Catwalk von Niemue (Hin und her) ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Elias fuhr sich mit einem Seufzen durch die hoch gegelten Haare und besah sich sein Gesicht im Wohnzimmerspiegel. Ein wenig frustriert drückte er an den leichten Augenringen herum, die sein Gesicht verunzierten. In letzter Zeit schlief er irgendwie schlecht. Für Stunden lag er wach und konnte nicht einschlafen, warf sich von einer Seite zur anderen, obwohl kein Grund dafür vorhanden war. Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Sven hatte in seinem Liebesbrief an den Postboten geschrieben, dass sie sich um 9 Uhr am Eingang des neuen Clubs Moonshine treffen würden, falls der Postbote auch an ihm interessiert wäre. Und nun hing Svennemann seit einer unglaublich langen Zeit im Bad und föhnte an seinen Haaren herum. Genervt verdrehte Elias seine Augen und schlüpfte schon mal in seine Turnschuhe. „Sven! Mach voran! Es ist schon halb 9!“ „Ja! Ja! Bin schon dabei!“ Man hörte es laut poltern, dann ein herzhaftes Fluchen. Elias verdrehte die Augen. „Sven! Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du das Mobiliar ganz lassen könntest! Ich bin mir sicher, du siehst wundervoll aus!“ Ein leises Glucksen war zu hören, kurz darauf kam Sven mit einem verlegenen Grinsen aus dem Bad gerauscht und griff sich seine Jacke. „Tut mir Leid! Ich glaube, du musst nachher das Bad aufräumen! Ich hab mich extra bemüht keine Unordnung zu machen und ich hab es auch geschafft, bis mir die Puderdose aus der Hand gefallen ist, jetzt ist das ganze Waschbecken voller Puder! Sorry, Eli!“ Elias schloss seufzend seine Augen und zuckte die Schultern. „Ok. Ich sollte mich nicht aufregen, das mache ich gleich weg. Jetzt müssen wir uns beeilen, sonst kommen wir zu spät.“ „Huch!“ Verwirrt und überrumpelt ließ sich Sven aus der Wohnung schieben. „Was hetzt du denn so, Elias?! So kenne ich dich ja gar nicht!“ Elias schwieg darauf. Er ging einfach weiter die Treppe hinunter und wartete an Svens kleinem Golf darauf, dass dieser aufschloss. Er antwortete ihm nicht. Denn Sven hätte bestimmt Augen gemacht, wenn er ihm erzählt hätte, dass er sich vollaufen und zudröhnen lassen wollte, damit er endlich mal wieder ohne Probleme einschlief. Nicht dass sich der kleine Student Sorgen um ihn machte. Das wäre ja noch schöner, wenn er in einem besorgniserregenden Zustand wäre! Das war nämlich ganz und gar nicht so! Ihm ging es blendend! Nun gut, wieder eine Enttäuschung erfahren, aber was machte das?! War ja nicht die Welt! Schwungvoll setzte Elias sich auf den Beifahrersitz und trieb Sven zur Eile. Er war eigentlich auch neugierig auf den Postboten. Was war das wohl für ein Kerl? Er hatte ihn noch nicht zu Gesicht bekommen. Zügig fuhr Sven los, raste in die ein oder andere Kurve, hielt haarscharf an roten Ampeln –überfuhr die ein oder andere gelbe-. Anscheinend war Elias’ Nervosität auch auf ihn übergesprungen –oder er hatte einfach nur endlich kapiert, dass sie spät dran waren. Sven parkte sein Auto auf dem kleinen Parkplatz neben dem zum Club ausgebauten Loft. Es war wahrscheinlich reines Glück, dass sie noch eine Parklücke fanden. Gehetzt sprangen sie aus dem Auto und eilten zum Eingang, vor dem schon einige ziemlich bunt gekleidete, laut herumalbernde Leute Schlange standen. „Wuoah! Ist das voll hier!“ Elias verdrehte die Augen, verschränkte neben dem aufgedreht auf und ab Hüpfenden die Arme und blickte sich um, ob sie jemand ansah, der so wirkte, als würde er Sven kennen. Da bogen links von ihnen eine Gruppe junger Männer um die Ecke, die anscheinend auch in den neuen Club wollten. Svens Hand krallte sich in Elias’ Arm. „Da ist er!“ Verwundert musterte er die Gesichter der 4 Männer. „Welcher denn?“ „Der Rechte! Mit den ungewöhnlichen Haaren, die Wildreishaare!“ Elias wandte sich verwirrt zu seinem Mitbewohner um, um sich zu versichern, dass er jetzt nicht ganz übergeschnappt war. „Hä?! Was zum Teufel sind Wildreishaare?!“ Sven begann wie irre zu kichern und zuckte die Schultern. „Er war gestern beim Frisör und hat seine Frisur selbst als Wildreisfrisur bezeichnet. Ich denke, weil sie einerseits aus blonden, andererseits aus dunklen Strähnen besteht.“ Elias kniff die Augen zusammen und strengte sich an die verschiedenen Haartrachten zu erkennen. Und tatsächlich fand er die ‚Wildreisfrisur’; neben Karottenkopf, Nudelhaaren und Topfschnitt. Interessante Kerle. Er seufzte auf und verschränkte seine Arme vor der Brust, wartete darauf, dass die fremden Kerle sie erreichten, Sven und der Postbote sich breit grinsend mit Umarmung begrüßten und sie alle einander vorgestellt wurden. Der Postbote hieß Maximilian von Ragen und war ausnahmsweise mal ein netter, höflicher und sympathischer Kerl –im Gegensatz zu den Lovern, die Sven normalerweise an Land zog. Er war sogar so höflich, dass er nicht die ganze Zeit an Sven klebte, sondern auch versuchte ihn in Gespräche zu verwickeln und mehr über Svens Umfeld herauszufinden. Außerdem wurde er von ihm gezwungen mit zwei seiner Kumpel zu tanzen, die so gesehen auch nicht unhöflich und hässlich waren. Aber seine Laune heben taten sie auch nicht. Wie die vielen bunten Cocktails, die er sich im Laufe des Abends hinter die Binde gekippt hatte. Elias wusste schon gar nicht mehr, wie viele er getrunken hatte, als sein Kopf endlich benebelt auf die Theke sank. Seufzend legte er den Kopf auf seine Arme und schloss die Augen, versuchte den Lärm um sich rum, die fröhlichen, ausgelassenen Schwulen, die um ihn herumschwirrten auszublenden. Es funktionierte, jedenfalls so lange, bis ihm jemand auf die Schulter tippte und seinen Blick auf sich heben ließ. Einer von Maximilians Freunden stand leicht besorgt grinsend neben ihm und beugte sich leicht über ihn. Elias konnte sich nur schwach an den Namen erinnern -André oder Andreas- und dass er eben ein wenig enger mit ihm getanzt hatte. Aber irgendwie war das schon wieder weit weg und Elias konnte sich schon gar nicht mehr an das Lied erinnern, dass sie zu so rhythmischen Bewegungen verleitet hatte. „Geht es dir nicht gut, Elias?“ Der gegen die Musik angebrüllte Satz drang nur undeutlich an Elias’ Ohr. Er winkte nur ab. Egal. War alles egal. Ihm ging es gut. Kein Grund zur Nachfrage. „Hey. Was ist denn los?“ Sven hüpfte in Elias’ Blickfeld. Er winkte nur ab, aber dieser André schickte Sven einen beunruhigten Blick und meinte kackdreist: „Das Kerlchen hat anscheinend was über seinen Durst getrunken.“ „Tz….“ Elias winkte wieder ab. „Mir geht’s gut…Braucht nicht…äh…“ „Oi, Schnuggl. Du bist ja wirklich vollkommen betrunken!“ Elias schüttelte den Kopf und ertrug, dass Sven ihm besorgt den Kopf tätschelte. Knurrig und mit einer wirklich äußerst unkoordinierten, fahrigen Bewegung versuchte er die Hand abzuwischen und verlor dabei fast das Gleichgewicht auf dem kleinen Barhocker. Zwei starke Arme legten sich um seine Schulter und hielten ihn aufrecht und davon ab in der Mitte durchzuknicken wie ein Streichholz. Sein ganzer Körper schien plötzlich aus Gelatine zu bestehen. Der ganze Saal drehte sich. Elias schloss mit einem Stöhnen die Augen und versuchte das Blubbern in seinem Kopf, das Denken mit einem Mal unmöglich machte, wegzudrücken. „Hey, tu die Hände aus dem Gesicht. Das bringt nichts, davon siehst du auch nicht besser als vorher.“ Diese Stimme kam ihm bekannt vor. Wer war das?! Verwirrt blickte er auf. Und sah direkt in das amüsiert grinsende Gesicht seines Arbeitskollegen Mirko. War er jetzt vollkommen übergeschnappt?! Seit wann hatte man Halluzinationen, wenn man besoffen war?! Wo kam der auf einmal her?! Jetzt tauchte mit einem Mal auch noch Seamus Rosso, der Modedesigner auf, mit dem Mirko immer Knatsch gehabt hatte und beäugte ihn mit großen, braunen Rehaugen. „Oh, was hat denn das Zuckermäuschen?!“ Regelrecht verstört erwiderte Elias den Rehaugenblick und ließ vor Staunen den Mund offen. Wo kamen denn die ganzen Warnvorstellungen her?! „Oh! Mirko! Dich hab ich ja lange nicht gesehen! Lass dich drücken, du Kringelringel!“ Im nächsten Moment beobachtete Elias, wie sich Sven und seine Mirkohalluzination in den Armen lagen und sich strahlend begrüßten. Was lief denn hier ab?! Seit wann sahen andere Leute die Hallus von anderen Leuten und konnten diese sogar anfassen?! Die Modeschöpferwarnvorstellung beugte sich wieder näher zu ihm herunter und tätschelte seine rosige Wange. „Was hat er denn jetzt? Hat er zu viel getrunken? Er sieht ja vollkommen entrückt aus!“ „Er hat zu viel getrunken. Liebeskummer.“ Elias Kopf ruckte zu Sven herum. „Ich!...Ich hab keinen Liebesssss…“ „Schon gut, Elias. Lass gut sein. Du solltest nach Hause und dich endlich mal richtig ausschlafen. Du hast seit Tagen nicht richtig geschlafen.“ Was erzählte der Kerl da?! Das stimmte doch gar nicht! „Das stimmt nicht! Was weißt du denn?! Du weißt gar nichts! Du…du…“ Elias ballte wütend seine Hände zu Fäusten und rutschte vom Hocker. Mit verschwommener Sicht taumelte er an seinem Mitbewohner vorbei und quer über die Tanzfläche. Er wollte nur raus hier! Nur raus aus diesem Haufen fröhlicher Leute, die eh keine Ahnung hatten! Wie kam Sven zu dem Recht, einfach so zu lügen! Er hatte keinen Liebeskummer! Er konnte genug schlafen! Was ging den das an?! Er rempelte irgendjemanden an und stolperte, wäre fast hingefallen, aber fing sich im letzten Moment wieder. Aufgebracht stolperte er zur Garderobe und klatschte seinen Garderobenzettel auf die Theke. Der Angestellte nahm den Zettel sofort an sich und verschwand im Garderobenstangendschungel. Aufgebracht lehnte Elias sich gegen die Theke und starrte Löcher in den Wintermantel, der ihm gegenüber hing. So eine Unverschämtheit! Warum ließ Sven ihn nicht einfach in Ruhe und kümmerte sich um seinen neuen Liebeskummerüberbrücker! Warum vögelte er nicht einfach hirnlos durch die Gegend herum, wie er es sonst auch tat, und ließ ihn in Ruhe?! Warum mischte er sich einfach in seine Angelegenheiten ein?! „Hey! Warte mal!“ Jemand stolperte hinter ihm aus einer Gruppe von aufgebretzelten Tanten und stützte sich neben ihm an der Theke ab. „Stürm doch nicht einfach so weg, ich hab dich gesucht!“ Verwundert wandte Elias den Blick und nahm den anderen in Augenschein. Warte….Wie hieß der Kerl noch mal?! „Ich bin’s, André. Erkennst du mich durch den Alkoholdunst?!“ „Ich bin nich betrunk’n…“ „Doch.“ Wütend und mit funkelnden Augen fixierte Elias den anderen, versuchte seinen leicht schwankenden Blick nicht von dem anderen zu nehmen, der frech zurückgrinste. „Nein.“ „Doch.“ „Neeeeiiin…“ Egal wie lang gezogen, langsam und durchdringend er es sagte, der keckfreche, grinsende Ausdruck im Gesicht des Größeren blieb und die Antwort war schon wieder: „Doch.“ Elias gab auf und erwiderte einfach gar nichts mehr. Gereizt wandte er sich wieder den ordentlich aufgereihten Jacken zu und versuchte den anderen zu ignorieren. Was ihm aber nicht gelang, denn der andere sprach einfach zu laut. „Willst du jetzt nach Hause?“ … „Ja?“ …… „Nein?“ ……… „Hey, ich rede mit dir!“ ………… „Hey! Elias! Ne Antwort wäre angebracht!“ „Ja, verdammt! Ich will jetzt nach Hause!“ „Aha…Und wie willst du dorthin kommen?“ „Ich fahr mit…“ Elias stutzte und glubschte den Wintermantel von eben verdutzt an. Ja, wie kam er eigentlich nach Hause? Sven hatte den Autoschlüssel. Wie… „Ich…gehe einfach zu Fuß.“ „Ist das nicht weit bis zu dir?“ „Doch.“ Der andere schwieg zum Glück endlich. Stumm standen sie da. Dann kam endlich der Garderobenkerl und reichte ihm seine Jacke. André gab dem Kerl hinter der Theke dann seinen Zettel. „Und was machst du jetzt?“ Elias sah sich sofort einem Lausbubengrinsen gegenüber. „Ich fahre dich nach Hause.“ Verwirrt stand Elias da, mit nur einem Arm im Jackenärmel und dem Schal noch in der Hand, der im anderen Ärmel gesteckt hatte. „Hä? Aber…das musst du nicht!“ André lachte ihn an und nahm seine Jacke auch entgegen. „Doch, das muss ich, weil ich will und weil Sven mich darum gebeten hat. Komm gehen wir.“ Frustriert stolperte Elias dem anderen hinterher, der sofort auf den Ausgang zustrebte. Warum wurde ihm immer das Ruder aus der Hand genommen?! Er wollte zu Fuß gehen! Das war gemein! Die kalte Luft schlug ihm entgegen und klärte seinen Kopf ein wenig auf. Seufzend zog er sich die Jacke vernünftig an und schlang den Schal um seinen Hals. Grinsend trat André an ihn heran und legte den Arm wärmend um seine Taille. „Das Auto steht hinten auf dem Parkplatz. Na komm, wenn wir uns beeilen wird es uns nicht so schnell kalt.“ Mit dem vorwärts drückenden Arm im Kreuz eilte Elias schließlich neben dem großen Kerl auf den Parkplatz und zu einem kleinen Golf mit grünen Duftbaum am Rückspiegel. Innen war es genauso kalt wie draußen, so dass Elias sich frierend anschnallte und in den Sitz kuschelte. Sie fuhren auch sofort los und die Heizung tat ihr Bestes. Also besserte sich Elias’ Laune und er war nicht mehr so gereizt wie vorher. Allerdings war er misstrauisch. „Warum machst du das eigentlich?“ André warf ihm einen kurzen, verwirrten Blick zu. „Was?“ „Na, mich nach Hause fahren? Ich hätte auch zu Fuß gehen oder mit dem Discobus fahren können, so weit weg ist es nun wirklich nicht.“ „Hey, das ist doch wahrscheinlich ne halbe Stunde Fußmarsch! Und in deiner Verfassung wahrscheinlich noch ne Dreiviertelstunde! Die lass ich dich doch nicht zu Fuß gehen!“ Elias verzog schmollend seinen Mund und fasste den anderen wieder schärfer ins Auge. „Das ist doch nicht der Grund!“ „Sven hat mich drum gebeten!“ „Und was noch?!“ Sie hielten an einer Ampel, im Gegensatz zu Sven hielten sie bereits, als sie gelb war. André blickte ihn wie immer grinsend an. Diesmal war es aber ein unsicheres Grinsen. „Na ja, du bist süß und ich dachte, weil du betrunken bist und Liebeskummer hast, könnten wir ein wenig fummeln. Ich bin auch nur ein Mann!“ Elias seufzte auf und schloss frustriert die Augen. Dann knurrte er leise auf und legte den Kopf schief. Seine Gedanken waren noch ein wenig vernebelt, aber so betrunken, dass er das nicht überdachte, war er nicht. Nach einigen Minuten Schweigen seufzte er. „Das war ja klar. Ohne Hintergedanken tut man ja schließlich nichts für einen wildfremden Menschen.“ „Ja ja. Was sagst du denn jetzt dazu?!“ Elias stöhnte entnervt auf und zuckte die Achseln. „Du bist ein netter Kerl und siehst gut aus.“ Er zuckte wieder die Schultern. „Na, meinetwegen.“ Andrés Grinsen war jetzt so breit, wie Elias es noch nie bei jemandem gesehen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)