Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 13: Was das Herz will... -------------------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 13: Was das Herz will... Remus Lupin saß in der Bibliothek Hogwarts' und versteckte sich. So sehr er diese Tatsache auch versucht hatte abzustreiten, sich eingeredet hatte, dass er doch für die kommenden Prüfungen lernen und Stoff wiederholen musste, im Endeffekt lief es darauf hinaus, dass er hier war, weil er nicht zurück in den Gemeinschaftsraum wollte. Dort würde er James und Sirius über den Weg laufen, ihnen und all den anderen Gryffindors, die seinen Ausbruch auf der Party bemerkt hatten und die nun tuschelten und spekulierten, was ihn wohl ausgelöst haben mochte. Auch wenn die Allermeisten von ihnen sich in seiner Gegenwart zurückhielten, konnte er doch die schrägen Blicke nicht leugnen, die ihm zugeworfen wurden, wenn er morgens zum Frühstück schlich oder sich abends wieder in die Schlafsäle stahl. Und durch Peter, der seine Zeit zwischen ihm und den beiden Anderen aufteilte, hatte er ebenfalls bereits einige Gerüchte erfahren. Am Wenigsten behagten ihm die Spekulationen, die seinen unerwarteten Wutanfall mit seinen häufigen Krankheiten in Verbindung setzten, vor allem, weil in zwei Wochen seine monatliche Verwandlung, die erste in diesem Jahr auf Hogwarts, stattfinden würde. Zusätzlich zu den wachsamen Auroren konnte er es nicht auch noch brauchen, dass neugierige Schüler ihm nachspionierten und mehr Aufmerksamkeit auf ihn lenkten als unbedingt notwendig. Während der Unterrichtsstunden gelang es ihm glücklicherweise meist, sich der allgemeinen Neugier zu entziehen, was vor allem daran lag, dass die Professoren sie alle in ihrem letzten Jahr mehr forderten als je zuvor. Selbst die ZAGs wirkten nun, im Rückblick, mehr wie einfache Zwischenprüfungen, und das, obwohl sie alle nun viel weniger Fächer hatten, auf die sie sich konzentrieren mussten. Missmutig über den Weg, den seine Gedanken genommen hatten, obwohl er sich eigentlich fest vorgenommen hatte, sich nun zu konzentrieren, blätterte er eine weitere Seite von Arithmantische Algebra-Anwendungen um, die Zahlen und Formeln hatten bereits vor einer halben Stunde begonnen, in seinem Kopf zu schwirren, und mittlerweile war er definitiv reif für eine Pause. Vorsichtig legte er ein Lesezeichen zwischen die dicken Pergamentseiten und klappte das Buch zu – wenn er den großen Wälzer weiterhin betrachtete würde sein Geist ja doch nicht zur Ruhe kommen – bevor er sich zurücklehnte, die Augen schloss und sich mit einem leisen Laut streckte. Die Bibliothek war fast vollkommen still, immerhin war es Samstag und das schöne Wetter hatte fast alle anderen Schüler nach draußen gelockt. Das herbstliche Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster in breiten Streifen hereinfiel, wärmte Remus' Gesicht, zauberte den Ansatz eines Lächelns darauf, während er sich bemühte, alle seine Sorgen und Ängste zu verdrängen. Hier war er sicher, James und Sirius würden sich an einem ihrer freien Tage nicht hierherwagen und... „Remus?“ Die leise Frauenstimme ließ ihn zusammenzucken und fast wäre er von seinem Stuhl gefallen, doch im letzten Moment konnte er sich noch mit der Hand an der Tischkante abfangen, bevor er aufblickte. „Florence?“ Verdammtverdammtverdammt. Die Hufflepuff stand hinter ihm, hatte sich an eines der hohen, mit in Leder gebundenen Wälzern gefüllten Regale angelehnt und betrachtete ihn mit einem ernsten Gesicht. Remus wusste nicht, wie lange sie schon wartete, dass er sie bemerkte, doch er hatte in den letzten Minuten keine Schritte gehört, also vermutete er, dass sie ihn schon länger beobachtet hatte und verfluchte sich für seine Unaufmerksamkeit. Bei seiner Flucht in die Bibliothek hatte er zwar bedacht, dass dies der erste Ort war, an dem Florence nach ihm suchen würde, aber sich mit der Überlegung getröstet, dass sie ohnehin nicht mit ihm würde sprechen wollen – ein Fehlschluss, wie sich nun herausstellte. „Was machst du hier?“ Ihre blauen Augen bedachten ihn mit einem Blick, den er nicht so recht deuten konnte, und zögerlich trat sie auf den großen, schweren Holztisch zu, auf dem er seine Unterlagen ausgebreitet hatte. „Darf ich?“ „Klar.“ Abwesend, mehr um sich beschäftigt zu halten als um wirkliche Ordnung zu schaffen, sammelte Remus seine Unterlagen ein, steckte sie in seine Tasche, bevor er das große Arithmantik-Buch an seinen Platz im Regal zurückstellte. Florence' unerwartetes Auftauchen hatte ohnehin seine Konzentration auf Urlaub geschickt, eine Abwesenheit, von der er vermutete, dass sie auch noch andauern würde, wenn er heute Abend in seinem Bett lag und versuchte, einzuschlafen, also konnte er gut und gerne auch sofort damit aufhören, so zu tun, als ob er arbeiten würde. „Also?“, fragte er schließlich, nachdem er seine Tasche auf den Stuhl neben sich gestellt hatte, der Florence am nächsten lag, und so für ein wenig körperlichen Abstand zwischen ihnen gesorgt hatte. Ihre Gegenwart machte ihn auch heute, eine Woche nach dem Vorfall in dem leeren Klassenzimmer, nervös, und er bemühte sich, die Bücherreihe ihm gegenüber anzustarren und Florence' irritierende Anwesenheit so gut wie möglich auszublenden. „Also... ich...“ Sie stockte für einen Moment und er hörte das leise Wispern von Haaren, als sie sich bewegte, das Rascheln ihres Umhanges. „Verdammt, Remus, sieh mich doch endlich an.“ Ihre plötzliche, fast wilde Reaktion, ihre erhobene Stimme, die Madame Pince ein gezischtes „Ruhe!“ entlockte, brachte ihn dazu, sie erschrocken anzustarren und endlich die Tränen zu bemerken, die in ihren Augen schimmerten. Für einen Moment lang sahen sie sich nur an, bevor Florence schließlich den Kopf senkte. „Es tut mir leid.“ Remus wusste nicht, ob sie ihren Ausbruch von eben meinte oder die Szene vor einer Woche, ihr Verhalten oder das, was geschehen war. „Mir auch.“ Er seufzte auf. „Ich meine, ich weiß ja, dass James und Sirius unglaubliche Kindsköpfe sein können... aber dass sie so weit gehen würden... das hätte ich nicht gedacht.“ „Mhm.“ Unbehaglich zuckte Florence mit den Schultern, während Remus sich räusperte, auf der Suche nach etwas, das er noch sagen konnte, um sich und das Verhalten seiner Freunde in einem besseren Licht darzustellen. „Ich... ich würde es auch verstehen, wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben wollen würdest, ich meine, nach allem, was passiert ist musst du mich doch eigentlich...“ „Willst du morgen mit mir picknicken?“ „Was?“ Nur seine Überraschung hatte ihn zu diesem Ausbruch verleiten können und er starrte Florence an, mit einem Gesichtsausdruck, der wahrscheinlich einfach nur dümmlich wirkte. „Ich meine... du möchtest morgen... mit mir...?“ Florence kicherte. Es war ein mädchenhaftes Geräusch, eines, das mehr Schmetterlinge in seinem Bauch zum Tanz aufforderte, als er dort für vorhanden gehalten hatte, und das Funkeln in ihren Augen ließ Erleichterung durch ihn fluten, eine Anspannung wegschmelzen, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie dort festgehalten hatte. Sie war ihm nicht böse... alleine diese Gewissheit ließ ihn lächeln und die einzige Antwort finden, die auf ihre Frage angemessen war. „Natürlich möchte ich mit dir picknicken.“ Florence' Gesicht strahlte. „Und ich dachte schon, du würdest nichts mehr mit mir zu tun haben wollen wegen letzter Woche.“ Remus hob die Augenbrauen. „Ich dachte, du wolltest nichts mehr mit mir zu tun haben!“ Für einen Moment starrten sie sich an, dann fingen sie beide an zu lachen. Remus' zahlreichen Befürchtungen wegen des unbeständigen Herbstwetters zum Trotz waren nicht nur der Sonntagmorgen und der Sonntagmittag, sondern auch der ungleich wichtigere Sonntagnachmittag warm, trocken und sonnig. Als er in der Eingangshalle stand, einen großen, von den Hauselfen gefüllten Picknickkorb unter dem Arm, konnte er allerdings auch den nicht unbeträchtlichen Nachteil des schönen Wetters in aller Ausführlichkeit betrachten: Scharen von Schülern, die sich, bewaffnet mit Decken, Büchern und Körben, ebenfalls auf den Weg in die Ländereien machten, um vielleicht den letzten schönen, warmen Sonntag des Jahres ausgiebig genießen zu können. Insgeheim hatte er gehofft, vielleicht ein wenig Zeit alleine mit Florence zu verbringen, Zeit, die nicht angefüllt war mit Unterhaltungen über Verwandlung und Übungen, doch so wie es jetzt aussah, würden sie wohl alle paar Minuten auf einen Freund, einen Kollegen oder einen Bekannten treffen, der sie davon ablenken würde. „Remus!“ In seiner Beobachtung der anderen Schüler versunken hatte er nicht bemerkt, wie Florence von den Schulküchen und ihrem Gemeinschaftsraum her gekommen war, einen Rucksack und eine große, bequem aussehende Picknickdecke tragend. Sie hatte ihre blonden Locken in einem Zopf gebändigt und sah ebenso fröhlich aus wie er, als sie auf ihn zutrat. „Na, wollen wir?“ „Klar.“ Gemeinsam gingen sie durch das große Tor nach draußen, schlenderten über die Ländereien und genossen den leichten Wind, der durch das Gras strich, die Oberfläche des Sees kräuselte sowie die warmen Sonnenstrahlen, die den Nachmittag nicht nur warm, sondern schon fast heiß machten. Auf dem Weg fiel Remus auf, von wie vielen ihrer Haus- und Jahrgangskollegen Florence angesprochen wurde, sie schien sehr beliebt zu sein unter den anderen Hufflepuffs, ließ sich aber trotzdem nicht länger von ihm ablenken und plauderte fröhlich mit ihm. Allerdings bemerkte er, während sie durch das kurze Gras liefen, dass sie ein bestimmtes Ziel zu verfolgen schien, denn sie waren schon an mehreren schönen, geschützten Picknickplätzen vorbeigelaufen, ohne dass Florence sie sich auch nur angesehen hätte. „Ähem... wohin gehen wir eigentlich?“ Sie grinste und Remus wusste nicht, ob es sich um Einbildung oder Wirklichkeit handelte, aber er glaubte, dass sich ein rötlicher Schleier über ihr Gesicht legte. „Ach... da gibt es diesen Platz, unten am See und ich dachte, dort könnten wir uns vielleicht hinsetzen, wenn er frei ist.“ „Klingt nach einer guten Idee“, entgegnete Remus schlicht, seine Erfahrung mit den besten Picknickplätzen auf den Ländereien von Hogwarts beschränkte sich auf Nachmittage mit seinen Freunden und er war bereits zu der Schlussfolgerung gekommen, dass die Kriterien für ein Date – wenn es denn eines war – wahrscheinlich ganz anders aussahen. „Natürlich.“ Florence grinste ein wenig unsicher. „Immerhin kommt sie ja von mir.“ Sie schien sich nicht sicher zu sein, ob sie mit diesem Scherz nicht zu weit gegangen war, doch Remus überraschte sich selbst mit dem Gedanken, dass er das nicht fand - und ihrem Urteil zumindest in der Hinsicht, dass sie einen besseren Platz für vertrautes Zusammensein finden konnte, vertraute. Bis jetzt hatte er – im Gegensatz zu seinen beiden Frauenhelden – auf Hogwarts kaum Dates gehabt und die meisten waren nicht wirklich gut ausgegangen, was wahrscheinlich auch daran lag, dass er die Mädchen nicht wirklich an sich heranlassen wollte. Es war einfach besser für sie, wenn sie nicht wussten, wer oder, genauer gesagt, was er war und Florence war die Erste, bei der er sich dabei ertappte, dass er ihr vertrauen wollte, auch wenn sein Verstand schrie, dass das eine wirklich dumme Idee war. Sie schlugen einen Pfad am Rande des Sees ein, der zuerst – von Schülern gesäumt – über eine weite Grasfläche führte, schließlich aber eine Biegung machte und von verstreuten Baumgruppen, die wie Vorposten des Verbotenen Waldes wirkten, beschattet wurde. Das Zwitschern der Vögel wurde lauter und schließlich bog Florence nach links, zum Seeufer hin ab, kletterte eine kleine Böschung nach unten und stand plötzlich auf einem schmalen Kiesstrand, der in eine flache Bucht auslief. Vom Weg aus hatte man sie durch die umstehenden Bäume und einige Büsche nicht sehen können und Remus folgte ihr ungeschickt den Abhang hinunter, schlug aber die Hand aus, die sie ihm entgegenstreckte, um ihm zu helfen. „Und? Wie gefällt es dir?“ Sie klang ein wenig atemlos, nervös, und zum ersten Mal schlich sich der Gedanke in Remus' Kopf, dass sie vielleicht ebenso aufgeregt und unruhig sein könnte wie er selbst. „Es ist... wirklich wunderschön.“ Florence strahlte und breitete die Picknickdecke im Halbschatten aus, wo Sonnenlicht durch die Lücken in den Blättern fiel, bevor sie ihren Rucksack darauf abstellte und begann, Geschirr, Besteck und eine große Thermoskanne auszupacken. „Setz dich doch.“ Zögerlich nahm Remus neben ihr Platz, stellte aber fest, dass die Decke irgendeinen magischen Effekt beinhalten musste, da er nicht wie befürchtet die Kiesel darunter fühlte, sondern weiche Polsterung. Man musste ihm seine Überraschung wohl angesehen haben, denn Florence lachte auf. „Keine Sorge, sie ist verzaubert... aus der Winkelgasse, im Sonderangebot. Meine Mum hat auch eine und findet sie einfach nur großartig, obwohl sie der ganzen Angelegenheit eigentlich skeptisch gegenübersteht.“ „Deine Mum ist eine Muggel?“, hakte Remus nach, während er selbst begann, seinen Picknickkorb auszuräumen und eine gekühlte Flasche Kürbissaft zwischen ihnen aufstellte – er hatte es nicht gewagt, Butterbier mitzunehmen, alleine schon wegen der peinlichen Erinnerungen. „Ja. Wusste nicht, dass mein Vater ein Magier ist, bis ich den Brief aus Hogwarts bekommen habe... dann hat er endlich den Mut gefunden, ihr zu erzählen, dass er zwar jeden Tag ins Büro geht... allerdings nicht in das Büro, das sie dachte. Und deine Eltern?“ „Auch halb und halb“, entgegnete Remus, auch wenn es ihm nicht gelingen wollte, in demselben fröhlichen, unbeschwerten Tonfall von ihnen zu erzählen wie Florence. Zu tief saßen die Erinnerungen daran, wie sehr sie unter seinen monatlichen Verwandlungen litten, wie verzweifelt sie in den ersten Jahren nach einer Heilung für ihn gesucht hatten. Nicht dass er seine Eltern nicht liebte – er wünschte sich nur manchmal, dass sie vielleicht einen anderen Sohn haben könnten, der ihnen nicht so viele Umstände machte. Florence schwieg, betrachtete ihn für einen Moment nachdenklich, dann zog sie, so als ob sie sich erst wieder daran erinnert hätte, eine große Plastikdose aus ihrem Rucksack. „Wo wir gerade von Eltern sprechen – meine Mutter hat mir Schokoladenmuffins geschickt. Sie sind zwar ein wenig angeschmolzen, aber schmecken immer noch toll. Willst du einen?“ In der Art, wie sie ihm die Dose unter die Nase hielt, lag die Andeutung, dass er eine Ablehnung vielleicht nicht überleben würde, und so griff er danach, biss vorsichtig hinein. Und Florence hatte Recht – sie schmeckten immer noch großartig, und angeblich machte Schokolade ja auch glücklich. 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