Elias nahm an, dass er eher das Telefon durchs Zimmer schleuderte. Elias knallte wütend den Hörer auf die Gabel und fuhr sich mehr als aufgebracht durch die Locken, die ihm sowieso schon elektrisch aufgeladen vom Kopf abstanden. Ein amüsiertes Lachen ließ ihn herumfahren. Kenta stand mit einem breiten, wirklich belustigten, spitzbübischen Grinsen an der Wand gelehnt und strahlte ihn mit seinen dunklen Kyohei-Augen an. „Dein Lover?“ „Das geht dich nichts an!“ Noch immer wutschnaubend schob Elias sich an dem Jugendlichen vorbei. „Du will ficken mit Melonenbrot?!“ Kenta brach in Gelächter aus, als Elias nach dieser Bemerkung rot anlief und schnell ins Esszimmer zurückkehrte, um unter den besorgten Blicken von Thomas und Kazusa Jackman und dem ebenfalls belustigten Blick von Kyohei wieder am Tisch Platz zu nehmen und wütend seine Reisschale mit den Stäbchen auszustäbseln. Enzo würde was zu hören bekommen, wenn er nach Hause kam! Wie peinlich! Elias tippte die letzten Zeilen in die Email, die für seinen Chef war, und packte das Worddokument und die Fotos, die er von Kyohei Yamura und sogar von Kyohei Yamura mit seiner Familie zusammen gemacht hatte, in den Anhang der Mail und drehte sich dann zu dem langhaarigen, trotz der noch leicht roten, aber kleinen Narbe im Gesicht gut aussehenden Japaner um, der direkt hinter ihm stand und ihm bis jetzt über die Schulter gesehen hatte, etwas dass ihn sich mehr als nur ein wenig beobachtet und unwohl hatte fühlen lassen. „Soll ich es abschicken?“ Kyohei blickte auf ihn herab. Das tat er öfter. Kein Wunder, wenn er fast 1,90m groß war und Elias nur 1,67m. Dann legte er seine Hände auf die Stuhllehne in Elias Rücken und lächelte beinahe verschmitzt. Das tat er auch öfter. Lächeln. Ihr Verhältnis hatte sich von dem höflichbissigen zu einem einigermaßen normalen gewandelt. Ein angenehmes Arbeitsverhältnis, so dass Elias bereits nach den wenigen Tagen, die er jetzt schon in der Familie Jackman/Yamura verbringen durfte, den Artikel über Kyoheis Verwundungen und derzeitigem Gemütszustand, so wie seine weiteren Arbeitschancen mit diesen Verletzungen fertig stellen konnte. „Nun…Wenn du es nicht abschicken würdest, wäre deine Anwesenheit hier vollkommen sinnlos, findest du nicht? Ich denke, du solltest endlich auf ‚Send’ drücken und diesen Krampf an vorsichtigen Formulierungen, damit der Leser etwas von meinem Privatleben erfährt, ohne wirklich etwas Persönliches von mir in Erfahrung zu bringen, vergessen.“ Elias musste schmunzeln. „Du hast Recht. Das war wirklich ein Krampf. Mir raucht jetzt noch der Kopf.“ Er drehte sich um und tippte entschlossen den Send-Button an. So, das war’s. Auftrag Nummer 1 erledigt. Mit einem mehr als erleichterten Seufzen sackte Elias gegen die Lehne, schreckte aber sofort wieder auf, als er Kyoheis Hände in seinem Rücken spürte, die dieser auf der Lehne liegen hatte. „Oh, ’tschuldigung.“ „Kein Problem.“ Elias schloss das Emailprogramm und fuhr den Laptop herunter. Im Zimmer war es dunkel. Bis jetzt war der Laptop die einzige Lichtquelle gewesen, weil es noch hell gewesen war, als sie zusammen angefangen hatten den Artikel, den Elias auf einem Block vorgeschrieben hatte, abzuschreiben, und niemand es für nötig befunden hatte, das Licht anzumachen. Die Dunkelheit um sie herum schien alle Geräusche zu verschlucken. Denn nichts drang an Elias’ Ohr. Nicht einmal das leiseste Rascheln von Stoff. Dann ein Aufatmen, als würde Kyohei Luft holen, um etwas zu sagen. Dann das Rascheln von Kyoheis Pullover. Elias verkrampfte sich, als ihn etwas berührte. „…Elias…du…“ Er schob Kyoheis einschleichende Hände von seinen Schultern und schob den Stuhl zurück, gegen Kyohei, sodass dieser zurücktreten musste, damit Elias endlich Freiraum bekam. Schon den ganzen Tag hatten sie aufeinander gehockt. „Nein.“ Das war das einzige, was er sagte. Und es schien das richtige gewesen zu sein, denn im Dunkeln konnte er sehen, wie Kyohei nickte, ihm zustimmte. Wieder waren sie in die Dunkelheit und Stille gehüllt, wie in Watte. Es war unangenehm. Elias hörte Kyohei Seufzen. „Wir sollten Essen gehen, zur Feier des Tages. Die ganze Familie. Ich lade dich ein.“ Das Modell wartete nicht auf eine Antwort, sondern drehte sich um und trat zur Tür. Kurz bevor er das Zimmer verließ, betätigte er den Lichtschalter und Elias stand erschrocken und vom plötzlichen, grellen Licht geblendet am Schreibtisch. Dadurch, dass er nichts sah, konnte er Kyohei auch nicht an seinem Plan hindern. Das Lokal war klein, gemütlich und lauschig. Sie wurden extra zu einem separaten Raum geführt. Wahrscheinlich weniger, weil es hier so üblich war, als weil Kyohei darum gebeten hatte. Er wollte nicht, dass ihn alle anstarrten. Schließlich war es sensationell, direkt neben dem hier in Japan sehr berühmten Kyohei Yamura in einem Restaurant zu sitzen, und noch sensationeller, direkt neben dem hier in Japan sehr berühmten Kyohei Yamura in einem Restaurant zu sitzen, nachdem dessen Verletzungen gerade so verheilt waren, dass man sie ohne Verband oder Pflaster bewundern konnte. Kenta machte einen holprigen Witz auf Deutsch, dass Kyohei sich wie eine Diva verhalten würde. Aber Elias verstand ihn. Wenn er Kyohei wäre, hätte er auch gerne auf glotzende Gaffer beim gemütlichen Abendessen mit seiner Familie und Gast verzichtet. Nachdem sie sich an den Tisch gesetzt hatten und die Bedienung sich nur ständig verbeugend und katzbuckelnd wieder verzogen hatte, hatte Elias sogar das Gefühl, es könnte ein netter Abend werden. Denn mit Kenta und Thomas in einem Zimmer wurde es nie langweilig, vor allem wenn Kyohei dabei war, dieser machte die Unterhaltungen, die größtenteils aus Beleidigungen und Beschwörungen bestand, noch interessanter, indem er eine große Prise Zynismus und Sarkasmus mitbrachte, zu Elias’ großem Vergnügen zum Nachteil beider Parteien, nicht nur für Thomas. Kenta sah verdammt witzig aus, wenn er mit roten Wangen und aufgeplusterten Backen versuchte seinem Bruder nicht an die Kehle zu springen, wenn dieser wieder einmal einen wunden Punkt getroffen hatte. Kazusa Jackman ließ dieses Chaos kalt. Sie saß immer nur ruhig dabei, schmunzelte, machte hier und da mit ihrer sanften, melodiösen Stimme eine belustigte Bemerkung über die Belebtheit ihrer Kinder oder versuchte ihrer kleinen Tochter Karin, die auf Elias wirkte wie ein Schwamm, geduldig so viele der so eben gefallenen, englischen Wörter zu erklären, wie sie konnte, wobei sie darauf achtete, dass es sich dabei nicht um Schimpfwörter handelte. Auch an diesem Abend war es wieder wundervoll erheiternd dieser Familie beim essen zuzusehen. „Thomas, you have rice on your cheek.” („Thomas, du hast Reis an deiner Wange.”) Kazusa beugte sich zu ihrem Ehemann und wischte ihm zärtlich mit einer Serviette zwei Reiskörner aus dem Gesicht. Alle anderen am Tisch besahen sich dies belustigt. Und Kenta begann Runde 1 mit einem aggressiven, linken Haken, alle schauten auf den Jugendlichen. „Haven’t you learned to eat rice with chopsticks yet?! How dump do you are, old man?!” („Hast du immer noch nicht gelernt Reis mit Stäbchen zu essen?! Wie dumm bist du, alter Mann?!“) Nun richteten sich alle Blicke wieder auf Thomas. Was würde er erwidern?! „That’s not right! I can eat with chopsticks! Rice just sticks everywhere!” („Das stimmt nicht! Ich kann mit Stäbchen essen! Reis klebt nur überall!“) Die Blicke wieder auf Kenta. „I’m sure, that not just rice sticks everywhere on you, you old skunk!“ („Ich bin sicher, nicht nur Reis kebt überall an dir, du altes Stinktier!”) Die Aufmerksamkeit galt wieder Thomas, der langsam aber sicher rot vor Wut wurde. „I’m not fishy, you sprog! And anyhow I’m not so old yet, that I have got an incontinence!” („Ich stinke nicht, du Kleinkind! Und immerhin bin ich noch nicht so alt, dass ich inkontinent bin!”) „Something, what still Kenta was when he was 12. Little bedwetter.“ (“Etwas, das Kenta immer noch mit 12 war. Kleiner Bettnässer.”) Alle Köpfe ruckten zu Kyohei herum, der lässig grinsend in die Runde blickte, während er die letzten Reiskörner aus seiner Schale perfekt und elegant mit seinen Stäbchen in seinen Mund beförderte. Kenta gab ein lautes, gequältes Zischeln von sich und bekam rote Ohren. Er sah aus wie eine Teekanne. „That is a lie! Don’t lie so impudently!“ („Das ist eine Lüge! Lüg nicht so unverschämt!“) Kyohei lachte auf und wackelte breiter grinsend mit den Augenbrauen auf eine –in Elias’ Augen verdammt scharfe, provozierende Art und Weise. „I don’t lie, honey! Ask mother! She had to wash your sheets!” („Ich lüge nicht, Honey! Frag Mutter! Sie musste deine Bettlaken waschen!“) Diesmal wanderte der Blick zu Kazusa, doch die lächelte nur auf ihre bescheidene Art und zuckte fast kaum wahrnehmbar die Schultern. „Sorry, but I can’t remember, when I washed Kenta’s sheets the last time.” („Entschuldigung, aber ich kann mich nicht erinnern, wann ich Kentas Bettlaken das letzte Mal gewaschen habe.”) „But I can remember! Mother had to wash these wet sheets for at least one time a week, because you couldn’t withstand it till you were 13!” (“Aber ich erinnere mich! Mutter musste diese nassen Bettlaken mindestens einmal die Woche waschen, weil du nicht aushalten konntest, bis du 13 warst!”) Kenta schrie empört auf und spuckte fast die Reste seines Gerichts über den ganzen Tisch, was Karin so witzig fand, dass sie ausgelassen aufkreischte und versuchte Kenta mit ihrem Reis zu bewerfen, ohne dass ihre Mutter es bemerkte. Es war ein heilloses Chaos. Aber es war süß. Elias hätte wohl nicht gedacht, dass Kyohei eine so aufgeweckte und fröhliche Familie hatte, wenn man es ihm vor seiner Japanreise erzählt hätte. Denn das Bild, das er sich von Kyohei gemacht hatte, passte nicht zu dieser Familie. Jetzt allerdings passte Kyohei ganz natürlich in diese Familie. Elias musste also sein Bild von dem Japaner verändern. Allerdings hatte er nun noch weniger Ahnung, wie er den anderen einschätzen sollte. Kyohei hatte Recht gehabt. Sie kannten sich nicht. Als Elias das realisierte, machte sich in ihm ein beinahe alle Sinneseindrücke erdrückendes Gefühl breit. Ein Gefühl, dass ihm die Luft aus den Lungen presste und ihn in sich zusammenfallen ließ. Ein Gefühl, das so stark war, dass es ihn fast erdrückte. Angst und Trauer, gepaart mit Verzweiflung. Ein Molotowcocktail-Gefühl. Elias ließ sich von Kenta ein weiteres Mal Sake einschütten und schlürfte es überaus zufrieden und wirklich sehr unfein, während er sich genauso unfein mit dem Arm am Tisch aufstützte, um nicht allzu arg zu schwanken und damit sich sein Kopf nicht zu viel drehte. Er wusste nicht, wie viel er schon getrunken hatte. Aber wenn er als Europäer von Sake so betrunken geworden war, dann musste Kenta ihm wirklich sehr begeistert eingeschenkt haben. Dafür, dass sein Körper keine Balance mehr hatte, war er im Kopf aber noch erstaunlich klar. Er nahm alles wahr und verstand auch alles. Er verstand Kentas amüsiertes Grinsen. Er verstand Thomas missbilligendes Geschnatter. Er verstand, dass Karin ihre Mutter neugierig etwas fragte und dabei auf ihn zeigte. Und er verstand Kyoheis streichelnde Hand auf seinem Knie. Allerdings verstand er nicht mehr, warum er sich gegen diese Hand wehren sollte. Weshalb er sie auf seinem Bein ließ. Elias stellte sein Sakeschälchen auf den Tisch und stützte sich jetzt auch mit dem anderen Arm auf der Tischplatte ab. Er konnte Kyoheis Blicke spüren, die ihn schon seit einer ganzen Weile genau und durchdringend durchbohrten. Er hörte den Japaner etwas zu seiner Mutter sagen und sah ihn dann fragend in die Runde blicken. Er hörte Kentas enttäuschten, wütenden und jugendlichtrotzigen Einwurf und sah, wie Kyohei ihn einfach ignorierte. Kurz darauf spürte er, wie Kyohei ihm vom Stuhl half und mit ihm zusammen das Lokal verließ. An der Luft wurde Elias’ Kopf wieder etwas klarer und er löste sich von dem warmen Körper des anderen. „Elias, ich dachte mir, es wäre besser, wenn ich dich nach Hause fahre, damit du dich ausruhen kannst. Du hast vielleicht ein wenig zu viel getrunken und ich wollte Kenta nicht die Genugtuung geben dich unter den Tisch zu trinken.“ „Danke.“ Das Wort kam ihm erstaunlich klar über die Lippen. „Keine Ursache. Ich achte auf meine Gäste.“ Elias musste schmunzeln, weil er sich genau in diesem Augenblick an die Hand auf seinem Bein erinnerte. Da achtete aber einer _ganz genau_ auf seine Gäste. Kyohei ergriff gentlemanlike seinen Armen und geleitete ihn zum Auto. Er half ihm sogar auf den Beifahrersitz, bevor er hinter dem Steuer Platz nahm und langsam anfuhr. Elias fiel auf, dass Kyohei ein ausgezeichneter Autofahrer war. Er beschleunigte weich und er bremste weich. Äußerst angenehm und einlullend. Er wäre fast eingeschlafen. Doch ein Gedanke hielt ihn wach, bis sie vor dem Haus der Jackmans anhielten. „Wie kommen eigentlich die anderen nach Hause?“ Kyohei lächelte ihn sanft an und half ihm wieder aus dem Auto. „Elias, wir sind mit zwei Autos weggefahren, sie werden mit dem anderen Auto zurückfahren.“ Seine Wangen wurden warm. Er war sich sicher, dass er in diesem Moment sehr rot war. Das hatte er total vergessen. Kyohei lachte leise über ihn und leitete ihn mit einem starken, stützenden Arm im Rücken zur Haustür. „Süß.“ Elias errötete noch mehr. Zu seinem Pech schaltete Kyohei im Flur das Licht an, sodass dieser auch noch seine roten Wangen bewundern konnte. Peinlich. Kyohei hatte ihm gerade aus der Jacke geholfen, als das Licht plötzlich flackerte und ausging. Erschrocken stand Elias da und wusste nicht, was passiert war. „W…Was…“ „Vermutlich ist die Sicherung herausgesprungen. Geh ins Wohnzimmer, ich drehe sie wieder rein.“ Kyohei schob ihn vorsichtig in Richtung Wohnzimmer und ging dann zur Kellertür, die er öffnete und dann im Dunkeln verschwand. Es wirkte mehr als unheimlich, deshalb traute Elias sich nicht in das dunkle Wohnzimmer zu treten. Vielleicht fiel Kyohei im Dunkeln die Treppe runter? Als er einige Minuten später Fluchen aus dem Keller hörte, wollte er schon hinterher und nachsehen, ob er Kyohei von den harten Stufen kratzen musste, doch der Japaner kam mit einer Kerze in der Hand und einem besorgten Gesichtsausdruck aus dem Keller. „Die Sicherungen sind alle ok. Anscheinend ist der Strom ausgefallen. Mein Gott, das hatten wir lange nicht mehr.“ Elias brachte nichts mehr als ein leises ‚Oh.’ heraus, dann wandte er sich um und verzog sich im Wohnzimmer. Kyohei folgte ihm nach einigen weiteren Minuten und verteilte einige Kerzen im Wohnzimmer, die er dann mit einem Feuerzeug anzündete. Schweigend saßen sie schließlich auf dem Sofa. Kyohei zog sein Handy aus seiner Hosentasche und wählte eine Nummer. Dann sprach er schnell auf Japanisch und murrte unzufrieden vor sich her, bis er schließlich ein zustimmenderes Murren von sich gab und auflegte. „Die anderen bleiben im Restaurant, bis der Strom wieder da ist. Sie wollen mit den Kindern nicht mit dem Auto fahren, wenn die Ampeln ausgefallen sind.“ Elias seufzte auf und lehnte sich im Sofa zurück. „Tja, da kann man nichts machen.“ „Nein. Kann man nicht.“ Elias legte fasziniert den Kopf schief, als er sah, wie unglaublich Kyoheis Haare im Kerzenlicht schimmerten. Wie ein Sternenhimmel. Der Japaner schien zu bemerken, dass er ihn beobachtete, denn er wandte sich zu ihm um und lächelte beinahe verschmitzt. „Was?“ Elias musste zurücklächeln und schüttelte den Kopf. „Nichts.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Es ist alles ok.“ Kyohei grinste mittlerweile. „Gut.“ Elias rutschte vor und zog sich die Schuhe von den Füßen. Kyohei tat es ihm gleich. Und dann saßen sie wie schon so oft schweigend nebeneinander. Diesmal wieder im Dunkeln. „Und was jetzt?“ Kyohei zuckte die Schultern. „Keine Ahnung.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)